# taz.de -- Nachruf auf John Hurt: Außer- und überirdisch gut
       
       > Jüngeren Kinofans ist er vor allem aus den „Harry Potter“-Filmen bekannt.
       > Der britische Schauspieler John Hurt ist im Alter von 77 Jahren
       > gestorben.
       
 (IMG) Bild: Eindringlich spielte er Exzentriker und unter Psychosen Leidende: John Hurt
       
       In einer seiner besten Rollen ist John Hurt kaum zu erkennen: In David
       Lynchs „Der Elefantenmensch“ gibt er dem körperlich deformierten
       Titelhelden John Merrick durch sein Spiel seelische Kontur – als Mann, den
       die Gesellschaft als Skurrilität und Monster behandelt. Nach einer Hetzjagd
       durch den Bahnhof von London stößt er, demaskiert und verzweifelt, auf der
       Toilette in die Ecke gedrängt, einen Klageschrei aus: „Ich bin kein Tier,
       ich bin ein menschliches Wesen.“ Zum Tier machen ihn die Blicke und das
       Verhalten der Mitwelt. Zum Menschen macht ihn das Spiel von John Hurt.
       
       Auch unvergesslich: Wenn in „Alien“ das außerirdische Wesen unter
       Konvulsionen der von Hurt dargestellten Figur durch dessen Brust blutig
       nach außen bricht. Wieder ein Moment an der Grenze zwischen dem, was
       menschlich, und dem, was nichtmenschlich ist. So was sind dankbare Rollen
       für einen Virtuosen wie Hurt, dem aber auch in darstellerischen Mittellagen
       so ziemlich alle Instrumente zur Verfügung standen, die ein Schauspieler in
       seinem Repertoire haben kann. Aber noch im Extremen hat er wunderbar
       nuanciert. Das stundenlange Sitzen in der Maske in „Der Elefantenmensch“
       hat er gehasst, aber wie er als gebrochener und doch aufrechter Mann sitzt,
       flieht und geht, das hat mit der Maske gar nichts zu tun.
       
       Hurts breites Repertoire reichte von der Verkörperung des schwulen
       Exzentrikers Quentin Crisp (ihn stellte er im Abstand von dreißig Jahren in
       gleich zwei Filmen dar) bis zum Kurzauftritt als wohl legendärste britische
       Serienfigur: In eine Jubiläumsfolge spielte er im historischen Rückblick
       sogar Doctor Who. Der Ritterschlag durch die Queen folgte 2015. Sir John
       Hurts charakteristische und bis zuletzt wunderbar geschmeidige Stimme
       machte ihn zu einem beliebten Synchronsprecher, im 2016 fertiggestellten
       Dokumentarfilm „The Final Reel“ gibt er als Voiceover-Erzähler noch der
       Geschichte der Liebe der Briten zum Kino von den Anfängen bis in die
       Gegenwart seine Stimme. Dem ganz breiten Publikum wird er aus den „Harry
       Potter“-Filmen als Zauberstabmacher Ollivander in Erinnerung bleiben.
       
       John Hurt gehörte, wie etwa sein sieben Jahre älterer Kollege Michael
       Caine, zu den Darstellern mit wenig Berührungsängsten. Am Theater und im
       Film, in Hollywood wie in seiner britischen Heimat, spielte er weg, was so
       kam, aber er gab noch Nebenfiguren in wenig bedeutenden Filmen Prägnanz und
       im Zweifelsfall Würde. Mal subtil, mal grob, mit im Alter zusehends
       zerfurchten und umso markanteren Zügen, war er durch die Jahrzehnte hinweg
       als Charakterdarsteller gefragt und beliebt.
       
       Weitergedreht hat er auch nach der Krebsdiagnose 2015, und zwar bis
       zuletzt. Er ist im in dieser Woche anlaufenden Biopic „Jackie“ als Priester
       zu sehen. Und er blieb bis zum Ende furchtlos: In „That Good Night“, der
       nun erst nach John Hurts Tod in die Kinos kommen wird, spielt er in seiner
       letzten Hauptrolle einen todkranken Mann, der sein Leben in Ordnung zu
       bringen versucht. Auch eine Art, dem herannahenden Tod ins Auge zu blicken.
       
       Am 25. Januar ist John Hurt im Alter von 77 Jahren gestorben.
       
       29 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ekkehard Knörer
       
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