# taz.de -- Kommentar Studium im digitalen Zeitalter: Studenten leiden an Bibliophobie
       
       > Die Studierenden wollen alles häppchenweise vorgesetzt bekommen. Dabei
       > ermöglicht erst das Stöbern neben dem Prüfungsstoff Erkenntnis.
       
 (IMG) Bild: Höchststrafe: Studenten könnten selbst in die Bibliothek gehen müssen!
       
       Die gemeine Urheber-Lobby gefährde die Qualität der Lehre, suggerieren
       Hochschulen und Studierende ungewohnt einvernehmlich. Weil die VG Wort sich
       auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes beruft, wonach digital verbreitete
       Kopien nicht mehr pauschal, sondern fortan einzeln abgerechnet werden
       müssen, drohe der Rückfall in die „die 90er Jahre“.
       
       In den vergangenen Jahren war es gang und gäbe, dass Textauszüge und ganze
       Aufsätze von Lehrenden seminarweise digital an Studierende verteilt wurden.
       Die profitierten so Semester um Semester von einem einmal erworbenen und
       danach kopierten Werk.
       
       Lehrbücher konnten gefragt sein, ohne das sie deswegen auch häufig gekauft
       worden wären. Künftig könnten Autoren von ihrem Erfolg über genauere
       Abrechnungen angemessener profitieren. Die Verwertungsgesellschaft schüttet
       mehr aus, wenn Werke mehr kopiert wurden. Wo ist das Problem?
       
       ## Vier Minuten sind zu viel verlangt
       
       Vier Minuten brauchten die Dozenten im Osnabrücker Pilotprojekt, um einen
       kopierten Text bei der VG Wort zu melden. Für fünfzehn Texte eine Stunde,
       einmal pro Semester und Seminar – das fanden sie unzumutbar. Aber gehört
       nicht die Arbeit an Literaturlisten samt Recherche der Quellen und
       Zugangsmöglichkeit zum Handwerk der Wissenschaft?
       
       Einsetzen sollten sich Lehrende und Studierende für eine bessere
       Hochschul-Ausstattung und Bezahlung der Lehrenden – und für einen Ausgleich
       der Mehrarbeit. Würde wenigstens grundsätzlich die Eigentumsschranke auch
       beim Wissenszugang kritisiert, so träfe das mit den AutorInnen zwar die
       Falschen, wäre aber zumindest auf Ebene gesellschaftlicher
       Produktionsverhältnisse richtig.
       
       ## Im schlimmsten Fall droht sogar ein Buch
       
       Doch was wird als große Gefahr beschworen? Dass Studierende wieder an den
       Kopierer müssten, gar in die Bibliothek, um im schlimmsten Fall ein Buch in
       die Hand zu nehmen!
       
       Diese Argumentation offenbart einen erschreckenden Zustand der
       Wissensvermittlung: In Ignoranz des Interesses der AutorInnen geht es
       Studierenden darum, weiterhin wie in der Schule alles häppchenweise
       vorgesetzt zu bekommen.
       
       Gerade der Gang in die Bibliothek aber ermöglicht doch Wissen und
       Erkenntnis: indem man rechts und links neben dem Prüfungsstoff stöbert und
       dem Geist freien Lauf lässt. Dafür lohnte es sich zu kämpfen.
       
       22 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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