# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Die neue Menschenführung
       
       > Auf der Siegerwelle mitschwimmen: So wie der Berater, der den EM-Meister
       > Ronaldo und seine Mitarbeiter zum Vorbild für Unternehmen ernannte.
       
 (IMG) Bild: Cristiano Ronaldo inmitten seiner Mitarbeiter bei der Siegerehrung in Saint-Denis
       
       Da redet man immer von den Politikern, die sich so gern mit Erfolgen von
       Sportlern schmücken. Dabei hat es dieses Mal (aus bekannten Gründen! Danke,
       Herr Löw!) Angela Merkel nicht in die mit halbnackten, kräftigen, jungen
       Männern besetzte Kabine geschafft. Gern aber erinnern sich deutsche
       Fußballfans noch daran, wie Helmut Kohl nach dem EM-Sieg 1996 Berti Vogts,
       sagen wir: inkorporierte.
       
       Aber sich an sportliche Erfolge dranhängen, das können andere auch. Von
       Portugals EM-Sieg möchte etwa eine Firma profitieren, die einen
       „Gesundheits-Coach“ für Firmen entwickelt hat. „Man muss nur den Trainer
       durch einen Manager oder eine Führungskraft ersetzen, und die Mannschaft
       sind dann die oftmals Hunderte oder sogar Tausende von Mitarbeitern“, wird
       da gedichtet.
       
       Über Cristiano Ronaldo ist zu lesen: „Er wurde mit seinen ‚Mitarbeitern‘
       Europameister.“ Das sei die Lehre dieser EM: „Egal ob Lob oder Tadel, all
       das muss ein großes Team wegstecken können. Und, ganz ähnlich wie in einem
       Fußballteam geht es auch in einem Unternehmen zu.“
       
       „Menschenführung“ ist der unsympathisch klingende Ausdruck, mit dem bei der
       Behandlung solcher Fragen operiert wird. Firmen wollen nämlich aus ihren
       Beschäftigten mehr herausholen, als sie ihnen zahlen. Der Sport wird da
       immer gern genommen: Wenn eine Firma, sei es ein im Rheinland ansässiger
       Pharmakonzern, ein Berliner Müllentsorger oder ein niedersächsischer
       Automobilhersteller mit Imageproblemen, in den Sport investiert, so
       geschieht das nicht, um der Belegschaft ähnlich hohe Gehälter zu verheißen.
       Sondern es sollen Stolz aufs Team, Zugehörigkeit zur Firma,
       außertarifliches Engagement für den Konzern geweckt werden.
       
       Spitzentrainer der Bundesliga sprechen als gut bezahlte Hauptredner zu
       Managern, um ihnen zu erklären, wie man das Letzte aus seinen Jungs
       herausholt. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie gut fußballtypische
       Motivationssprüche („Männer, die putze mer!“, „Die kennen unseren Capitano
       noch nicht!“, „Geht’s raus uns spielt’s Fußball“) in Büro oder Redaktion
       ankommen.
       
       Aber was Betriebspsychologen und Industriesoziologen aus dem Erfolg des
       portugiesischen Teams herauslesen, ist interessant. Schließlich hat die Elf
       bis zum Schluss einem Minimalismus gehuldigt, den man zwar „ökonomisch“
       nennt, der aber kaum dazu angetan ist, den Anforderungen der
       Unterhaltungsökonomie zu genügen: Kaum Tore, kaum Siege, kaum Offensive,
       kaum Spektakel, und zur Krönung fiel der einzige Weltstar des Ensembles
       gleich zu Beginn des Finales aus.
       
       Wer den Fußball nur als Teil der Unterhaltungsindustrie sieht, wird also
       zugeben, dass der portugiesische EM-Erfolg zustande kam, indem gegen beinah
       alle Regeln des Gewerbes verstoßen wurde. Dem liegt zwar auch eine gewisse
       ökonomische Logik zugrunde – nämlich das bewusste antizyklische Agieren –,
       aber schon die Erinnerung an den Europameister von 2004, Griechenland,
       zeigt, dass das nicht unbedingt ein wegweisendes Modell ist. Mit Libero
       spielt ja auch keiner mehr.
       
       Sich an Portugals EM-Erfolg ranzuschmeißen, sei es von Seiten der
       Werbetexter, Personalleiter, Betriebspsychologen oder als Bundeskanzlerin,
       fällt deswegen so schwer, weil die Mannschaft auf so sympathische Weise
       jede Innovation vermissen ließ: Als der wichtigste Spieler verletzt
       ausfiel, rückten die Kollegen zusammen; sobald Cristiano Ronaldo aus der
       Kabine gehumpelt kam, feuerte er das Team an. Das ist das, was wir vom
       Europameister lernen? Nein, das kennen wir von jedem Jugendsportfest.
       
       13 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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