# taz.de -- Fixie-Rennen in Barcelona: Schneller, als die Polizei erlaubt
       
       > In Barcelona treffen sich die besten Radler, die mit nur einem Gang und
       > ohne Bremse fahren. Aus dem Großstadt-Trend ist ein Sport geworden.
       
 (IMG) Bild: Geld ist kaum zu verdienen bei Fixie-Rennen – dafür bekommen Frauen und Männer gleich viel
       
       Barcelona taz | Die Sonne senkt sich über Barcelona. Im Park del Forum,
       gleich hinter den Stadtstränden der katalanischen Metropole, wird das
       Flutlicht angemacht. Räder surren auf Rollen. Frauen wie Männer fahren sich
       für das Red Hook Crit warm, die international anspruchvollste Rennserie in
       der Fixie-Szene. 373 Männer und 42 Frauen messen hier ihre Kräfte – auf
       Rädern, die keine Polizei der Welt erlaubt.
       
       Sie haben eine starre Nabe – nur ein Gang ist deshalb möglich. Das ist noch
       nicht verboten, es macht das Rennen nur schwerer. „Du musst hier ein gutes
       Mittelmaß finden zwischen der langen Geraden, auf der du Tempo machen
       kannst, dem kleinen Anstieg hier und der Haarnadelkurve. Und du musst auch
       noch den Gegenwind einkalkulieren“, erzählt Johanna Jahnke,
       Ex-Rugby-Nationalspielerin und jetzt begeisterte Fixie-Athletin.
       
       Fixie-Fahrer sind die Outlaws in der Radsportszene. Mit Bahnrädern, also
       Rädern mit nur einem Gang und ohne Bremse, kämpfen sie auf einem
       Straßenparcours gegeneinander. Einstige Bahncracks, ausgemusterte
       Straßenfahrer und Fixie-begeisterte Fahrradkuriere wie die vom Berliner
       Kollektiv Fahrwerk treten gegeneinander an. Auch Frauen sind dabei – und
       bekommen in ihrer Kategorie das gleiche Preisgeld wie die Männer. Die
       Outlaws machen nicht nur mehr Stimmung, sie sind in Sachen Emanzipation
       auch schon drei Schritte weiter als der Verbandssport.
       
       Der größte Unterschied zum gewöhnlichen Radfahren ist, dass Fixies keine
       Bremsen haben. Nur durch den Gegendruck auf die Pedalen kann man
       entschleunigen. Das macht vor allem die Kurvenfahrt zu einem
       Extremerlebnis. „Du musst dabei auch immer die Pedale treten, sie dreht
       sich ja mit. Das ist ein echter Tanz, denn das Treten in der Kurve bringt
       dich ja auch etwas aus der Balance“, erzählt Colin Strickland, Sieger der
       letzten vier Rennen. Dabei zeichnen sich aber nicht Angst und Vorsicht in
       den Zügen des 29-jährigen Texaners ab, sondern pures Glück. „Hey, dein Rad
       kommuniziert die ganze Zeit mit dir. Es sagt dir unmittelbar, was es tut.
       Und das Größte ist, wenn du dann noch in der Kurve selbst beschleunigst.
       Das ist ein absolut tolles Gefühl“, meint er.
       
       Das hatte Strickland zuletzt häufig. Der frühere Straßenfahrer krempelte
       die Fixie-Serie um. War sie früher eine Sache für Sprinter, so setzt
       Strickland sich jetzt zwei, drei Runden vor Schluss ab und jagt allein dem
       Ziellinie entgegen. Beim Wegfahren hilft ihm die Power von der Straße, beim
       Vornbleiben der Spaß am Ausreizen der Kurvenlage. Er muss dann auch auf
       niemanden Rücksicht nehmen.
       
       Im Feld hinter ihm sieht es anders aus. „Da fahren Leute Wellen, sie
       schneiden dich, drängen dich ab und stehen dir im Weg rum. Am Ende der
       Kurve hängst du dann wie ein nasser Sack“, erzählt Stefan Schäfer. Der
       Cottbusser kommt von der Bahn, ist mehrfacher Deutscher Meister. In
       Barcelona wollte er aufs Podium fahren. „Das ist ja ein Hobby hier. Aber
       ein bisschen Geld zumindest für die Reisespesen darf auch schon reinkommen.
       Und dafür musst du dann schon auf Rang drei“, meint er. Der Dritte erhält
       1.500 Dollar Preisgeld, der Zweite 3.000 Dollar, der Sieger 5.000 und
       obendrauf ein Fixie-Rad der Firma Specialized.
       
       ## Frauen und Männer mit gleichem Standing
       
       Jahnke freut es, dass die Siegerin und die auf dem Podium Platzierten im
       Frauenrennen die gleichen Prämien bekommen. „Das ist klasse hier. Wir haben
       auch das gleiche Standing wie die Männer“, betont sie.
       
       Da ist die Fixie-Szene weiter als der verbandsgelenkte Sport. Nicht nur der
       Prämien wegen. Wenn Frauenrennen überhaupt mit Männerrennen kombiniert
       werden, bilden sie nur das Rahmenprogramm. Beim Red Hook Crit finden
       Qualifikationen für Frauen und Männer sowie die jeweiligen Finalrennen mit
       nur kurzen Pausen am gleichen Tag statt. In der offiziellen Warmfahrzone
       sieht man Frauen und Männer nebeneinander auf den Rollen. Und im
       Fahrerlager wird ohne Geschlechterunterschiede über Materialien und
       Renntaktiken geplaudert und sich natürlich für die große Party danach
       verabredet.
       
       Schäfer nennt sie einfach „die zweite Halbzeit“. Unmittelbar nach dem
       Rennen schnappte sich ein Fixie-Fahrer auch gleich mobile Boxen und machte
       auf dem Rad den Antänzer für die After-Race-Party.
       
       Wegen der guten Vibes spricht Johanna Jahnke der Fixie-Szene belebende
       Impulse für den gesamten Radsport zu. „Als wir uns mit dem von uns
       organisierten Waterkant Krit in Hamburg an ein normales Straßenrennen
       anschlossen, hieß es gleich: Die Bunten kommen, die mit dem schrägen
       Outfit. Und einige waren wohl auch skeptisch, was wir drauf haben. Dann
       sahen die aber, dass wir trotz des starren Gangs fast genauso schnell
       unterwegs waren. Und inzwischen ist es so, dass Kinder durch uns an den
       Radsport herangeführt werden – und da natürlich auf normalen Straßenrädern
       fahren“, erzählt Rennfahrerin Jahnke.
       
       Die Anarchoszene wirkt belebend. Und sogar politische Haltungen werden frei
       kommuniziert. „Stop Racism, Start Race-Ism“, ist auf dem Leibchen eines
       Racers auszumachen.
       
       29 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Barcelona
 (DIR) Radsport
 (DIR) Fahrrad
 (DIR) Rugby
 (DIR) American Football
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Cyclocross in Belgien: Brass, Matsch und Bratwurst
       
       Räder statt Skier: In Belgien huldigt man einem ganz besonderen Wintersport
       – ein Volksvergnügen mit Weltmeistern und Dosenbier.
       
 (DIR) Randsportart Rugby: Improvisieren gehört dazu
       
       In Hamburg wird Rugby auf Bundesliga-Niveau gespielt, obwohl die
       Trainingsbedingungen weit davon entfernt sind.
       
 (DIR) US-Footballspieler Colin Kaepernick: Sitzenbleiben gegen Rassismus
       
       Footballspieler Colin Kaepernick steht bei der US-Hymne nicht auf, um gegen
       Rassismus zu protestieren. Nirgends provoziert das mehr als in der NFL.
       
 (DIR) Montagsinterview mit Fahrradkurierin Stefanie Rumen: "Man lernt Gedanken lesen"
       
       Die Fahrradkurierin Stefanie Rumen fährt Fixie, ein puristisches Rad ohne
       Leerlauf, Bremse und mit starrer Nabe. Viel zu gefährlich für den
       Straßenverkehr, sagt die Polizei. Alles albern, sagt Rumen. Ein Gespräch
       über die Leidenschaft für ein Fahrrad.
       
 (DIR) Fixies-Fahrräder als neuer Lifestyle: Die Ein-Gang-Gang
       
       Von Freaks geliebt, von der Staatsgewalt verfolgt, als Lifestyle akzeptiert
       - Fixies sind der neue Trend in der Fahrradszene. Weil sie so schön
       verboten sind?