# taz.de -- Holz Mit dem Berliner Verlag bekommt das nächste Zeitungshaus die zerstörerische Wucht der Zeitungskrise zu spüren. Wie geht’s der taz?: Wandel ohne Geschäftsmodell
       
 (IMG) Bild: Damals: 3. November 1948 – ein Zeitungsjunge verkauft die „Berliner Zeitung“ und andere Blätter
       
       von Kalle Ruch
       
       Am Dienstagabend tagte die jährlich reguläre „Versammlung der
       Mitarbeitenden“ der taz Verlagsgenossenschaft. Nach der Satzung der
       Genossenschaft stehen dieser Versammlung Sonderrechte zu, die ihr auch
       nicht ohne Zustimmung von drei Viertel der Versammlung etwa über
       Satzungsänderungen entzogen werden können. So können zum Beispiel von der
       Mitarbeitendenversammlung 3 von 5 Vorständen der Genossenschaft gewählt
       werden. Die Versammlung kann gegen Beschlüsse des Vorstands über den
       Verkauf von Geschäftsanteilen bzw. Anteilen an verbundenen Unternehmen Veto
       einlegen. Zu den besonderen Rechten gehört auch, dass sie Beschlüssen der
       Generalversammlung widersprechen kann. Einen solchen Widerspruch kann die
       Generalversammlung nur einstimmig zurückweisen. Der Einfluss der
       Mitarbeitenden auf Unternehmensgeschicke in der taz-Genossenschaft ist also
       sehr stark und auf höchster Ebene gesichert.
       
       Vorstandswahlen oder Einsprüche gegen Entscheidungen des Vorstands oder der
       Generalversammlung standen diesmal nicht auf der Tagesordnung. Im Rahmen
       der Berichterstattung über den Jahresabschluss hatte der Vorstand nach der
       Satzung „die Versammlung zu unterrichten über die Lage, Entwicklung und
       Ziele der Genossenschaft“. Solche reinen Informationstermine finden nicht
       immer das große Interesse der Mitarbeitenden, wenn nicht gerade die Lage
       brennt.
       
       ## Wie ernst ist die „Lage“?
       
       Die meisten TeilnehmerInnen der Runde kamen dann tatsächlich auch eher
       wegen des Tagesordnungspunktes „Information der AG
       Antidiskriminierung/Diversity über ihre Arbeiten an einem Konzept“. Über
       fast zwei Stunden lang wurde intensiv darüber diskutiert, wie die taz in
       Zukunft offener werden kann. Eine Steuerungsgruppe soll die nächsten
       Schritte vorbereiten.
       
       Nun ist es nicht so, dass niemand in der taz an der „Lage“ der taz
       interessiert ist. Seit Jahren macht die Zeitungsbranche durch
       Krisenmeldungen Schlagzeilen. In irgendeinem Verlag werden immer gerade
       wieder mal Redaktionen zusammengelegt und MitarbeiterInnen entlassen. Wie
       in jedem anderen Zeitungsverlag fragen sich auch die Mitarbeitenden in der
       taz: Kann es auch hier so weit kommen?
       
       Im Moment erwischt es den Berliner Verlag mit seinen Blättern Berliner
       Zeitung und Berliner Kurier. In deren Redaktionen am Alexanderplatz
       arbeiten im Verhältnis noch weit mehr ehemalige taz-KollegInnen als in
       jeder anderen Redaktion Deutschlands. Das Verhältnis ist also vertraut. Es
       könnte noch enger werden, denn die beiden Zeitungen ziehen demnächst ganz
       in die Nähe der taz nach Kreuzberg, weg vom Zentrum Ostberlins. Die
       schlechten Schlagzeilen begannen mit dieser an sich guten Nachricht, denn
       es war offensichtlich, dass die modernen neuen Räume keineswegs genug Platz
       für alle Mitarbeitenden vom Alexanderplatz bieten würden. Nun hat man
       diesen Umzug verknüpft mit einem Sanierungsprogramm, das die
       Verlagsstrategen „Neuerfindung“ und die Gewerkschaften „Kahlschlag“ nennen,
       eben Zusammenlegung und Stellenabbau.
       
       Man kann die Lage des Berliner Verlages nur als echtes Dilemma sehen. Im
       Verlag, der nach dem Ende der DDR im Jahr 1990 zunächst an ein Konsortium
       aus Gruner + Jahr und Maxwell ging, 2005 dann an den britischen
       Finanzinvestor Montgomery (Mecom/Veronis), wurde die Übernahme durch den
       traditionsreichen Verlag DuMont Schauberg 2009 als Erlösung gefeiert. Das
       erklärte Ziel des Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred Neven DuMont, einer der
       exponierten Verlegerpersönlichkeiten aus den Gründungsjahren der
       Bundesrepublik, war ein Wachstumskurs, der mit dem Zukauf der Frankfurter
       Rundschau im Jahr 2006 und der Berliner Zeitung Richtung auf die Metropolen
       nahm. Dieser Kurs scheiterte. Die Frankfurter Rundschau schrieb über Jahre
       zunehmende Verluste und ging 2012 in die Insolvenz. Auch der Berliner
       Verlag ist seit Jahren defizitär.
       
       Offensichtlich haben sich die Verlagsstrategen von DuMont-Schauberg nach
       den Erfahrungen bei der Frankfurter Rundschau (FR) in Berlin für einen
       anderen Sanierungskurs entschieden, um nicht dem Insolvenzverwalter zum
       Schluss das Aufräumen (Zusammenlegung und Entlassungen) zu überlassen. Sie
       machen es selbst und schieben übliche Konventionen über Rechte von
       ArbeitnehmerInnen und deren Vertretungen beiseite, die im Falle der FR noch
       Gültigkeit hatten. Eine heikle Strategie.
       
       Was lernen wir bei der taz daraus? Die Lage der Zeitungsbranche bleibt
       weiter bedrohlich. Wir befinden uns in einem Markt, der sich im Wandel zum
       Digitalen befindet, ohne dafür Geschäftsmodelle zu haben. Bei der taz haben
       wir uns vor fünf Jahren für einen Weg der Diversifizierung unserer
       publizistischen Angebote entschieden und dabei mehr auf- als abgebaut.
       
       So gibt es heute neben der täglich gedruckten taz ganz unterschiedliche
       Möglichkeiten, taz zu lesen, jederzeit digital online, als tägliches
       E-Paper oder in einer App – und mit besonderem Genuss am Wochenende auf
       Papier.
       
       Der wirkliche Vorteil der taz gegenüber anderen Zeitungsverlagen liegt aber
       nicht darin, die besseren Produktideen zu haben oder umzusetzen. Was die
       taz unterscheidet, ist das Konzept taz an sich. Im Mittelpunkt steht dabei
       die taz Genossenschaft mit ihren mehr als 16.000 Mitgliedern,
       taz-LeserInnen und taz-Mitarbeitenden. In diesem gemeinwohlorientierten
       Unternehmen manifestiert sich, was die taz ausmacht, gesellschaftliches
       Bewusstsein und solidarisches Handeln vieler, die wissen, wie wichtig eine
       unabhängige Presse für eine Demokratie ist.
       
       Karl-Heinz Ruch (62) ist Geschäftsführer der taz.
       
       5 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kalle Ruch
       
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