# taz.de -- Argentinisches Gericht gibt lebenslang: Mammutverfahren zu Ende
       
       > Sieben Jahre lang wurden Zeugen vernommen, vier Jahre dauerte das
       > Verfahren. 28 Menschen wurden nun wegen Verbrechen verurteilt.
       
 (IMG) Bild: Der frühere argentinische Diktator Jorge Rafael Videla (2.v.l.), der 2013 gestorben ist, und der frühere General Luciano Benjamin Menendez (3.v.l.), dessen Urteil nun gesprochen wurde
       
       Buenos Aires taz | Argentiniens Justiz schreibt weiter Geschichte. Wurden
       bisher ehemalige Militärs und Polizisten wegen Menschenrechtsverbrechen
       während der Diktatur von 1976 bis 1983 verurteilt, so sind nun erstmals
       auch Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit davor als solche bestraft
       worden. Ein ehemaliger General und 27 weitere Militärs erhielten
       lebenslange Haftstrafen. „Zum ersten Mal hat ein Gericht die Existenz des
       Staatsterrorismus vor der Diktatur anerkannt“, unterstrich Staatsanwalt
       Facundo Trotta.
       
       Im Prozess ging es um die Verbrechen in den geheimen Folter- und
       Gefangenenlagern La Perla, Campo la Ribera und im D2 in den Jahren 1975 bis
       1979. Das berüchtigtste Lager war La Perla, rund 15 Kilometer von der
       zentralargentinischen Stadt Córdoba entfernt. Dort verschwanden nach
       Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 2.300 Menschen.
       
       Etwa 10.000 Menschen hatten sich vor der Urteilsverkündung im Prozess
       „Megacausa La Perla“ Ende vergangener Woche vor dem Gerichtsgebäude in
       Córdoba versammelt. Und sie jubelten, als sie erfuhren, dass 28 der 43
       angeklagten ehemaligen Militärs und Polizisten eine lebenslange Haftstrafe
       erhielten. Zehn weitere wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 2 und 14 Jahren
       verurteilt, fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Prominentester
       Angeklagter war der ehemalige General Luciano Benjamín Menéndez.
       
       „Jetzt besteht die Möglichkeit, über die Menschenrechtsverbrechen
       juristisch zu urteilen, die vor dem Putsch begangen wurden, und zugleich
       kann die Verantwortung der damaligen Regierung von Präsidentin Isabel Perón
       geklärt werden“, so Staatsanwalt Trotta. Die Urteilsbegründung wird am 14.
       Oktober verkündet. Das Gericht hatte einen Antrag der Verteidiger auf die
       Verjährung von Straftaten vor der Machtübernahme der Militärs abgelehnt.
       
       ## Prozessbeginn im Dezember 2012
       
       Als Vizepräsidentin hatte Juan Domingo Peróns zweite Frau, María Estela
       Martínez de Perón, kurz Isabel, nach dessen Tod 1974 das Präsidentenamt
       übernommen. Sie ging mit den konservativen und militärischen Kräften einen
       Pakt ein und beauftragte paramilitärische Gruppen wie die
       Antikommunistische Allianz Argentiniens (AAA, bekannt als Triple A) mit der
       Vernichtung politischer Widerstandsgruppen. Nach Angaben von
       Menschenrechtsorganisationen wurden während ihrer Regierungszeit mehr als
       3.500 Menschen ermordet oder verschwanden spurlos.
       
       Dennoch hielten Militärs sie für zu schwach, die Ordnung in ihrem Sinn
       aufrechtzuerhalten. Am 24. März 1976 wurde sie von ihnen aus dem Amt
       geputscht.
       
       Zu Prozessbeginn im Dezember 2012 saßen 58 Beschuldigte auf der
       Anklagebank. Elf von ihnen starben vor dem Richterspruch, vier wurden aus
       Gesundheitsgründen ausgenommen. Die verbleibenden 43 mussten sich wegen
       einer langen Liste von Straftaten, begangen an 716 Personen, verantworten –
       darunter Mord, Raub von Neugeborenen und Folter.
       
       Die Mehrzahl der Opfer war in politischen Organisationen, Gewerkschaften,
       Studentengruppen oder Nachbarschaftsvereinen aktiv. 365 Menschen sind
       verschwunden und vermutlich ermordet worden. Bisher wurden nur 46 Leichen
       gefunden und nur 8 von ihnen identifiziert.
       
       26 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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