# taz.de -- Nord-Süd-Gerechtigkeit: Bloß nicht noch ein Feiertag!
       
       > Niedersachsens Grüne und die SPD in Bremen wollen einen zusätzlichen
       > Feiertag. Ist das wirklich euer Ernst? Sind die existierenden nicht
       > schlimm genug?
       
 (IMG) Bild: Los, los! Auf zum Verwandtenbesuch! Ist schließlich Feiertag
       
       Samstag ist Selbstmord“, heißt ein frühes Lied der Hamburger Band
       Tocotronic. „Wer hat das Wochenende erfunden?“, fragten darin die drei
       Trainingsjacken- und Seitenscheitelträger und führten aus: „Die ganze
       Menschheit ist dadurch geschunden“, nämlich – neben dem „Sportverein“ –
       durch „Verwandtenbesuche“ und „Kaffee und Kuchen“. Später ist dann auch
       noch die Rede von „der Gemütlichkeit“, „der Gartenarbeit“ und, schließlich,
       „zu viel Freizeit“.
       
       Mindestens so sehr wie vom Sams- handelt dieser spätadoleszente Aufschrei
       vom Sonn- und auch vom Feiertag. Frei sind diese beiden ja erst mal nur von
       der Erwerbsarbeit – und auch das für immer weniger Menschen –, aber von
       wenig sonst. Man muss nicht, aber man kann das auch mit Theodor W. Adorno
       sagen: Wo man heute von der Freizeit spricht, tat man es früher von der
       Muße, aber diese beiden sind alles andere als dasselbe. Die Muße aber,
       [1][heißt es bei dem Frankfurter Nicht-Trainingsjackenträger], „war ein
       Privileg unbeengten Lebens, daher auch dem Inhalt nach wohl etwas
       qualitativ anderes, Glückvolleres“. Dagegen sei die Freizeit „an ihren
       Gegensatz gekettet“.
       
       ## Freizeit und Muße sind alle andere als dasselbe
       
       In der Tat: Sie will, nein, sie muss doch genutzt werden, fürs Hobby
       (besser: Hobbys im Plural, weil eins ist doch eigentlich noch keins); auch
       das Netzwerk, wie es heute gern heißt, will gepflegt sein – und ganz und
       gar nicht zuletzt begehrt bei vielen die liebe Verwandtschaft ihr Stück vom
       Freizeitkuchen, gern, aber nicht zwingend in Gestalt von Kaffee und Kuchen.
       Wer also so einen Feiertag schnöde für freie Zeit hält, hat doch schlicht
       die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden. Um wie viel klarer, geregelter,
       ja: ehrlicher ist dagegen ein Acht- oder meinethalben auch
       Zehnstundenbürotag?
       
       Die Kehrseite der nie endenden Beschäftigung der einen ist das Alleinsein
       der anderen: Je höher der Feiertag, desto ärmer an Alternativen ist der
       Rückfall ins familiäre Rollenfach von dunnemals. Haben Sie mal versucht,
       eine Ihrer ach so bereichernden Freundschaften zu pflegen, wenn drum herum
       alle Welt nach Hause fährt, um, bevorzugt entnervt nach Stunden im Stau, an
       Kaffeetafel und Esstisch plötzlich wieder nicht ganz für voll genommen zu
       werden, weil ein Kind ist ein Kind bleibt ein Kind?
       
       Ziemlich schlecht gelaunt, finden Sie? Mag sein. Aber ich brauche ganz
       sicher nicht noch mehr solcher Feiertage, und jeder Versuch, da eine
       gefühlte norddeutsche Benachteiligung heil zu machen – so wie er gerade
       durchs sprichwörtliche Dorf getrieben wird – geht fehl, schafft Probleme,
       wo er sie zu lösen behauptet. Mehr Feiertage? Bloß nicht! 
       
       Den ganzen taz.nord-Schwerpunkt über Feiertage lesen Sie in der taz. am
       Wochenende – am Kiosk oder [2][hier].
       
       17 Apr 2017
       
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