# taz.de -- Erdgasvorräte in der Ukraine: Ein neuer Gasstreit ist möglich
       
       > Die Kältewelle könnte langfristig zu Engpässen in der Ukraine führen. Das
       > hätte Auswirkungen auf die Beziehungen zu Russland.
       
 (IMG) Bild: Sinkt der Druck? Manometer an einer russischen Transit-Ölpipeline in der Ukraine (Archivbild)
       
       Kiew taz | Angesichts der derzeitigen Kältewelle fürchtet die Ukraine, dass
       die Gasvorräte des Landes nicht bis zum Ende des Winters ausreichen.
       Möglicherweise droht eine Neuauflage des Gasstreits von 2009, bei dem auch
       in anderen europäischen Ländern das Erdgas knapp wurde.
       
       In der vergangenen Woche hat die Ukraine die Gasentnahme aus den
       unterirdischen Speichern auf 100 Millionen Kubikmeter pro Tag erhöht – und
       somit verdoppelt.
       
       Noch sind die Vorräte üppig. Laut Dmitrij Marunitsch, Kovorsitzender des
       „Fonds für Energiestrategien“, liegen sie derzeit bei 11 Milliarden
       Kubikmeter. Allerdings braucht das Pipeline- und Speichersystem mindestens
       vier Milliarden Kubikmetern Gas, um seinen Druck halten zu können. Bleibt
       es so kalt wie bisher, sind die Vorräte deshalb in 70 Tagen erschöpft. Dann
       könnte es zu Versorgungsengpässen kommen.
       
       Deshalb hat Alexej Miller, Chef des russischen Gaskonzerns Gazprom, die
       Ukraine bereits im Dezember davor gewarnt, zusätzlich Gas aus den Pipelines
       zu entnehmen. In diesem Fall, so Miller, werde man den Transport von Gas in
       die ukrainische Pipeline sofort einstellen – damit wäre auch Europa
       betroffen.
       
       ## Schon 2009 Streit um Transitgas
       
       Die russischen Vorwürfe sind nicht neu. 2009 hatte Russland den Gasexport
       über die Ukraine kurzfristig eingestellt, weil die Ukraine rechtswidrig
       Transitgas entnommen haben soll. Die Ukraine hatte den Vorwurf immer von
       sich gewiesen. Dort sieht man die russischen Anklagen als Vorwand, um den
       Transit russischen Gases über die Ukraine in den Westen zu drosseln, der
       Kiew jedes Jahr zwei Milliarden Dollar bringt.
       
       Bei extrem niedrigen Temperaturen ist in Moskau und anderen Städten der
       Gasbedarf in Russland selbst besonders hoch. Auch Europa fragt kurzfristig
       zehn Prozent mehr Erdgas nach.
       
       Gegen eine erneute Krise spricht, dass die eisigen Temperaturen kaum bis
       März anhalten werden. Zudem hat sich der ukrainische Energiekonzern
       Naftogaz Kreditlinien der Deutschen Bank und der Citi-Bank über 800
       Millionen Dollar gesichert, um zur Not Gas zukaufen zu können. Auch aus
       Europa kommt weitere Unterstützung. Im Oktober hatte der stellvertretende
       Vorsitzende der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič betont, dass für
       die EU die Aufrechterhaltung des Gastransits durch die Ukraine auch über
       2019 hinaus strategisch wichtig sei.
       
       ## 60 Prozent des Energienetzes veraltet
       
       Außerdem will die Ukraine künftig mehr auf Gas aus der EU setzen. Das kommt
       zwar teilweise ebenfalls ursprünglich aus Russland, doch ein Zwischenhandel
       in der EU macht die Lieferungen für die Ukraine deutlich sicherer.
       Nachhaltig ist die europäische Ukraine-Politik trotzdem nicht. 60 Prozent
       des gesamten Energienetzes des Landes sind veraltet, meint der ukrainische
       Energieexperte Valentin Zemlanskij. Das lässt Raum für langfristige
       umweltfreundliche Investitionen.
       
       In der Ukraine wird immer öfter von erneuerbaren Energien gesprochen, die
       Regierung hat zudem Pläne zum Energiesparen. Doch das Interesse an
       nachhaltiger und energiesparender Produktion ist halbherzig. So mussten die
       Abgeordneten des Kiewer Stadtrates im Dezember zur Kenntnis nehmen, dass
       die Stadt ihr groß angekündigtes Energiesparprogramm 2016 kaum umgesetzt
       hat.
       
       Der größte Teil des Budgets sei, so das Internetportal Kievvlast, für
       Seminare und Projekte, nicht aber für reale Sparmaßnahmen eingesetzt
       worden. Dagegen hat es die westukrainische Kleinstadt Slawuta geschafft,
       ihren Gasverbrauch binnen drei Jahren zu halbieren.
       
       11 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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