# taz.de -- Wilko Zicht über Wahlbeteiligung: „Die Liste der SPD war zu lang“
       
       > Wilko Zicht ist für die Grünen im Wahlrechtsausschuss. Im Interview
       > spricht er über ungültige Stimmen, miese Wahlbeteiligung und Urnen im
       > Einkaufszentrum
       
 (IMG) Bild: Bremer Musterstimmbücher von 2015
       
       taz: Herr Zicht, worum geht es im neuen Wahlrechtsausschuss? 
       
       Wilko Zicht: Wir wollen wahlorganisatorische Maßnahmen gegen sinkende
       Wahlbeteiligung finden. Zum anderen wollen wir Mängel im Wahlrecht beheben
       und damit das bremische Wahlrecht besser machen.
       
       Welche Probleme gibt es? 
       
       Es soll diskutiert werden, ob eine landesweite Fünfprozent-Hürde eingeführt
       wird. Derzeit läuft das in Bremen und Bremerhaven noch getrennt. Außerdem
       geht es um die Stimmauszählungen, die in der Kritik standen.
       
       Probleme traten zuletzt vor allem in Bremerhaven auf. Was ist da los? 
       
       Dort zählen Schüler die Wahlzettel aus. Das ist nicht grundsätzlich
       schlechter, nur sind das alle vier Jahre andere Schüler – und es wäre
       sinnvoller, erfahrene Kräfte dabei zu haben. Eine Mischung wäre wohl gut.
       Und weniger Zeitdruck bei der Auszählung.
       
       In Bremen haben WählerInnen durch das stark personengebundene Wahlrecht
       mehr Einfluss darauf, wer tatsächlich im Landtag sitzt. Das geht einher mit
       komplizierteren Stimmzetteln, die wiederum mehr ungültige Stimmen
       verursachen. Wie kann man den Konflikt lösen? 
       
       Studien zeigen, dass die Wahlbeteiligung nicht vom Wahlsystem abhängt.
       Allerdings ist durch das neue System die Zahl der ungültigen Stimmen
       gestiegen – leider vor allem in prekären Stadtteilen. Die Schere, die sich
       ohnehin in der Wahlbeteiligung widerspiegelt, geht durch ungültige Stimmen
       noch weiter auseinander. Das ist nicht zufriedenstellend.
       
       Der Ausschuss soll Regelungen diskutieren, die einen Teil der ungültigen
       Stimmen retten könnten. Was bringt das? 
       
       In Bremen liegen wir bei rund drei Prozent ungültigen Stimmen. Würde man
       Heilungsregeln anwenden, läge man bei etwa zwei Prozent. Das wäre ein
       vertretbares Maß.
       
       Stattdessen soll wieder das Listenwahlrecht gestärkt werden. Warum? 
       
       Einige Parteien wollen wieder stärker selbst bestimmen können, wer gewählt
       wird. Auch die Grünen haben das so auf einer Landesmitgliederversammlung
       entschieden. Ich bin persönlich anderer Meinung, werde aber dem Auftrag der
       Mitglieder entsprechend handeln.
       
       Was ist aus ihrer Sicht besser? 
       
       Ich halte eine gesunde Mischung für das Richtige. Wähler sollten direkten
       Einfluss darauf haben, wer ins Parlament kommt. Es ist allerdings auch
       legitim, dass die Parteien beurteilen sollen, wer für die Fraktionsarbeit
       hilfreich ist. Und wer nicht.
       
       Die SPD hatte bei der Wahl im Mai 2015 eine Liste mit Frauenquote, durch
       das starke Personenwahlrecht sitzen nun jedoch zu zwei Dritteln Männer in
       der Bürgerschaft. Gleichstellungspolitisch ist doch nachvollziehbar, dass
       die SPD wieder die Liste will. 
       
       Der gesunkene Frauenanteil im Parlament ist ärgerlich. Doch die SPD stellt
       da einen Zusammenhang her, den es nicht gibt. In Hamburg, wo ein ähnliches
       Wahlrecht wie in Bremen gilt, haben bei den Sozialdemokraten gerade junge
       Leute und Frauen gut abgeschnitten. Die Liste der Bremer SPD war einfach zu
       lang. Auf den hinteren Plätzen standen männliche Kandidaten, bei denen
       absehbar war, dass sie über viele Personenstimmen in die Bürgerschaft
       kommen. Die haben den Frauen die Sitze weggenommen. Durch eine
       intelligentere Listenaufstellung könnte die SPD ihr Problem beheben.
       
       Was raten Sie der SPD? 
       
       Eine kürzere Liste mit Kandidaten, die man für fähige Abgeordnete hält.
       Auch so kann man der Liste wieder Gewicht verleihen. Das rate ich auch uns
       Grünen.
       
       Bleibt das Problem der Wahlbeteiligung. Wie löst man das? 
       
       Eine hohe Wahlbeteiligung gibt es nur, wenn die Wählerinnen und Wähler
       spüren, dass es einen Unterschied für sie macht, wie die Wahl ausgeht.
       
       Haben WählerInnen durch das starke Personenwahlrecht nicht mehr
       Mitwirkungsmöglichkeiten? 
       
       Der Effekt gleicht sich aus. Auf Wähler, die aufgrund direkter
       Wahlmöglichkeiten eher wählen gehen, kommen genau so viele, die sich von
       dem komplizierteren Wahlrecht abgeschreckt fühlen. Mit Hilfe des Wahlrechts
       kann man da nur wenig herausholen. Wir reden von vielleicht zwei
       Prozentpunkten, wenn man etwa in der Briefwahlphase mehr Wahllokale
       anbietet – im Einkaufszentrum, in Schulen oder an anderen Orten, wo viele
       Leute sind.
       
       24 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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