# taz.de -- Rätsel zum 3. Oktober: 4 x 50 Zeilen Deutschland
       
       > Zum Tag der Deutschen Einheit eine Frage: Kennen Sie Ihr Land? Hier
       > werden vier Orte in vier Städten beschrieben. Wissen Sie welche? Es winkt
       > ein Gewinn.
       
 (IMG) Bild: Die Deutschlandflagge hat knallige Farben
       
       Es gibt den Tag der Deutschen Einheit, aber gibt es auch Einheit? Wenn ja,
       wer kennt, was vereint ist? taz-AutorInnen beschreiben markante Orte in
       vier Städten, ohne zu sagen, wo sie sind. Raten Sie und gewinnen Sie eine
       [1][taz-Reise durch Berlin]. Wie Sie vorgehen müssen, steht am Ende des
       Textes. Einsendeschluss ist der 9. Oktober 2016.
       
       ## 1. Der vergoldete Eingang in die privatisierte Straße
       
       Es ist ein sehr verwirrender Ort, zumal für uns linke KulturspießerInnen,
       ein Zusammenfluss von finsterster Reaktion und Avantgarde, von
       emanzipatorischem Impuls und nostalgischer Tümelei. Linker Hand: eine in
       kühnstem Expressionismus erbaute Institution, die weltweit als ein
       Meilenstein im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau auch in den
       Künsten gilt. Rechts: Aufgemöbeltes, verklärend stilisiertes
       Backsteinmittelalter. Und emblematisch ist der Eingang in diese erste
       komplett privatisierte Straße – na ja, sie ist halb so breit, wie die
       Drosselgasse, aber Straße heißt sie nun mal – mitten im Herzen einer
       Industriestadt, 40 Meter von Markt und Rathaus entfernt. Und als ein Emblem
       dieser tiefen Ambivalenz prangt oben, über ihrem Eingang, wie in einem
       Tympanon dieses Ding in Gold.
       
       Viele der TouristInnen, die in die enge Gasse strömen, oder manchmal eher:
       sich hineinstauen, rufen oh!, und ah! und wie schön!, weil es eben Gold
       ist. Und das geht natürlich gar nicht. Aber eben auch unmöglich wäre, dem
       geschmäcklerischen Impuls zu folgen und das Ensemble, das sich in jeder
       Hinsicht darum bemüht, besonders deutsch zu sein, als Kitsch zu verdammen.
       Denn das hat auch Adolf Hitler so getan. Umgekehrt lässt sich aber auch der
       goldene, vom Himmel herabstürmende Kampfengel mit Schwert, der da also
       einen Drachen zerschlagen wird, eben nicht mit naiver Freude genießen.
       Schließlich ist er ein allegorisches Porträt. Von Hitler. Hitler in Gold.
       Man sieht sogar, unten die Menschen auf dem Boden, die winken ihm nicht wie
       Kinder dem Flieger. Die grüßen ihn. Mit der erhobenen Rechten. (BENNO
       SCHIRRMEISTER)
       
       ## 2. Hier der Brunnen, der Filmgeschichte geschrieben hat
       
       Hier geht’s ja zu! Also, passen Sie auf! Sie müssen erst einmal auf die
       andere Straßenseite. Ja, auf die andere Straßenseite. Nein, nicht hier
       oben, das wär ja lebensgefährlich. Da müssen Sie schon unten durch. Drüben
       kommen Sie bei dem Kaufhaus wieder raus. Da war ja früher eine Wirtschaft.
       Also ganz früher. Eustachi haben sie ihn geheißen, den Wirt. Heut geht’s
       hier aber wirklich wieder zu. Überall Leute. Wuseln hier rum. Was die nur
       alle hier wollen? Also: Dann gehen Sie an den Trambahnschienen entlang,
       nach einer Weile links, und die erste oder zweite Parallelstraße runter,
       also eigentlich hoch, aber man sagt halt runter. Und dann …
       
       Ach, wissen Sie was: Steigen Sie einfach in die U 5 und fahren Sie zwei
       Stationen. Klar, die U 4 geht auch. Dann kommen Sie auch direkt zu der
       Hochzeit von dieser Sächsin. Nein, geheiratet wird da jetzt nicht mehr, ist
       ja auch schon wieder 205 Jahre her. Und er war eh ein rechter Hallodri.
       Denken Sie nur an diese spanische Tänzerin, eigentlich war sie ja Irin.
       Aber gefeiert wird dort immer noch. Nein, der gesuchte Ort ist das nicht.
       Ich hab nur gedacht, Sie wollen da hin. Weil da wollen grad alle hin. Der
       gesuchte Ort ist doch der, wo wir gerade stehen. Schauen Sie mal hinter
       sich, da war früher die Stadt zu Ende. Das kann man sich heute gar nicht
       mehr vorstellen, wo hier so viel los ist und alles zugebaut, gell? Und
       hier, der Brunnen, der hat schon Filmgeschichte geschrieben. Genau hier
       haben sie nämlich gebadet, die Anita, die Ekberg, und der Mastroianni.
       Halt, Schmarrn, die waren’s ja gar nicht; das waren der Ochsenknecht und
       der Lauterbach. Aber gebadet haben sie hier. (DOMINIK BAUR)
       
       ## 3. Die neue Historie des Platzes steht nicht im Reiseführer
       
       Auf diesem Platz ist man von Glanz und Geschichte umgeben: Opernhaus,
       Gemäldegalerie, Schinkelwache. Im Rücken eine von Chiaveri entworfene
       barocke Kathedrale, von den Einwohnern in Erinnerung an die Konversion
       ihres Kurfürsten zum Katholizismus im Jahr 1697 die „Hofkirche“ genannt.
       Der Blick zum Fluss wird nur verstellt durch das Italienische Dörfchen,
       einst Unterkunft für die Bauarbeiter. Zum beschaulichen Blick laden das
       Café an der Schinkelwache und einige Bänke ein. Dies ist eher ein Platz der
       Bewegtheit, des Flanierens, der eilenden späten Besucher. Zahllose
       Touristengruppen halten nur inne für Selfies vor imposanter Kulisse. Der
       Sockel des Reiterstandbilds von König Johann, als „Philalethes“ der letzte
       Schöngeist auf dem Thron des Landes, bietet einen Überblick über den Platz.
       
       Über die jüngste Geschichte allerdings steht wenig in den Reiseführern.
       Nichts über die Künstlerdemo im November 1989 mit 35.000 Teilnehmern.
       Nichts über die Nazis, die 1998 diese Kulturstätte erstmals okkupierten –
       begleitet von protestierendem Dauergeläut der Hofkirche. Gegen die
       Nazi-Aufmärsche zum Gedenktag der Stadt setzte unter anderem ein riesiges
       leuchtendes Kreuz aus Kerzen hier ein Zeichen. Mitunter spielt auf
       Freilichtbühnen die Staatskapelle, treten Popstars auf – und auch
       Pegida-Star Lutz Bachmann zeigte sich hier. Ein Frei-Raum für alle ist es.
       Derzeit steht gerade der Kubus der Leipziger Stiftung Friedliche Revolution
       darauf. (MICHAEL BARTSCH)
       
       ## 4. Hier ist die Furcht zu irren nicht der Irrtum selbst
       
       Schiller, Kant und Hegel – des ischt bei uns die Regel. Letzt genanntem
       Chefdenker wird im Land der Bruddelnden sogar mit einem Spruch auf der
       Fassade des monumental-archaischen Gebäudes gehuldigt. „. . . daß diese
       Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist“, steht da in Leuchtbuchstaben
       seit 1993. Soll Kunst sein. Kann aber eigentlich weg. Denn seit 2009
       mutiert der im Jahr 1928 fertiggestellte Naturstein-Oschi zum Stadttrauma.
       Jetzt wird er in Teilen abgerissen. Das Areal drumrum gerodet – bis auf
       einen kleinen Streifen: Dort macht sich der Juchtenkäfer ein schönes Leben.
       
       Die Worte aus Hegels „Phänomenologie des Geistes“ verkehrten sich in einen
       Witz, der die feinstaubbenetzten Lungen der StadtbewohnerInnen maximal zu
       einem Lachhusten animiert. Denn im selben Jahr der Schriftzuginstallation
       fangen Cleverle an, ein bautechnisches Jahrhundertprojekt zu planen, das
       nicht nur Hippieherzen bluten lässt. Es kostet aktuell so viele Nullen
       hinter der Eins, wie die Mannschaft des ansässigen Bundesligavereins
       Feldspieler hat. PolitikerInnen (dicke, doofe) wurden seinetwegen aus dem
       Amt gewutbürgert. Menschen die Augen weggepfeffert. Der grüne Kern der
       Stadt in ein Betongrab verwandelt. Wer jetzt die Hände über dem Kopf
       zusammenschlagen will ob des postapokalyptischen Kopfkinos: Hier ist nicht
       alles schlecht! An diesem Ort lässt sich wunderbar woanders hinfahren.
       (ELENA WOLF)
       
       ***
       
       Wer die Orte erraten hat und an der Verlosung der [2][taz-Reise durch
       Berlin] im nächsten Frühjahr teilnehmen will, geht wie folgt vor: Schicken
       Sie eine Mail mit Ihren Lösungen an einheit@taz.de. Einsendeschluss ist der
       9. Oktober 2016. Bei der Verlosung gibt es keine Gewähr. Der Rechtsweg ist
       ausgeschlossen.
       
       3 Oct 2016
       
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