# taz.de -- Parlamentswahl in Spanien: Im Zeichen von Überdruss und Brexit
       
       > Die zweite Wahl binnen sechs Monaten: Viele Spanier sind wütend, weil
       > wieder keine stabilen Verhältnisse in Sicht sind.
       
 (IMG) Bild: Nicht alle haben bei der zweiten Wahl so viel Freude wie Pablo Iglesias
       
       Madrid dpa | Charo fuchtelt empört mit den Armen. „Das kostet ein
       Vermögen“, schimpft die Rentnerin aus dem Madrider Stadtteil Chamberí,
       während ihr Ehemann Tomás zustimmend nickt. Sie können – wie so viele in
       Spanien – einfach nicht verstehen, wozu die erneute Parlamentswahl gut sein
       soll. Es würden dabei ohnehin ähnlich unklare Mehrheitsverhältnisse
       herauskommen wie beim ersten Urnengang am 20. Dezember.
       
       Das sagen alle Umfragen voraus. „Alle unsere Verwandte, Freunde, Nachbarn,
       sie werden ihre Stimme nicht plötzlich einer anderen Partei geben, [1][nur
       weil die Parteiführer es sich leicht machen wollen]“, sagt das Rentnerpaar,
       das auf dem Chamberí-Platz auf den Beginn der Nachmittagsmesse wartet,
       unisono.
       
       Radikaler als Charo und Tomás, die brav ihre Stimme abgegeben haben,
       reagierten Chema (22) und seine sieben Freunde, die sich einige Straßen
       weiter auf dem Olavide-Platz bei 32 Grad im Schatten eine „Caña“, ein
       Bierchen genehmigen. Sie wählen diesmal nicht.
       
       „Ich habe letztes Mal für (die Linkspartei) Podemos gestimmt, bin aber
       enttäuscht, dass sich in den vergangenen Monaten auch Linke und Sozialisten
       nicht einigen konnten, um die Konservativen von der Macht zu verdrängen.
       Alle Politiker sind gleich“, klagt Chema. Der Student gründete mit
       Kommilitonen die private Gruppe „Tomar Si, Votar No“ (Trinken ja, Wählen
       nein).
       
       „Alle an der Uni schnauben vor Wut, aber nicht alle haben mitgemacht“,
       erzählt er. Wie viele kehren den Urnen den Rücken? Im Vergleich zum 20.
       Dezember fiel die bis 14.00 Uhr (MESZ) registrierte Wahlbeteiligung trotz
       des harten Wahlkampfes von 36,91 auf 36,87 Prozent. Viele fühlen sich wie
       Chema von den Politikern auf den Arm genommen, haben aber gewählt, weil sie
       nach der Abstimmung der Briten für einen Austritt aus der EU noch mehr
       Angst vor der Zukunft haben.
       
       ## Sind dritte Wahlen möglich?
       
       Die Zeitung „El Mundo“ hatte schon vor Öffnung der Wahllokale auf Seite
       eins geschrieben: „Der Überdruss der Bürger, die Drohung der
       Unregierbarkeit und der Schock des Brexits prägen die zweite Wahl innerhalb
       von sechs Monaten.“ „Das sind die Wahlen des Überdrusses“, konstatiert –
       wie so viele Medien – „El Periódico de Extremadura“.
       
       „Wir spüren heute die Erschöpfung derjenigen, die gezwungen werden, nach
       einem unendlich langen Wahlkampf, der das ganze Elend der Politik an die
       Oberfläche getrieben hat, erneut ihre Stimme abzugeben“, klagte der
       angesehene Geschichtswissenschaftler und Soziologe Santos Juliá im
       Renommierblatt „El País“.
       
       Klarere Mehrheitsverhältnisse und Koalitionsabkommen waren am Sonntag in
       Spanien nicht in Sicht. Sind dritte Wahlen denn möglich?, fragen sich viele
       dieser Tage in der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone. Iñigo Errejón
       (32), die junge Nummer zwei des Linksbündnisses UnidosPodemos hinter dem
       Spitzenkandidaten Pablo Iglesias (37), sprach im Interview von „El País“
       das aus, was viele denken: „Noch denkt der Wähler an die Zukunft, aber
       dritte Wahlen, ja, das wäre ein Desaster.“
       
       26 Jun 2016
       
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