# taz.de -- Was Tiere so machen: Essen verstecken
       
       > Eichhörnchen haben keine Ahnung, wo sie ihre Nüsse verbuddelt haben.
       > Andere Tiere schon: Für sie ist die Suche auch ein Gedächtnistraining.
       
 (IMG) Bild: Niedlich, aber vergesslich: das Eichhörnchen
       
       Kürzlich vergrub ein Silberdachs in den USA fünf Tage lang ein totes Kalb
       in der Erde. In einem [1][Video, dass die Universität von Utah ins Netz
       gestellt hat], kann man ihn dabei beobachten. Seinen Appetit richtig
       einschätzend, kam der Dachs zu dem Schluss, dass er das Kalb besser
       verstecken sollte, wenn er es sich länger als Nahrungsquelle sichern wolle.
       Zumindest vor den in den USA immer noch häufigen Geiern hatte er „sein“
       Kalb damit in Sicherheit gebracht.
       
       Tiere verstecken Gegenstände in der Regel im Zusammenhang mit der
       Nahrungsaufnahme. Der US-amerikanische Silberdachs kann in diesem
       Zusammenhang als exemplarisch gelten. Selbst Geier, die wie Truthahngeier
       sehr gut sehr feine Verwesungspartikel kilometerweit riechen können, werden
       nicht in der Lage sein, das vergrabene Kalb wieder auszugraben.
       
       Mit diesem Beispiel sind bereits ein paar Probleme des tierischen
       Versteckspiels buchstäblich ins Auge gefasst: Auch wenn Tiere Nahrung
       verstecken, um sie vor anderen Interessenten in Sicherheit zu bringen,
       müssen sie immer damit rechnen, dass sie bei ihrem Versteckspiel beobachtet
       werden.
       
       Das gilt auch für Krokodile, wenn sie in den Flüssen der Serengeti ein
       gerade gefangenes und nur halb verzehrtes Gnu im Schlamm der Uferböschung
       vergraben. Und es gilt für die Weibchen der Echsen, die ihre Eier im warmen
       Sand an den Ufern von Flüssen und Teichen vergraben.
       
       ## Krokodile, Warane, Störche
       
       Weil das Legen der Eier in eine selbst gegrabene Mulde im Sand sehr
       unsicher ist, bleiben Nilkrokodilweibchen vom Legen der Eier bis zum
       Schlüpfen der Jungen in der Nähe der Brut. Wobei, immer wenn sie, womöglich
       überhitzt, kurz ins Wasser gehen, um sich abzukühlen, sofort deutlich wird,
       warum sie ihre Nester tatsächlich bewachen sollten. Meist ist das Krokodil
       noch nicht ganz weg, da kommen bereits Warane aus dem Unterholz des
       Galeriewaldes und suchen nach den Eiern.
       
       Offenbar von den Waranen angezogen, fliegen auch noch zwei Störche dazu und
       starren nur auf die Warane. Warane graben, wenn sie nicht daran gehindert
       werden, die Krokodileier aus und fressen sie auf. Für die Störche bleiben
       bei etwa hundert Eiern dann immer noch einige übrig.
       
       Verstecken ist im Tierreich also nie eine sichere Sache. Diebe oder
       Mitesser lauern überall. Das gilt vor allem dann, wenn die Nahrung
       besonders intensiv riecht wie das Kalb des Silberdachses. Dann ist das
       Versteck nicht gesichert vor anderen Fleisch- und Aasfressern, die wie
       Füchse oder Wölfe in der Lage sind, den Kadaver nicht nur zu riechen,
       sondern auch auszugraben.
       
       Neben den Nachteilen, von anderen gerochen zu werden, gibt es für
       Verstecker wie den Dachs aber auch einen Vorteil: Er muss sich die Stelle,
       an der er seinen Vorrat vergraben hat, nicht so genau merken. Er kann sich
       einfach auf seine Nase verlassen. Ein Verhalten, das jeder Hundebesitzer
       mit mehreren Blumentöpfen in der Wohnung gut kennt. Hunde verstecken ihre
       Beute, ihre abgenagten Restknochen an verschiedenen Orten und suchen sie
       dann mit der Schnauze in der Blumentopferde wieder – und nicht etwa mit
       punktgenauem Ausgraben.
       
       ## Essen vergessen?
       
       Dass man sich die Stelle, an der man etwas versteckt hat, gut merken muss,
       wenn man sein Versteck selbst wiederfinden will, wird aber zu einem
       Problem, wenn der versteckte Gegenstand nicht riecht. Pflanzensamen zum
       Beispiel. Sie gehören zu den von Tieren am häufigsten versteckten
       Gegenständen, was auch mit deren langer Haltbarkeit und konzentrierter
       Nahrungsqualität zusammenhängt.
       
       Im Großen und Ganzen gibt es zwei Strategien, mit den Verstecken für die
       Samen umzugehen. Eine davon wird exemplarisch von Eichhörnchen angewandt.
       Sie vergraben ihre Nüsse im Herbst an allen möglichen Stellen im Boden rund
       um die Bäume, in denen sie leben.
       
       Dabei merken sie sich nicht die genauen Plätze. Sie behalten nur den
       ungefähren Raum im Gedächtnis, an dem sie etwas vergraben haben. So
       scheinbar wirr und kaum zielgerichtet, wie sie verstecken, so wirr
       versuchen sie die Nüsse auch wieder auszugraben. Oft wird dabei viel Erde
       bewegt, ohne dass der Ertrag über eine einzige Nuss hinausgeht.
       
       Das genaue Gegenteil davon bilden Rabenvögel und unter ihnen vor allem die
       Häher. Wer einen Eichelhäher in einem Hinterhof mit Balkon hat, auf dem
       Blumenkästen stehen, kann beobachten, dass Häher – aber auch Krähen – dort
       alles Mögliche verstecken, von trockenen Spaghetti bis zu Eicheln.
       Erstaunlich daran ist die Gedächtnisleistung der Häher.
       
       ## 60.000 Samen an 6.000 Orten
       
       In den Wäldern lebende Tannenhäher verstecken in großer Zahl in der Erde
       oder in Felsspalten Zirbelkiefernsamen an weit auseinanderliegenden
       Stellen. Erstaunlich ist, dass sie die Verstecke im Winter selbst dann
       wiederfinden, wenn darüber eine Schneedecke von über einem Meter liegt. Die
       Häher schießen dann mit dem Kopf zuerst in den Schnee und graben sich bis
       zum Samen vor.
       
       Die bis jetzt bekannten Meister unter den Samenversteckern sind aber
       Kiefernhäher. Ein einzelner von ihnen kann bis zu 60.000 Samen an 6.000
       verschiedenen Orten verstecken und findet sie im Winter wieder. Die Häher
       merken sich dabei aber nicht nur die Verstecke, sondern auch, welchen Samen
       sie wann an welchem Ort versteckt haben, um sie pünktlich vor dem Auskeimen
       wieder aus dem Versteck zu buddeln.
       
       Die britische Neuro- und Evolutionsbiologin Nicky Clayton, die Häher zu
       experimentellen Zwecken im Labor hält, konnte zeigen, dass diese
       herausragende Gedächtnisleistung vor allem auf Übung basiert. In den
       Jahreszeiten nämlich, in denen ihre Häher keine Samen verstecken konnten,
       versteckten sie alle möglichen anderen kleinen Gegenstände wie Steine oder
       gefundenes Plastikzeug. Die Gedächtnisleistung, die die Vögel die richtigen
       Samen zum richtigen Zeitpunkt finden lässt, wird durch Übung an scheinbar
       nutzlosen Gegenständen wie Steinen oder Nippes auf hohem Niveau gehalten.
       
       Das Verstecken von Gegenständen ist also oft nichts anderes als eine Art
       Gedächtnistraining, das den Vögeln nicht nur das Überleben sichert, sondern
       das auch eine besonders intensive Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten
       ihrer Umgebung zur Folge hat.
       
       15 Apr 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=dsHiOwR7cfc
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cord Riechelmann
       
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