# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Ecuador: Die großen Diskurse sind vorbei
       
       > Vor der Präsidentschaftswahl herrscht Ernüchterung. Präsident Rafael
       > Correas Wunschnachfolgekandidat löst nur wenig Begeisterung aus.
       
 (IMG) Bild: Lenin Moreno von der Alianza País auf dem Weg zu einem Wahlkampftreffen in Quito
       
       Quito taz | Wenige Tage vor Ecuadors Präsidentschaftswahlen ist der
       Wahlkampf noch immer nicht in Fahrt. Nur in großen Städten hängen Plakate
       der Kandidat*innen, in ländlichen Regionen ist kein Wahlkampf zu spüren.
       Dabei steht am Sonntag erstmals in Ecuadors demokratischer Geschichte eine
       Partei zur Wiederwahl, die das Land zehn Jahre lang ununterbrochen regiert
       hat. Die Alianza País (Allianz des Landes) des scheidenden Präsidenten
       Rafael Correa reiht sich ein in die Bewegung des „Sozialismus des 21.
       Jahrhunderts“, den Hugo Chávez Anfang der 2000er Jahre erstmals in
       Venezuela ausrief.
       
       Im Gegensatz zu den Präsidenten Venezuelas und Boliviens entschied sich
       Correa jedoch, freiwillig abzutreten. Seiner Partei wird Korruption
       vorgeworfen und ihr Kandidat Lenin Moreno hat längst nicht so viel Charisma
       wie Correa.
       
       „Wenn es keine Wahlpflicht gäbe, würden wir diesmal gar nicht wählen“, sagt
       Rocío Paz. Die 54-jährige Rocío arbeitet in einem Friseurladen in Quito und
       macht keinen Hehl daraus, dass sie nicht viel von der Regierungspartei
       hält. „Das ist eine versteckte Diktatur, was die hier errichtet haben“,
       sagt sie. Wenn Correa öffentlich auftrete, dürfe man nichts gegen ihn
       sagen, sonst würde man festgenommen. Außerdem hält sie nichts von Morenos
       Versprechen. Der 63-Jährige, der selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist,
       will den staatlichen Zuschuss für Arbeitslose, Rentner und Menschen mit
       Behinderung von 50 auf 150 US-Dollar erhöhen. „Das erhöht nur die Zahl der
       Taugenichtse. Und wer muss zahlen? Die Arbeiter!“, glaubt Rocío.
       
       Die letzten Umfragen verheißen nichts Gutes für Alianza País. Im Gegensatz
       zu 2013, als Correa mit 57 Prozent der Stimmen gewann, sehen die
       Vorhersagen Moreno jetzt nur bei 28 Prozent. Damit führt er zwar die Spitze
       der Kandidat*innen an, aber wahrscheinlich ist ein zweiter Wahlgang
       notwendig. Zudem ist ihm Cynthia Viteri von der Mitte-rechts-Partei Social
       Cristiano dicht auf den Versen. Die Umfragen sehen sie bei 20 Prozent.
       
       ## Nach dem Erdbeben
       
       Viteri wird stark in der Küstenregion unterstützt, aus der die 51-Jährige
       selbst stammt. Populär ist sie dort, weil sie nach dem Erdbeben im April
       2016 mehrmals die betroffenen Gebiete aufsuchte und Hilfe versprach. Ihr
       Anliegen ist, mittels Steuersenkungen die Wirtschaft anzukurbeln. „Die
       Regierung hat versprochen, innerhalb eines Jahres alle Schäden des Bebens
       zu beseitigen. Das Jahr ist bald um, doch sieht es noch immer so aus, als
       habe die Erde erst gestern gebebt“, sagt die 28-jährige
       Viteri-Unterstützerin Ana Sánchez, die im nördlichen Küstenort Esmeraldas
       in einem Restaurant arbeitet.
       
       Doch gibt es noch einen weiteren Kandidaten der Rechten, der Viteri
       Konkurrenz macht: Der 61-jährige Exbankier Guillermo Lasso steht für
       Neoliberalismus und verfügt über beste Verbindungen zum Unternehmertum.
       2012 gründete er die Partei Creo (Möglichkeiten schaffen). Bei den
       Kommunalwahlen 2014 holte sie gleich 22 Bürgermeisterämter und machte der
       Regierungspartei die Hauptstadt abtrünnig. Wie auch Viteri spricht sich
       Lasso dafür aus, die umstrittene Erdölförderung im ITT-Feld im
       Yasuní-Nationalpark zu stoppen.
       
       Der für zwei linke und die indigene Partei Pachakutik antretende Paco
       Moncayo tritt am stärksten für Umweltschutz ein und ist für eine
       Legalisierung der Abtreibung nach einer Vergewaltigung.
       
       Zehn Jahre nachdem Correa die „Bürgerrevolution“ ausrief, sind die großen
       Diskurse vorbei. Niemand spricht mehr vom „Buen Vivir“, dem andinen Konzept
       des „Guten Lebens“, das in akademischen Kreisen Deutschlands bekannter
       wurde als auf Quitos Straßen.
       
       16 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schwirkus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ecuador
 (DIR) Ecuador
 (DIR) Ecuador
 (DIR) Ecuador
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) CNN
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Ecuador
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Vereidigung des Präsidenten in Ecuador: Kleinbauern mit großen Hoffnungen
       
       Die ländliche Bevölkerung in Ecuador hat hohe Erwartungen an den neuen
       Präsidenten Lenín Moreno. Es soll mehr Dialog geben.
       
 (DIR) Kommentar Wahl in Ecuador: Vertagtes Schicksal
       
       Die Präsidentschaftswahl zeigt die vertrackte Lage der Politik in
       Lateinamerika. Auch Julian Assanges Schicksal könnte Verhandlungsmasse
       werden.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Ecuador: Regierungskandidat Moreno führt
       
       Der linke Kandidat hat bisher 39 Prozent der Stimmen. Der konservative
       Lasso liegt zehn Prozentpunkt hinter ihm. Eine Stichwahl ist
       wahrscheinlich.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Ecuador: Assange zittert um seine Bleibe
       
       Mit dem Ölpreis fiel auch die Popularität von Präsident Correa. Wer folgt
       ihm nach? Und was passiert mit Julian Assange?
       
 (DIR) Medien in Venezuela: CNN abgeschaltet
       
       Der TV-Sender ist nach einem regierungskritischen Bericht in Venezuela
       nicht mehr zu erreichen. Außenministerin Rodriguez sieht eine Verschwörung.
       
 (DIR) Kooperativen in Ecuador: Das Wunder von Salinas
       
       In den Hochanden stellen Bauern in einer Genossenschaft Käse her – nach
       Schweizer Rezept. Die Geschichte eines unverhofften Erfolgs.
       
 (DIR) Umweltschutz in Ecuador: Kritik ist unerwünscht
       
       Die Regierung droht, die regierungskritische Vereinigung Acción Ecológica
       aufzulösen. Sie hat Proteste unterstützt, aber zu einer friedlichen Lösung
       aufgerufen.