# taz.de -- Die Wahrheit: Winnetou war kein Nazi
       
       > Ministerin Ursula von der Leyen durchkämmt auf der Suche nach dem Übel
       > des Rechtsradikalismus die Kasernen der Bundeswehr.
       
 (IMG) Bild: Da kommt Freude auf beim Bund: Blondie ist zu Besuch
       
       „Ich habe in jeder Ritze nachgesehen, Frau Obersturmbannführer. Hier sind
       ganz sicher keine Nazis“, rapportiert Zwei-Sterne-General Günther
       Schrapphorst und führt seine Handprothese zackig an den Mützenschirm.
       Verteidigungsministerin von der Leyen blinzelt ihn durchdringend an, doch
       der alte Kämpe widersteht dem kruppstählernen Blick seiner Ministerin.
       
       „Großes OKW-Ehrenwort mit Eichenlaub?“, fragt das resolute Flintenweib
       investigativ nach. Kein Wunder, dass von der Leyen bei der Truppe der Ruf
       einer unerschrockenen Aufklärerin und Verhörspezialistin vorauseilt.
       
       „Mit Führereid ohne Anschmieren“, bestätigt Schrapphorst militärisch knapp.
       „Hier sind nur wir Staatsbürger in Uniform. Alles lupenreine Demokraten.“
       Ursula von der Leyen nickt erleichtert. „Puh, da bin ich ja beruhigt“,
       freut sich die Ministerin und kneift ihrem General in die Wange. „Man liest
       ja so viel Schlimmes in den Medien.“
       
       ## Ist die Keitel-Kaserne sauber?
       
       Wie alle Bundeswehreinrichtungen wird auch die Keitel-Kaserne im
       wustermärkischen Groß Krocken von der Ministerin höchstpersönlich
       inspiziert. Seit der Affäre um den rechtsextremen Offizier Franco A.,
       Hakenkreuzschmierereien und Wehrmachtsandenken auf Soldatenstuben hat von
       der Leyen die innere Führung zur Chefsache erklärt. Zu schwer wogen die
       Anschuldigungen, ihre Soldaten kehrten der freiheitlich demokratischen
       Grundordnung fahnenflüchtig den Rücken und horteten neben
       Marika-Rökk-Pin-ups und zerfledderten Landser-Heftchen womöglich rechtes
       Gedankengut in ihren Spinden.
       
       „Gedankengut gleich welcher Couleur hat in der Truppe nichts verloren“,
       konstatiert Schrapphorst kämpferisch, und seine Männer – darunter auch
       einige Frauen – grunzen zustimmend. Der alte Haudegen, der sich seine
       Generalsterne während einer Winterübung mit einem spektakulären geeisten
       Erbsschaumsüppchen erkocht hat, ist in Groß Krocken mit dem zweiten Manipel
       der sechsten Kohorte seiner Original Oberkrainer Gebirgsjäger stationiert.
       
       „Und so alten Militärplunder vom letzten Krieg haben sie auch nicht in
       irgendwelchen Vitrinen liegen, nicht wahr?“, lässt die Ministerin nicht
       locker. Schrapphorst schüttelt generalstabsmäßig den kantig geschnittenen
       Kommisskopf. „Bloß noch eine angebrochene Packung G-36 Sturmgewehre.“ –
       „Die können sie bei Ebay reinstellen“, lächelt von der Leyen gütig. „Für
       die Feldkasse.“
       
       ## Dolchstoßlegenden am Kanonenofen
       
       Die Inspektion beginnt unter dem Bildnis eines Mannes im feldgrauen Rock,
       das den Namenspatron der Kaserne, den amerikanischen Mimen Harvey Keitel,
       in der Rolle eines Feldmarschalls zeigt. Dann prüft von der Leyen die
       Stuben der Soldaten, die allesamt unschuldige geografische Bezeichnungen
       wie „Obersalzberg“ oder „Kolberg“ tragen. Hier gibt es nichts zu
       beanstanden.
       
       „Hübsch“, lobt die Politikerin das aparte schwarz-weiß-rote Raumdekor und
       öffnet einen Spind. Ein Ring fällt heraus, den die patente Ministerin
       gleich wieder an seinen Platz legt. „Ui, da ist ja ein Totenkopf drauf. Wie
       gruselig“, stellt sie schmunzelnd fest. Auch die Soldaten lachen, von der
       Leyens zugewandte Art kommt bei der Truppe gut an.
       
       Anschließend geht es ins Offizierskasino. „Wolfsschanze“ wird es von den
       tierlieben Militärs genannt. „Abends sitzen wir hier am Kanonenofen und
       erzählen uns Dolchstoßlegenden“, erzählt Schrapphorst leutselig.
       „Kommunikation ist ganz wichtig“, lobt die Ministerin.
       
       ## Grundsätzliche Neuorientierung
       
       Sogar die Mannschaftslatrinen begutachtet sie. Bewundernd steht von der
       Leyen vor kunstvollen Graffiti, die Soldaten in mühevoller Scheißarbeit an
       die Klowände gekritzelt haben. „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz
       erkennen“, lässt die Politikerin Kunstverstand aufblitzen. Keine Frage,
       diese Ministerin kennt ihre Kippenberger.
       
       „Alles tipptopp grundgesetzestreu“, verkündet von der Leyen und
       verabschiedet sich mit einem herzlichen: „Rührt euch, ihr Kanaillen.“
       
       Doch nicht in jeder Bundeswehrkaserne geht es so vorschriftsmäßig zu wie in
       Groß Krocken. Experten raten deswegen zu einer grundsätzlichen
       Neuorientierung.
       
       ## Ungebrochene heldische Vorbilder
       
       „Natürlich tun sich die Deutschen schwer, an soldatische Traditionen ihrer
       Geschichte anzuknüpfen, die demokratischen Geist atmen“, gibt
       Militärpsychologe Neidhardt von Boyen zu. „Schon deswegen, weil es im
       Grunde keine gibt. Während die US-amerikanischen Streitkräfte sich auf
       Kriegshelden wie John Rambo oder John Wayne berufen können, müssen ihre
       deutschen Kameraden mit ein paar Verschwörern vorlieb nehmen, die ihren
       Coup vergeigt haben. Das macht wenig Lust aufs Gefecht.“
       
       Doch gerade in Zeiten zunehmender Kriegseinsätze bräuchten auch deutsche
       Soldaten ungebrochen heldische Vorbilder, meint von Boyen, und wenn die
       Geschichte keine politisch stubenreinen hergebe, müsse man sich eben
       anderweitig umschauen. Derzeit führt der Soldatenflüsterer mit Kameraden
       aus der Prinz-Eisenherz-Kaserne die herzergreifende Sterbeszene Winnetous
       auf, um sie ganz spielerisch auf den Tod fürs Vaterland vorzubereiten.
       
       12 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Bartel
       
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