# taz.de -- Gesetz zur Leiharbeit: Vier Jahre ackern auf Probe
       
       > Das neue Gesetz zur Beschränkung der Zeitarbeit ist zahnlos. Die IG
       > Metall gestattet im Tarifvertrag eine Höchstüberlassung von vier Jahren.
       
 (IMG) Bild: Im Maschinenbau gibt es für Auftragsspitzen viel Zeitarbeit
       
       Berlin taz | Der Fall der Kölner Motorbaufirma ist bezeichnend für die
       Bedingungen in der Zeitarbeit – und dafür, warum das seit 1. April geltende
       neue Gesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur
       Beschränkung der Zeitarbeit nicht greifen kann.
       
       In dem Motorbaubetrieb ackerten neben der Stammbelegschaft 100
       Zeitarbeiter. Sie fertigten Dieselmotoren, und das schon seit fast 24
       Monaten, erzählt Witich Roßmann, erster Bevollmächtigter der IG Metall
       Köln-Leverkusen. Nach zwei Jahren musste sich die entleihende Firma von den
       Leuten eigentlich trennen, denn länger als zwei Jahre darf ein
       Leiharbeitnehmer nicht am Stück im selben Unternehmen tätig sein. Danach
       muss ihm ein Übernahmeangebot als Festangestellter gemacht werden. So sieht
       es der Tarifvertrag für Zeitarbeiter in der Metallbranche vor.
       
       Aber: Die Motorbaufirma erwartet aufgrund einer Änderung der
       Emissionsvorschriften eine Auftragsspitze nur noch bis Oktober dieses
       Jahres. Eine unbefristete Festanstellung der Leiharbeiter kam nicht in
       Frage. Sie hätte die Leute rauswerfen und für die Zeit bis Oktober eine
       neue Truppe an Zeitarbeitern einstellen müssen. Niemand wollte das, weder
       die Geschäftsleitung noch die betroffenen Zeitarbeitnehmer.
       
       ## Kritik von der Linkspartei
       
       „Der Betriebsrat schloss eine Vereinbarung“, erzählt Roßmann. Durch die
       Vereinbarung mit der Geschäftsleitung wurde die Höchstüberlassungsdauer für
       die Zeitarbeitnehmer verlängert – sie konnten bis Oktober weitermachen. Die
       Vereinbarung war zulässig, denn der Tarifvertrag hat eine Öffnungsklausel.
       Die Arbeitnehmer waren zufrieden. „So konnten sie noch ein halbes Jahr
       länger gut Geld verdienen“, berichtet Roßmann.
       
       Betrieblich vereinbarte, lange Entleihdauern sollen auch mit dem
       Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aus dem Ministerium von Nahles (SPD) möglich
       sein, das seit Monatsbeginn gilt. Das Gesetz fordert, dass die
       Höchstüberlassungsdauer in Tarifverträgen zeitlich definiert wird. Die IG
       Metall entwickelte daraufhin einen neuen Tarifvertrag zu den
       Einsatzbedingungen der Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie, in
       dem sie eine Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten vorgibt. Das bringt ihr
       jetzt viel Kritik ein. Einen solchen Tarifvertrag hätte sie von
       Christlichen Gewerkschaften erwartet, aber nicht von der IG Metall, rügte
       Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der
       Linken-Fraktion im Bundestag.
       
       Aus dem Blick gerät dabei, dass eine solche lange Überlassungsdauer in
       Betriebsvereinbarungen auch vor Nahles’ Gesetz schon möglich war. „Es wird
       lediglich eine Wirklichkeit sichtbar, die es schon länger gibt“, sagt
       Roßmann.
       
       ## Die Realität ist der Drehtüreffekt
       
       Dabei sollte das Gesetz von Nahles die Zeitarbeit eigentlich einschränken
       und die Arbeitgeber dazu zwingen, die Leiharbeiter nach einer bestimmten
       Zeit fest einzustellen. Im Gesetz gilt eine Höchstüberlassungsdauer von 18
       Monaten „am Stück“ – es sei denn, es gibt anders lautende
       Betriebsvereinbarungen. Nach 18 Monaten muss der Zeitarbeitnehmer
       abgemeldet oder eben fest angestellt werden. Das passiert jedoch nur
       selten. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW)
       kam in einer branchenübergreifenden Erhebung auf 14 Prozent der
       Zeitarbeiter, die in die Stammbelegschaft übernommen werden.
       
       Durch die Befristungen per Gesetz oder eben wie in der Metallbranche laut
       Tarifvertrag hat sich in der Branche ein „Drehtüreffekt“ eingestellt. „Die
       Realität ist die Rotation“ sagt Roßmann. Dabei wird der Zeitarbeitnehmer
       abgemeldet und durch einen anderen Zeitarbeiter ersetzt. Der abgemeldete
       Leiharbeiter kann dann nach einer Pause vom alten Unternehmen wieder
       beschäftigt werden.
       
       Ein Problem sind dabei die Branchenzuschläge, die entsprechend der
       Entleihdauer steigen. Nach neun Monaten im selben Unternehmen gibt es in
       der Metallindustrie einen Entgeltzuschlag von 50 Prozent für die
       Zeitarbeiter. Wer das Unternehmen dann nach dieser Zeit verlassen muss,
       fängt im nächsten Unternehmen „wieder bei Null an“, sagt Roßmann.
       
       ## Zeitarbeiter wollen im selben Betrieb bleiben
       
       Auch deswegen haben die Zeitarbeiter ein großes Interesse, so lange wie
       möglich beim selben Unternehmen zu bleiben. Eine Höchstüberlassung von 48
       Monaten solle aber „die Ausnahme sein“, sagt Silke Ernst, Sprecherin der
       IG-Metall-Zentrale in Frankfurt. Der Tarifvertrag, der diese
       Höchstüberlassungsdauer erlaubt, ist noch nicht nicht beschlossen, weil
       zeitgleich noch über eine Erhöhung der Branchenzuschläge verhandelt wird.
       Noch in diesem Jahr muss aber eine Einigung kommen, das sieht das
       Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor.
       
       In der Gewerkschaft selbst gibt es Streit wegen des Festschreibens der
       Höchstüberlassungsdauer. „Der Konflikt besteht darin, dass man mit einer
       Öffnungsklausel ja durchaus dem individuellen Leiharbeiter nutzt, der im
       Unternehmen bleiben will. Gleichzeitig aber stabilisiert man damit das
       System der Leiharbeit als solches“, sagt ein Metaller, der nicht namentlich
       zitiert werden will.
       
       Die IG Metall hatte ursprünglich gefordert, dass im neuen Gesetz die
       Zeitarbeit auf einem Arbeitsplatz befristet werden soll, nicht die
       Beschäftigungsdauer einzelner Personen. Dann hätte ein Arbeitsplatz nur
       befristet mit einem Zeitarbeitnehmer besetzt werden dürfen und danach hätte
       nur noch ein Festangestellter des Betriebs diese Tätigkeit machen dürfen.
       Diese Forderung wurde durch den Widerstand der Arbeitgeber gekippt. Jetzt
       gilt die Befristung für die einzelne Person. „So wie das Gesetz jetzt
       aussieht, nützt es den einzelnen Zeitarbeitnehmern nichts“, sagt der
       Metaller.
       
       21 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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