# taz.de -- Schweden reduziert Bargeld: Kaum jemand regt sich auf
       
       > Das skandinavische Land entledigt sich nach und nach seiner Geldscheine
       > und Münzen. Die meisten Bürger zahlen einfach per App.
       
 (IMG) Bild: Schnell noch den Kontostand checken
       
       Stockholm epd | Im Dom von Uppsala steht schon seit acht Jahren ein
       „Kollektomat“ und sammelt die Kirchenkollekte. Per Klick am Touchscreen
       entscheiden Kirchgänger über die Spendensumme, die in die neue Orgel
       fließen soll – und zahlen mit Karte. „Es gibt kaum noch Kirchen in
       Schweden, in denen das anders läuft“, sagt Ökonom Niklas Arvidsson von der
       Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm. „Sonst wären die Kollekten
       auch leer, die meisten Schweden haben ja kein Bargeld im Portemonnaie.“
       
       Und sie wollen das auch nicht: Schweden ist auf dem Weg in die bargeldlose
       Gesellschaft. „Vielleicht wird Schweden im Jahr 2030 noch nicht ganz ohne
       Bargeld sein, aber fast.“
       
       80 Milliarden Kronen sind noch im Umlauf, vor sechs Jahren waren es noch
       106 Milliarden. „Der Bargeldgebrauch sinkt rapide“, sagt Arvidsson. Nur
       jeder fünfte Einkauf wird hier noch bar gezahlt. Zum Vergleich: In
       Deutschland ist es jeder zweite. „Für die schwedische Volkswirtschaft
       spielt Bargeld kaum noch eine Rolle.“
       
       Und auch im Alltag nicht. „Das ist hier kein Aufregerthema“, sagt
       Arvidsson. „Da sind die Schweden ganz anders als die Deutschen, hier finden
       die meisten das einfach nur praktisch.“
       
       ## Wenig Sorgen um Datensicherheit
       
       Vor allem dank Swish, einer 2012 von schwedischen und dänischen Banken
       entwickelten Handy-App: Der Zahlende schickt per Handy den Betrag an die
       Mobilnummer des Empfängers, Swish schreibt es sofort gut. „So bezahlen
       Menschen ihren Freunden einen Kaffee, ziehen Bustickets oder kaufen im
       Supermarkt ein“, sagt Arvidsson. Mehr als vier Millionen der 9,5 Millionen
       Schweden haben sich nach Firmenangaben bei Swish registriert. Tendenz:
       stark steigend. „Quasi jeder Smartphone-Nutzer zahlt hier so.“
       
       Sorgen um die Datensicherheit gebe es in der Bevölkerung „nicht ansatzweise
       so wie in Deutschland“, sagt Arvidsson. In ländlichen Regionen gebe es
       manchmal Schwierigkeiten mit dem Mobilnetz. Aber sonst? „Für einige Gruppen
       ist die bargeldlose Gesellschaft schon problematisch“, sagt Arvidsson.
       „Einige Ältere kommen mit Swish nicht zurecht, und Menschen ohne Konto
       können gar nicht daran teilhaben.“ Das gelte auch für Flüchtlinge, die ja
       erst mal kein Konto in Schweden hätten. „Es ist hier inzwischen schwierig,
       überhaupt an Bargeld zu kommen.“
       
       Denn: Die Hälfte der Bankfilialen führt gar kein Bargeld mehr. In den
       anderen wird auch schon mal Polizei eingeschaltet, wenn Menschen mit
       Bargeld kommen. „Bargeld steht für Kriminalität“, sagt Arvidsson.
       
       ## Verdächtiges Bargeld
       
       Mit dem Kampf gegen Kriminelle begründet auch die Bundesregierung die von
       ihr vorgeschlagenen Obergrenzen von 5.000 Euro für Bargeld. Bis zu 100
       Millionen Euro Schwarzgeld würden jährlich in Deutschland gewaschen,
       schreibt Rechtswissenschaftler Kai-D. Bussmann von der Uni Halle-Wittenberg
       in einem Gutachten für das Bundesfinanzministerium – das ein solches Limit
       empfiehlt. Die Möglichkeit, unbegrenzt bar zu zahlen, sei ein „Einfallstor
       für Kriminelle“, die ihr illegales Bargeld zum Beispiel in ein neu
       gegründetes Unternehmen einspeisen und dann beim Finanzamt als Umsatz
       verbuchen, heißt es in dem Gutachten. Oder in teure Kunst und Autos
       investieren – kaum verfolgbar für Ermittler.
       
       An der Wirkung gegen Kriminalität zweifeln Experten allerdings.
       „Bargeldgrenzen wirken kaum gegen Schwarzgeld“, sagt der Linzer Ökonom
       Friedrich Schneider, der seit Jahren über kriminelle Geldflüsse forscht.
       „Organisierte Kriminalität findet immer einen Weg.“
       
       Auch Niklas Arvidsson sieht die schwedische Bargeldlosigkeit nicht als
       Wunderwaffe gegen Kriminalität. Zwar gebe es kaum noch Banküberfälle –
       dafür aber mehr Identitätsdiebstähle, bei denen Konten mit gestohlen
       Zugangsdaten leergeräumt würden.
       
       30 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Miriam Bunjes
       
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