# taz.de -- Hilfe für Obdachlose in der S-Bahn Berlin: „Du bist es wert zu leben“
       
       > Zwei Sozialarbeiter sollen sich um Obdachlose in S-Bahn-Zügen kümmern.
       > Das Projekt finanziert die S-Bahn ein Jahr lang mit 65.000 Euro.
       
 (IMG) Bild: Wer kümmert sich um Obdachlose?
       
       Marianne ist eine Dame, die ihr Umfeld am Bahnhof hat, erzählt Wilhelm
       Nadolny. Er kenne sie seit fünf Jahren. In den letzten Monaten habe sich
       ihr Zustand so verschlechtert, dass sie eigentlich nur noch auf den Tod
       gewartet habe.
       
       Nadolny, 30 Jahre, unauffällige Brille, Kapuzenpullover, ist seit 2012
       Sozialarbeiter bei der Bahnhofsmission am Zoo. Seit Januar ist er einer der
       beiden „mobilen Einzelfallhelfer“, die sich um jene Obdachlosen kümmern
       sollen, die in deutlich schlechterer physischer und psychischer Verfassung
       sind als die Mehrheit der Wohnungslosen. Laut Schätzungen sind das etwa 5
       Prozent. Finanziert werden die beiden von der S-Bahn Berlin; die Berliner
       Stadtmission organisiert das Modellprojekt. Am Donnerstag wurden die beiden
       Sozialarbeiter der Presse vorgestellt.
       
       Ein Großteil der Obdachlosen, die die S-Bahn nutzen, falle nicht auf,
       erklärt deren Sicherheitschef Jörk Pruss. „Aber ein Teil stellt doch durch
       extremes Riechen, durch aggressives Betteln ein Ärgernis für unsere
       Fahrgäste dar.“ Mit den üblichen Maßnahmen – Rausschmiss und Strafantrag –
       sei man an Grenzen gestoßen. Deswegen sei die S-Bahn auf die Stadtmission
       zugegangen. In das Projekt investiert die S-Bahn 65.000 Euro. Bewilligt
       wurde das Geld für ein Jahr.
       
       ## Die Gesellschaft hat sie aufgegeben
       
       „Ein einzelner Mensch kann einen ganzen Waggon leeren, weil man es einfach
       nicht mehr erträgt – diesen verwesenden Menschen“, berichtet Ortrud
       Wohlwend von der Stadtmission. In solchen Fällen seien die beiden
       Einzelfallhelfer gefordert: „Sie sollen zeigen: ‚Du bist es doch wert, zu
       leben!‘ Es geht ihnen darum, das Potenzial sichtbar zu machen in Menschen,
       die von der Gesellschaft aufgegeben wurden – und sich selbst auch
       aufgegeben haben.“
       
       Das Sicherheitspersonal der S-Bahn könne die mobilen Einzelfallhelfer
       rufen, wenn sie Menschen sähen, die Hilfe benötigen, erläutert Wohlwend.
       Bei der Einzelfallbetreuung gehe es darum, einen Menschen bis zu 200
       Stunden über mehre Monate zu begleiten.
       
       Um Marianne, die Dame vom Zoo, konnte sich Wilhelm Nadolny dank des
       Projekts intensiv kümmern. Kürzlich habe sie sogar wieder ein Kino
       besucht. Von Tod sei bei ihr nicht mehr die Rede.
       
       21 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Saida Rößner
       
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