# taz.de -- Nichtöffentliches Training im Fußball: Zugucken unerwünscht
       
       > Profiklubs schotten sich in ihren Trainingseinheiten zunehmend ab. Damit
       > verärgern sie Zaungäste, die ihre Elf unter der Woche observieren wollen.
       
 (IMG) Bild: Der Sichtschutz ist auch in der Schweiz angesagt
       
       Frank Ludewig kann genau wie Gerhard Müller nur noch den Kopf schütteln.
       Geheimtraining? „Das Thema wird doch übertrieben. Wenn es so viel nützen
       würde, müsste ich im Spiel mehr Überraschungseffekte sehen“, sagt der eine.
       „Es ist in diesem Geschäft doch eh alles bekannt. Wir stören doch wirklich
       nicht“, beteuert der andere. Die gebürtigen Frankfurter sind Dauergäste
       beim Eintracht-Training. Eigentlich. Denn nur noch ein- oder zweimal pro
       Woche können die Pensionäre kiebitzen. Die Stammgäste, die schon in den
       Frankfurter Stadtwald pilgerten, als die Spielstätte noch Waldstadion und
       ihr Idol Grabowski hieß, sind verärgert.
       
       Vier Fußballfelder liegen an dem Weg, der vom Haupteingang zur Haupttribüne
       führt. Seit Ende Februar wird einer der drei Rasenplätze mit mannshohen
       Stahlgittern und schwarzen Planen geschützt. Das wirkt wenig einladend.
       Dass jugendliche Fans wie kürzlich Schüler der Heinrich-Kraft-Schule aus
       Frankfurt-Fechenheim nach einer Stadionführung noch ein Training anschauen,
       anschließend Autogramme bei Alexander Meier sammeln oder Selfies mit Aymen
       Barkok schießen, wird damit unmöglich.
       
       Bisher hatte der Bundesligist fürs Training unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit die Kleine Kampfbahn an der Wintersporthalle genutzt, deren
       Spielfläche aber neu hergerichtet wird. Also musste ein neuer Platz mit
       Sichtschutz her, denn Cheftrainer Niko Kovač duldet zu den Übungseinheiten
       nur den inner circle – dazu gehören weder Fans noch Journalisten. Kovač’
       Begründung: „Ich kann nicht taktisch arbeiten, wenn hier 200 Leute sind und
       ich nicht weiß, ob da irgendjemand vom kommenden Gegner dabei ist.“
       
       Eintracht Frankfurt ist da kein Einzelfall. Nichtöffentliches Training ist
       in fast allen Profiklubs üblich. Auch beim SV Darmstadt. Die 98er werben
       zwar mit dem Slogan „Aus Tradition anders“, verhalten sich aber nicht viel
       anders: Am Donnerstag und Freitag sind in der Regel beim Tabellenletzten
       keine Zuschauer mehr erwünscht. Vorreiter des Geheimtrainings waren
       Großklubs, allen voran der FC Bayern. Bereits unter Trainer Jupp Heynckes
       begann im Sommer 2011 an der Säbener Straße eine neue Form der Abschottung,
       denn der Auftrieb hatte unkontrollierbare Ausmaße angenommen.
       
       Regelmäßig vor Tausenden Zuschauern und Dutzenden Kameras zu üben führte
       dazu, dass jeder Zweikampf, jedes Gerangel hochgespielt wurde. Das passte
       dem um Deutungshoheit bemühten Fußballunternehmen nicht. Nachfolger Pep
       Guardiola setzte vor vier Jahren durch, dass der Haupttrainingsplatz
       durch riesige Planen geschützt wird. Meist nur noch einmal pro Woche kommen
       Besucher aufs Gelände, oft nur beim Auslaufen der Stars und Training der
       Reservisten.
       
       Ähnlich zurückgezogen hat sich Borussia Dortmund. Bei den Westfalen ist es
       für die Anhängerschaft fast unmöglich, auf dem Trainingsgelände in Brackel
       „echte Liebe“ auszuleben. Nur etwa zweimal im Monat können Besucher den
       Schwarz-Gelben zusehen. Früher konnte man das Verbot umgehen. Man kletterte
       auf den „Spionagehügel“, einen kleinen Berg, der nicht zum Trainingsgelände
       gehörte. Aber der BVB hat sich das Grundstück gesichert, für mehr als
       300.000 Euro, um das Schlupfloch zu schließen.
       
       Die Liga folgt mit der Verschlusssache Fußballtraining einer Praxis, die im
       Ausland längst üblich ist. In England und Italien sind die oft weit
       außerhalb der Stadtzentren gelegenen Trainingsareale absolute Tabuzonen für
       die Anhängerschaft. Zu den spanischen Spitzenklubs Real Madrid, FC
       Barcelona und Atletico Madrid gehören mächtige Gitter genauso wie grimmige
       Sicherheitsleute, die streng über den Einlass wachen. Die Trainerlegende
       von Manchester United, Sir Alex Ferguson, hat dazu einmal erklärt:
       „Trainings fürs Team, Spiel für die Fans.“
       
       Auch hierzulande will man sich stärker vor „Spionen“ gegnerischer Vereine
       schützen. Innerhalb der Branche ist es üblich geworden, nicht nur die
       Wettkämpfe zu analysieren, sondern auch zu studieren, was für
       Standardsituationen im Training probiert werden. Manchmal erschweren die
       Gegebenheiten das Versteckspiel: Der SV Werder übt auf dem öffentlich
       zugänglichen Areal am Osterdeich, ähnlich ist es beim 1. FC Köln mit dem
       Gelände am Geißbockheim – beide Klubs wollen sich aber auch nicht dauerhaft
       verschanzen.
       
       Einfacher haben es die Klubs mit eigenen Trainingszentren. Die TSG
       Hoffenheim muss nur ihr Eingangstor in Zuzenhausen zusperren. Dasselbe gilt
       für das Zuhause von RB Leipzig am Cottaweg. Auf dem elektrisch
       verschließbaren Stahltor steht: „Vorsicht – freilaufende Bullen!“
       
       Die Fußballer und die Fans, durch die surrealen Ablösesummen und Gehälter
       ohnehin getrennt, entfremden sich dadurch immer mehr. „Es ist viel anonymer
       geworden“, findet Frank Ludewig, der Eintracht-Fan. Der 76-Jährige erinnert
       sich wehmütig an die Zeit, als sich ein Friedel Lutz nach dem Training am
       Riederwald noch gern in einen Plausch verwickeln ließ. Sein Kumpel Gerhard
       Müller kam als Kiebitz vor 15 Jahren dazu. Der 67-Jährige meint, es würde
       doch reichen, das Abschlusstraining am Freitag geheim zu halten. „Ich weiß,
       wie ungelenk der Michael Hector ist – da muss hier nicht alles abgesperrt
       werden.“
       
       11 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
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