# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Liebe und Verrat in Zeiten der RZ
       
       > Hans Schefczyk und sein politischer Roman „Das Ding drehn“ erzählen von
       > einer Episode aus der Spätphase der westdeutschen Guerilla.
       
 (IMG) Bild: Die Polizei durchsuchte 1999 den Mehringhof in Berlin nach Sprengstoff. Gefunden wurde nichts
       
       Manche Menschen ändern sich nie. Und sind stolz darauf. Doch die, die sich
       nicht ändern, sind öfter auch sehr konservativ. Sicher, es gibt auch
       „Originale“ – und auch den immer schon in sich ruhenden, ausgeglichenen
       Menschen. Doch generell sind Menschen, die sich niemals ändern, die keine
       Brüche in ihrem Leben kennen, eher mit Vorsicht zu genießen. Besonders wenn
       sie sentimental werden und in Lifestyle oder Sound ihrer Jugend
       (rebellische Phase!) schwelgen.
       
       Zwischen Tradition, Beharren und alten Rollenbildern schwankt auch der
       politische Roman „Das Ding drehn“ von Hans Schefczyk (Transit Verlag,
       Berlin 2017). Schefczyk erzählt darin eine Geschichte aus dem linken
       bewaffneten Untergrund, den es in der Bundesrepublik zwischen 1968 und 1989
       ja auch einmal gab. Genauer gesagt, erzählt er eine Episode aus der
       Spätphase der Revolutionären Zellen (RZ), als die in seinem Roman die
       „Anarchistischen Zellen (AZ)“ unschwer zu erkennen sind.
       
       Die realen RZ agierten nahe an den Autonomen Bewegungen. Sie vermieden im
       Gegensatz zur RAF Anschläge mit Menschenopfern. Zumindest nach Abspaltung
       ihres antiimperialistischen Flügels, der sich Mitte der 1970er Jahre der
       brutalen Carlos-Gruppe anschloss.In „Das Ding drehn“ erzählt Schefczyk
       davon, wie sich Teile einer Gruppe der AZ in einem finalen Coup das
       notwendige Kleingeld für ein Leben nach dem Untergrund besorgen wollen. Es
       ist die Zeit Anfang der 1990er Jahre.
       
       Nach dem Ende des Kalten Kriegs befanden sich auch die realen RZ in
       Auflösung. In der „anti-etatistischen Linken“ hatte ein Paradigmenwechsel
       stattgefunden. Viele wandten sich den Institutionen des demokratischen
       Staates zu, gerade in Verteidigung gegen Nationalismus und Neonazismus der
       1990er Jahre. Doch für die Illegalen, die der Staat als RZ-Mitglieder
       identifiziert hatte, schien es kein Zurück zu geben. Haftstrafen drohten.
       Einige inaktive RZ-Mitglieder lebten mit gefakten Existenzen im Ausland.
       [1][Jahrelang ging das gut], bis es dem Staatsschutz in den 1990ern gelang,
       die RZ zu infiltrieren.
       
       ## Lass uns das Ding drehn
       
       In Schefczyks Roman ist es eine Liebe in Köln, die einem Agenten Zugang zum
       Inner Circle verschafft. Den Titel seiner Kriminalgeschichte hat er einem
       Rio-Reiser-Song von 1986 entlehnt: „Lass uns das Ding drehn“, ein Lied von
       der ersten Soloplatte des legendären Ton-Steine-Scherben-Sängers.
       Musikalisch Neue Deutsche Welle, politisch dem Heroismus des autonomen
       Anarchoexistenzialismus verpflichtet.
       
       Eine Textstrophe lautet: „Das ist kein Jahr für Eintagsfliegen / Das ist
       kein Jahr wie jedes Jahr / Das wird ein Jahr für Kies und Kohlen / Ein Jahr
       für Coke und Kaviar / Die Sterne stehen glänzend günstig / Und selbst der
       Mond hat keinen Fleck / Es ist genau der richt’ge Zeitpunkt / Alle
       Connections sind gecheckt / Laß uns das Ding drehn / laß uns über Los
       gehen.“
       
       Für Schefcyks AZ-Protagonisten fungiert Reisers Song als eine Art
       Durchhaltehymne. Obwohl sich die Welt in den 1990ern um sie herum bereits
       stark verändert hat, scheint der Schriftsteller die Haltung seiner Figuren
       zu affirmieren. Zu distanzlos hat er die Story angelegt, weswegen der Roman
       trotz der Spannungsmomente leicht aus der Zeit gefallen wirkt.
       
       „Das Ding drehn“ feiert in seinen Figuren eher die Nichtveränderung, den
       Starrsinn, anstatt diese als entscheidende Schwächen zu begreifen. Dafür
       bietet er als ein klassisches Misserfolgsmotiv einen sehr klassisch
       angelegten Liebesverrat. Schade. Die RZ haben vielleicht gar nicht
       „verloren“, wie Schefczyk seine AZ-Protagonisten denken und sagen lässt.
       Die Geschichte machte sie überflüssig. Und das könnte man jenseits aller
       Heroik auch als Erfolg sehen.
       
       20 Apr 2017
       
       ## LINKS
       
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