# taz.de -- Tennisspieler Novak Djokovic: Souverän und mehr
       
       > Novak Djokovic holt nach seinem Sieg bei den French Open zum großen
       > Schlag aus. Er möchte in den Orbit historischer Racketschwinger.
       
 (IMG) Bild: Derzeit fast unschlagbar: Novak Djokovic
       
       Paris taz | Novak Djokovic verließ Paris mit der kleinen Replika des großen
       Pokals und mit Erinnerungen, die er nie vergessen wird: wie er ausgestreckt
       am Boden im roten Sand lag; wie er sich mit den Linienrichtern und den
       Ballkindern freute oder mit dem Sieger des Juniorenturniers.
       
       Und natürlich auch Erinnerungen an die intensive Umarmung mit seinem Coach
       Boris Becker, der ihn fast erdrückte und noch schmaler als sonst
       erscheinen ließ. Das Gefühl, diesen Coupe des Mousquetaires im Arm gehalten
       zu haben, wird ihn begleiten in den nächsten Wochen und Monaten. Und es
       wird ihm noch größere Souveränität geben, wenn das denn überhaupt möglich
       ist.
       
       Als er in Australien vor etwas mehr als sechs Jahren seinen ersten
       Grand-Slam-Titel gewann, war zwar klar, dass man in Zukunft mit ihm rechnen
       musste, aber wer hätte damals gedacht, dass er die Welt des Tennis so
       dominieren würde? Nach dem Sieg in Paris gegen Andy Murray und nach seinem
       ersten Titel an der Seine hat Djokovic in der neuen Weltrangliste rund 1380
       Punkte mehr als Murray und Roger Federer zusammen.
       
       Federer meldet sich dieser Tage beim Turnier in Stuttgart zurück, aber er
       trainiert erst wieder seit ein paar Tagen. Und ob Rafael Nadal, der Paris
       wegen einer Sehnenscheidenentzündung viel zu früh verlassen hatte, bis
       Wimbledon wieder fit sein wird? Federer gewann 17 Grand-Slam-Titel, Nadal
       14, Djokovic steht jetzt bei 12.
       
       ## Fast unantastbar
       
       Alles ist vorstellbar im Moment, zumal wenn man gesehen hat, wie
       eindrucksvoll er sich in diesem Finale aus einer kniffligen Situation
       befreite. Wie er den leichten Schockzustand aus dem ersten Satz überwand,
       den Murray mit zwingendem Spiel dominierte. So als hätte es nicht den
       kleinsten Gedanken an das verlorene Finale im Jahr zuvor gegen Stan
       Wawrinka gegeben; so, als müsse man sich nur mal kurz zur Ordnung rufen und
       die Erinnerung an diesen einen Satz ausknipsen wie ein zu grelles Licht.
       
       Er ist in allen Bereichen des Spiels inzwischen fast unantastbar, und auch
       bei Schlägen, die man früher nicht oft bei ihm sah; es ist eine Sache,
       einen fast perfekten Stoppball des Gegners zu erlaufen, aber eine andere,
       mit einem spektakulären, fast parallel zum Netz gespielten Gegenstopp den
       Punkt zu machen.
       
       Ende vergangenen Jahres nach dem Sieg seinen Mannes beim ATP-Tour-Finale in
       London hatte Boris Becker zu den Aussichten auf 2016 gesagt: „Man kann
       nicht glauben, dass das nächstes Jahr noch viel besser werden kann, das ist
       unrealistisch. Das Ziel sollte man auch nicht haben.“ Aber im Moment sieht
       es so aus, als sei alles möglich. Also auch der Grand Slam? Er wolle nicht
       arrogant klingen, sagt Djokovic dazu, „aber ich glaube wirklich, dass man
       alles im Leben erreichen kann.“
       
       ## Ein Puzzle zusammengesetzt
       
       Natürlich kann man fragen, ob vier Siege hintereinander bei
       Grand-Slam-Turnieren nicht so viel wert sind wie vier Siege innerhalb eines
       Kalenderjahres, wie es zuletzt Rod Laver 1969 bei den Männern geschafft hat
       und bei den Frauen Steffi Graf (1988). Vier in Serie gewann auch Serena
       Williams, und das sogar zweimal, 2002/2003 und 2014/2015.
       
       Bis vor zwei Jahren hatte es so ausgesehen, als werde Novak Djokovic in der
       Historie des Tennis mit Respektabstand auf einem Platz hinter Roger Federer
       und Rafael Nadal stehen. Federer hatte in zwei Jahren nacheinander nur ein
       Titel zum Grand Slam gefehlt, 2006 und 2007 verlor er jeweils in Paris. Er
       war damals mindestens so dominant, wie es Djokovic jetzt ist.
       
       Teilchen für Teilchen hat der Serbe in vielen Jahren ein Puzzle
       zusammengesetzt. Hat sich und seinen Körper wie einen Rennwagen aufs
       Feinste abgestimmt. Und hat eine mentale Stärke entwickelt, der verlorene
       Sätze, unangenehme Erinnerungen und äußerliche Einflüsse kaum noch etwas
       anhaben können. Er schwelgte nach dem ersehnten Sieg im Stade Roland Garros
       in Emotionen und sagte, nie habe er so sehr das Gefühl gehabt, vom Publikum
       getragen zu werden.
       
       Und am Ende hatte er es ja sogar geschafft, nach einem grauen, verregneten
       Turnier die Sonne zur Siegerehrung zu bestellen. Zack, einfach so.
       
       7 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Henkel
       
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