# taz.de -- Kommentar Labour-Parteitag: Für Opportunismus nicht zu haben
       
       > Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn spricht beim Parteitag vom
       > „Sozialismus“ und hängt auch sonst sein Fähnchen nicht in den Wind. Gut
       > so!
       
 (IMG) Bild: Kämpferisch: Jeremy Corbyn
       
       Es war die beste Rede, [1][die er jemals gehalten hat.] Der britische
       Labour-Chef Jeremy Corbyn hat am Mittwoch auf dem Parteitag in Liverpool
       selbstbewusst seine Strategie dargelegt, um Labour an die Macht zu bringen.
       Gestärkt nach seiner kürzlichen Bestätigung im Amt durch die
       Parteimitglieder, machte er deutlich, dass er beim Thema Einwanderung nicht
       von seiner Position abrücken werde – auch nicht um des Parteifriedens
       willen.
       
       Das ist mutig, denn es gibt derzeit nur wenige Politiker in Großbritannien,
       die keine Einschränkung der Einwanderung fordern. Es seien nicht die
       Migranten, die die Löhne drücken, sondern ausbeuterische Arbeitgeber,
       betonte Corbyn. Die meisten Labour-Abgeordneten geben ihm zwar in der Sache
       recht, doch sie prophezeien eine Wahlniederlage, wenn der Labour-Chef sein
       Fähnchen nicht nach dem öffentlichen Wind hängt.
       
       Für Opportunismus ist Corbyn aber nicht zu haben. In seiner knapp
       einstündigen Rede benutzte er fünfmal die Worte „Sozialismus“ oder
       „Sozialist“, die schon lange nicht mehr auf einem Parteitag gefallen sind,
       denn sie sind für den rechten Parteiflügel ein rotes Tuch. Um die Wahlen zu
       gewinnen, muss Corbyn freilich nicht nur seine Anhänger, sondern auch
       skeptische Labour-Wähler und vor allem genügend Tories von seinem Programm
       überzeugen, und das ist ein weiter Weg.
       
       Allerdings hat der Mann, den viele als zu radikal und damit nicht
       mehrheitsfähig einschätzten, schon anderes geschafft: Als Corbyn voriges
       Jahr seine Kandidatur für die Labour-Führung bekanntgab, erntete er
       zunächst Gelächter. Doch seitdem hat er Labour zur größten politischen
       Partei Westeuropas gemacht.
       
       Das Potenzial für den Beistand sozialer Bewegungen, der Corbyn von der
       jungen Organisation Momentum zuteilwurde, ist längst nicht ausgeschöpft.
       Und so unwählbar, wie seine Gegner behaupten, ist Corbyns Labour Party gar
       nicht: Die Bürgermeisterwahlen in London und Bristol wurden schließlich
       gewonnen.
       
       Der Labour-Chef hat sich im Namen der Partei für den Irakkrieg
       entschuldigt, den Tony Blair mit angezettelt hatte. Dafür bekam Corbyn
       stehende Ovationen, doch eine Handvoll Delegierter verließ aus Protest den
       Saal. Es würde Labour guttun, wenn sie auch die Partei verließen. Corbyn
       hat es in seiner Rede deutlich gesagt: Niemand wird sich von der Vision
       einer gespaltenen Partei überzeugen lassen.
       
       29 Sep 2016
       
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