# taz.de -- Berlin und „Toni Erdmann“: Ernst Lubitschs Rückkehr
       
       > Am Sonntag wird Schauspieler Peter Simonischek für seine Rolle in Maren
       > Ades Film „Toni Erdmann“ mit dem Ernst-Lubitsch-Preis geehrt.
       
 (IMG) Bild: Das Filmteam von „Toni Erdmann“ bei den Golden Globe Awards im Januar 2017 in Los Angeles
       
       Als der Berliner Regisseur Ernst Lubitsch ein halbes Jahr vor seinem Tod im
       Jahr 1947 den Ehrenoscar für seine innovative Regie und sein Lebenswerk
       bekam, da wirkte das vor allem wie eine Entschuldigung. Lubitsch war
       bereits todkrank. Seine elegant respektlosen Komödien, für die er vor allem
       nach seiner Emigration nach Amerika 1922 berühmt geworden war, hatten dort
       die Sittenwächter auf den Plan gerufen. Sie waren deshalb wahrscheinlich
       auch der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die die Oscars
       verleiht, eher suspekt gewesen.
       
       Insofern ist es absolut folgerichtig, dass an diesem Sonntag Peter
       Simonischek für seine Darstellung des „kauzigen Klavierlehrers“ in Maren
       Ades sogenannter Tragikomödie „Toni Erdmann“ im Babylon-Kino mit dem
       Ernst-Lubitsch-Preis geehrt wird. Es ist, als wolle man in Berlin der
       Academy eine Empfehlung geben, denn demnächst könnte „Toni Erdmann“, der
       2016 überall für Furore sorgte, den Oscar für den besten fremdsprachigen
       Film gewinnen.
       
       Die Empfehlung könnte lauten: Der Humor im deutschen Film ist so schwierig
       wie sein Ruf. Allzu oft beschränkt er sich darauf, Schenkel klopfend um
       Einverständnis zu buhlen. „Toni Erdmann“ ist die erfrischende Ausnahme. Der
       Humor dieses Films ist komplex – immer, wenn man lachen kann, könnte man
       ebenso gut weinen. Humor hat hier die verschiedensten Funktionen und
       irritiert maximal.
       
       Denn Winfried, der melancholische Klavierlehrer in „Toni Erdmann“, ist ein
       Altachtundsechziger. Seine karrieregeile Tochter Ines bewegt sich überaus
       geschmeidig in der manchmal ganz schön anarchischen, manchmal aber auch
       gnadenlos erbärmlichen Welt der Unternehmensberatung. Also versucht er, sie
       mit allerlei Scherzen aus der Bahn zu schubsen – also zum Beispiel zurück,
       auf seine Seite. Zu diesem Zweck verkleidet er sich auch als Toni Erdmann,
       als furzender Geschäftsmann mit schiefen Zähnen.
       
       ## Berliner Schule erforscht Alltag
       
       Oder, in den Worten Maren Ades in einem Interview: „Mal nutzt er seinen
       Humor, mal flüchtet er sich mit Humor aus einer Situation, mal versucht er,
       sie aufzulockern, mal ist es ein Angriff.“ So etwas gut zu spielen, also
       so, dass es nie ins Banale kippt, dafür hat Peter Simonischek den Preis
       mehr als verdient. Aber „Toni Erdmann“ spielt meist in Bukarest, Peter
       Simonischek ist Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Was hat „Toni
       Erdmann“ also mit Berlin zu tun?
       
       Mehr, als es auf den ersten Blick scheint: Maren Ade, die Regisseurin, wird
       oft zur Berliner Schule gerechnet – einer Gruppe von jungen deutschen
       Filmemachern, bei denen es nicht um spektakuläre Geschichten geht. Meist
       geht es eher um die Verzweiflung von Menschen in den Dreißigern beim Kampf
       um ihr persönliches Glück, um eine Ankunft – eine Art Selbstgewissheit, die
       sie von den Eltern her kennen, die ihrer Generation aber auch von der
       Gesellschaft nicht mehr zugestanden wird. Um dies zu erzählen, erforscht
       die Berliner Schule vor allem die alltäglichen Szenarien, in denen sich
       diese Menschen bewegen.
       
       Hinzu kommt das: Maren Ade ist Teil der Berliner Produktionsfirma
       Komplizen Film, deren Macher in Interviews betonen, das Filmbusiness
       familienfreundlicher gestalten zu wollen, trotz der Erfolge weiterhin
       „Einkäufe hochzutragen und Wäsche zu waschen“, so Ade.
       
       ## Sieben Jahre Recherche
       
       Es geht Maren Ade und den Leuten um sie herum also darum, den Kontakt zur
       Welt, die sie beschreiben, nicht zu verlieren. Sie wollen nicht wie diese
       großen Regiestars werden, die irgendwann nur noch Filme über sich selbst
       machen können, weil sie keinen blassen Dunst mehr haben von der
       Wirklichkeit außerhalb von Filmsets und Schneideräumen.
       
       Maren Ade hat für „Toni Erdmann“ sieben Jahre gebraucht. Sie hat ewig
       recherchiert. Manche Szenen soll sie 40-mal gedreht haben, bis sie endlich
       genau genug waren. Für so etwas braucht man viel Alltagsbeobachtung,
       Lebensnähe, Erdung. Und viel Muße.
       
       Erdung und Muße – die findet man in Berlin immer noch mehr als in den
       meisten großen Städten dieser Welt.
       
       28 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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