# taz.de -- Kommentar Chinas Wirtschaftspolitik: Marktliberales Mantra
       
       > Peking sollte nicht dem Freihandelsirrsinn des Westens folgen. Ein
       > bisschen Protektionismus wäre besser – für alle Beteiligten.
       
 (IMG) Bild: Chinas Export boomt – und überschwemmt andere Märkte
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel und das halbe Bundeskabinett diskutieren auf
       ihrer [1][anderthalbtägigen Pekingreise] mit der chinesischen Führung
       darüber, ob China den Status einer Marktwirtschaft verdient hat. Denn
       gerade in den vergangenen Monaten häufen sich in Deutschland und weltweit
       berechtigte Klagen, dass Chinas Unternehmen mit einer massiven
       Überproduktion, etwa von Stahl, die Weltmärkte überschwemmen und mit
       Dumpingpreisen ausländische Konkurrenten aus dem Markt drängen.
       
       In dem Streit verhalten sich beide Seiten, als müssten offene Märkte das
       Ziel jeder Entwicklung sein. Doch diese Sichtweise geht an den globalen
       Problemen vorbei, wie zuletzt auch der Streit über den transatlantischen
       Freihandel zeigt. Obwohl China immer darauf beharrt, einen anderen Weg zu
       gehen, macht die Regierung in Peking den Fehler, dem marktliberalen Mantra
       zu folgen.
       
       Das kurzfristige Ziel des chinesischen Premierministers Li Keqiang ist
       klar: Er will der eigenen, vom Wachstumsdiktat aufgeblähten Industrie eine
       Möglichkeit geben, ihren Überschuss an Solarpanelen und Stahl in einer
       anderen Weltgegend abzuladen, um daheim die Arbeitsplätze zu sichern. Die
       EU-Kommission und die Bundesregierung wettern verständlicherweise dagegen.
       Doch statt Missstimmung gegen die EU zu erzeugen, sollte die kommunistische
       Führung sich besser die richtigen Grundsatzfragen stellen.
       
       Ist ungehemmter Freihandel langfristig in Chinas Interesse? Offensichtlich
       nicht. Im Gegenteil: Das Land ist jahrelang gut damit gefahren, die eigenen
       Bürger und Betriebe vor dem Zugriff des US-geprägten Globalkapitalismus zu
       schützen. Eine Mischung aus Protektionismus zum Aufbau einer eigenen
       Industrie auf der einen Seite und der Hinwendung zum Welthandel auf der
       anderen – diese Kombination erklärt zumindest ein Stück weit Chinas
       Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
       
       Und: Ist eine Wirtschaftsweise des „Immer höher, immer weiter, immer mehr“
       langfristig nachhaltig? Auch das Wachstum in China kennt Grenzen, wie die
       Luftverschmutzung, die Überkapazitäten und die Phantomschmerzen nach dem
       Sinken des Wachstums zeigen. Statt dem Westen in den Freihandelsirrsinn zu
       folgen, sollte Peking also lieber mit der Kanzlerin über ein Handelssystem
       diskutieren, das Kontrollen und Engpässe durchaus vorsieht. Zum Wohle
       aller.
       
       12 Jun 2016
       
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