# taz.de -- Museum Barberini in Potsdam: Verbeugung vor dem Mäzen
       
       > Am Wochenende eröffnet das neue Museum Barberini: Der vorläufige
       > Höhepunkt privater Mäzene, die Potsdams kulturelle Rolle bestimmen
       > wollen.
       
 (IMG) Bild: Schön vorsichtig: Edwards Munchs „Mädchen auf Brücke“ ist der 50 Millionen Euro schwere Star der Ausstellung
       
       Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn große neue Kulturbauten der Republik mit
       einem Staatsakt eingeweiht werden. Bundespolitiker, Kulturexperten,
       Prominente aus Stadt und Gesellschaft geben sich die Ehre und
       demonstrieren, dass Kultur zur Repräsentation noch immer ein treffsicheres
       Mittel ist.
       
       Auch Potsdam feiert in diesen Tagen die Eröffnung des Museums Barberini mit
       einem Festakt. Die Rituale hierfür gleichen denen anderer – bis auf den
       kleinen Unterschied: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Dietmar Woidke,
       Brandenburgs Ministerpräsident, das Stadtoberhaupt Jann Jakobs und viele
       Potsdamer sowie Berliner Prominente – darunter TV-Moderator Günther Jauch
       oder Springer-Chef Matthias Döpfner – geben keinem staatlichen oder
       landeseigenen, sondern einem privaten Museumsprojekt ihren Segen. Man
       eröffne „ein Geschenk an die Stadt“, wie Potsdams Oberbürgermeister Jakobs
       betont. Es geht also um tiefen Dank.
       
       Das Museum Barberini ist eine Initiative und Stiftung von SAP-Gründer Hasso
       Plattner; einem Mann mit sehr viel Kunstverständnis, aber ebenso mit sehr
       viel Geld und Einfluss. Zwischen 2013 und 2016 ließ Plattner das 1945 von
       Bomben zerstörte barocke Stadtpalais zwischen dem Altem Markt und dem
       Havelufer, in Nachbarschaft zum rekonstruierten Stadtschloss, für einen
       mehrstelligen Millionenbetrag von den Münchner Architekten Hilmer&Sattler
       wieder errichten: neu aber in historischer Anmutung. Ab dem 23. Januar 2017
       ist das „Barberini“, wie die Potsdamer sagen, mit seinen Werken und
       Ausstellungen für die Besucher zugänglich. Sechs Tage die Woche. 14 Euro
       das Ticket.
       
       Dass jetzt fast alles am Barberini beeindruckend ist, und die Querelen um
       das Museumsprojekt begraben scheinen, gehört auch zur Geschichte des
       Geschenks. Der Softwareunternehmer hatte lange nach einem Standort für
       seine große Sammlung mit Kunstwerken aus der DDR sowie Malerei des
       Impressionismus und der Moderne in Potsdam Ausschau halten müssen.
       
       Als der geplante Standort am Lustgarten platzte, weil das
       Mercure-Hotelhochhaus sich nicht beseitigen ließ, zeigte sich Plattner „not
       amused“. Nachdem der Bundestag 2016 zudem das „Kulturgutschutzgesetz“ auf
       den Weg brachte – das Plattner wegen der Einschränkungen für private
       Kunstbesitzer ablehnte –, fürchteten manche in Potsdam, der Kunstmäzen
       könnte seine Sammlung aus der Stadt abziehen.
       
       ## Hysterische Lobeshymnen
       
       Das ist nun vergessen. Das dreiflügelige Bauwerk mit einer Arkadenfront und
       7.800 Quadratmetern Grund- und 2.200 Quadratmetern Ausstellungsfläche in
       drei Geschossen erklärten die Potsdamer schon vor der Eröffnung zu einem
       Superlativ, zu einem „neuen Wahrzeichen“ in der Stadt. Es hing noch kein
       Bild, da erkundeten kurz vor Weihnachten 25.000 Besucher während der „Empty
       Museum“-Tage das Haus. Es gab kaum Kritiker, die die Architektur aus
       Jura-Kalkstein und Bronze nicht hysterisch lobten.
       
       Der Verein Stadtbild Deutschland, der sich für die Rekonstruktion
       historischer Bauten einsetzt, hat das Barberini jetzt zum Gebäude des
       Jahres 2017 gekürt. Mit dem Bau sei „ein wesentlicher Beitrag zur
       Stadtreparatur Potsdams geleistet worden“. Und wenn der Potsdamer Jauch
       findet, dass das, „was jetzt hier gebaut worden ist, etwas ganz Besonderes
       ist“, muss man da nicht zustimmen?
       
       Wahrscheinlich stimmt das alles. Und dass Potsdam sich in dem privaten
       Museum und der großen Sammlung zeitgenössischer Kunst spiegelt, hat
       gleichfalls seine Gründe. Wirklich superlativisch, wirklich bedeutsam wäre
       zwar ein modernes Museum, wäre eine zeitgemäße Architektur gewesen. Doch
       vielleicht ist das Barberini die maßgebliche Chiffre für das, was die
       einstige Residenz des Alten Fritz schon seit Langem, trotz Sanssouci,
       Holländischem Viertel und Stadtschloss, sein mochte: ein
       preußengeschwängerter Hotspot neben dem großen, lauten Berlin.
       
       Den hat Potsdam nun, neu und historisch. „Wir möchten dem Besucher eine
       intensive Begegnung mit dem Original ermöglichen und in Potsdam langfristig
       ein neues Zentrum der Kunstgeschichte etablieren“, konstatiert Ortrud
       Westheider, Direktorin im Barberini. Das ist aller Ehren wert, gibt aber
       auch eine Richtung vor, wohin es mit der Kunst, dem Tourismus, der
       kulturpolitischen Rolle der Stadt gehen soll.
       
       ## Verbeugung vor den Mäzenen
       
       Dass der Staatsakt zugleich die Verbeugung vor einem starken Mäzenatentum
       ist, das die Stadtentwicklung in Potsdam beeinflusst und kulturpolitische
       Deutungshoheit für sich beansprucht, unterstreicht dessen Gewicht und
       Perspektiven.
       
       Potsdam stand lange synonym für die historischen Schlösser und Gärten in
       Sanssouci, für seine klassizistischen Vorstädte und das Holländische
       Viertel, für die Nicolaikirche und die Filmstadt Babelsberg oder für die
       Potsdamer Siegerkonferenz in Cecilienhof. Für neue kulturelle Großprojekte
       wie das Hans-Otto-Theater (2006) oder die Erweiterung des Potsdam-Museums
       musste die Stadt dagegen um Finanzierung ringen.
       
       In diese Lücke – aus inhaltlichem Interesse und natürlich mit den
       Begehrlichkeiten, ein historisches Potsdam-Bild wiederzubeleben – sprangen
       nach der Jahrtausendwende private Initiativen, Geldgeber und Mäzene. Mehr
       noch: Seit sich die Stadt zum Wohnort für Betuchte, Prominente, Medien- und
       Theaterleute, zum Sitz konservativer Bauvereine und Preußenfans gemausert
       hat und ihr historisches Erbe betont, bestimmt teilweise ein
       Paradigmenwechsel die Kultur und Stadtentwicklung.
       
       Die Stadtspitze machte es ihnen leicht, befeuerte sogar deren Pläne. Nach
       dem „Potsdam Project“ des Londoner Architekturinstituts von Prinz Charles
       für den Wiederaufbau des Stadtschlosses war es der Neupotsdamer Günther
       Jauch, der 2001 mit weiteren Sponsoren eine dicke Drei-Millionen-Spende für
       das Fortunaportal am Schloss springen ließ.
       
       ## Spende von Günther Jauch
       
       Auch Plattner spendete 20 Millionen Euro für die Schlossfassade und noch
       einmal einen hohen Millionenbetrag für das Kupferdach; alles schöne Gesten,
       die mit Forderungen nach originalgetreuer Rekonstruktion einhergingen.
       Potsdams konservative Bürgerinitiative Mitteschön, die für den Abriss der
       ungeliebten DDR-Moderne wie das Mercure oder die Fachhochschule (FH) und
       den Aufbau von Gebäuden und Plätzen im historischen Gewand plädierte,
       freut das genau so wie das städtische Kulturmarketing.
       
       Forciert von privatem Engagement werden in Potsdam derzeit zahlreiche
       Projekte angeschoben. Triebfedern für den Aufbau der umstrittenen
       Garnisonkirche sind neben der Stiftung Garnisonkirche und der evangelischen
       Kirche Spender wie Günther Jauch (1,5 Millionen) und andere
       Millionengeber. An der 2016 fertiggestellten Uferpromenade An der Alten
       Fahrt baut ein Investor neoklassizistische Wohn- und Bürogebäude.
       
       Springer-Vorstand Matthias Döpfner, wohnhaft in Potsdam, hat nach dem
       Museum Villa Schöningen die Sanierung der Villa Henckel am Pfingstberg im
       Auge – und lässt dafür einen Parkabschnitt für die Öffentlichkeit sperren.
       In die historischen Bauwerke ist moderne Kunst eingezogen; oder es sollen
       neue Flächen dafür erschlossen werden, ganz im Sinne eines starken
       Mäzenatentums, das sich Kunsträume und damit Öffentlichkeit und Bedeutung
       schafft.
       
       Jüngst hat Stardirigent Christian Thielemann, ebenso mit Adresse in
       Potsdam, ein schönes Buch mit alten Fotos über den Untergang und Abriss des
       alten Stadtschlosses herausgegeben. Thielemann findet das Barberini oder
       das Garnisonkirchenprojekt wichtig, um Zeichen zu setzen. Privates
       Engagement hierfür könne es gar nicht genug geben: „Ich bin in allen
       maßgeblichen Vereinen Mitglied, von der Stiftung Paretz bis zur Stiftung
       Preußische Schlösser und Gärten. Ich komme aus dem Spenden gar nicht mehr
       heraus.“
       
       Wohin das führt, kann man ab jetzt auch im Barberini anschauen.
       
       20 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rolf Lautenschläger
       
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