# taz.de -- Flugzeugentführung in Ägypten: Der Liebesterror
       
       > Keine Lebensäußerung kommt dem, was wir allgemein unter Terror verstehen,
       > näher als die Liebe. Das zeigt auch die jüngste Entführung.
       
 (IMG) Bild: Wurde wegen Herzschmerz umgelenkt: eine Maschine der Egypt Air
       
       Als der ägyptische Staatsbürger Seifedin Mustafa den Inlandsflug der Egypt
       Air von Alexandria nach Kairo mit Hilfe einer Sprengstoffgürtelattrappe
       nach Zypern zwang, [1][wo er am Dienstagmorgen gegen 8 Uhr 45 MEZ in
       Larnaka landete], glaubten viele zunächst an einen Terrorakt. Erst recht,
       als die Runde machte, er habe die Freilassung inhaftierter weiblicher
       Mitglieder der ägyptischen Opposition verlangt.
       
       Eine saftige Ente offenbar, denn schnell wurde klar, dass dem Entführer nur
       an einer einzigen Oppositionellen gelegen war: seiner seit 1994 von ihm
       getrennt in Zypern lebende Ex-Frau, mit der er fünf gemeinsame Kinder hat.
       Er wollte sie sehen und zwar auf dem schnellsten Weg. Die wohlfeile
       Inanspruchnahme eines regulären Linienfluges schien der gebotenen Eile
       nicht zu entsprechen.
       
       Wer kennt das nicht: Sobald der Liebeskummer drückt wie ein schlimmer Zahn,
       kann alles nicht mehr schnell genug gehen. Da wird überstürzt getextet, wo
       doch schlaues Stillhalten angebracht wäre. Geschworen, versprochen, gelobt,
       besungen, wo abwartendes Schweigen opportuner wäre. Geheult, gedroht und
       Kurzschlussaktionen veranstaltet, wo doch sportlich faire Vernunft auf des
       Hirnes Thron das Zepter schwingen sollte. Und eben auch jedes nur habhafte
       Verkehrsmittel genutzt, um so schnell wie möglich zur Liebsten zu eilen,
       oder zu der, die man im Wahn gern dafür halten möchte: das Auto, die Kuh,
       die Straßenbahn, das Flugzeug.
       
       So mancher vergleicht die Liebe deshalb mit einer Krankheit. Doch sie ist,
       da haben die ersten Eindrücke eben doch nicht getäuscht, Terror. Sie ist
       Terror gegen sich und andere. Sie ängstigt und nervt. Sie kann zerstören
       und trifft fast immer Unschuldige. Und wenn sie mal keine Unschuldigen
       trifft, so ist sie immer noch das falsche Mittel zur falschen Zeit am
       falschen Ort.
       
       ## Brief per Flugzeug übermittelt
       
       Keine politische, soziale oder private Lebensäußerung kommt dem, was wir
       heute allgemein unter Terror verstehen, näher als die Liebe. „Der
       schlimmste Krieg ist die Liebe“, notierte schon Ernest Hemingway nach einem
       kurzen, aber heftigen Streit mit der Lyrikerin Sally Bridget Swan im
       Vorgarten der Pariser Brasserie „Trois Tartes“ und zog, von wenigen
       Ausreißern abgesehen, fürderhin den klassischen Schießkrieg einer
       unabsehbaren Schlammschlacht aus Geschrei, Enttäuschung, Lüge und dem
       Gefühl abgrundtiefer Verlorenheit vor.
       
       Der vom Liebesschmerz überwältigte Entführer des Flugs MS 181 verlangte
       schließlich von der Polizei, seiner Ex-Frau einen eigens zu diesem Zwecke
       mitgeführten Brief zu überbringen. Auch das ist typisch. Der Liebende ist
       nicht nur laut Aussage des zyprischen Außenministeriums „vermutlich labil“,
       sondern auch argwöhnisch. Er glaubt nichts und niemandem mehr, außer sich
       selbst und der Liebe. Kein Wunder, dass er da dem regulären Postweg
       misstraut, der doch bereits dem Otto Normalzustand als äußerst
       unzuverlässig gilt. Praktischerweise wohnt die Verflossene noch ganz in
       Flughafennähe. Um den Liebesterroristen zu beschwichtigen, brachte man die
       Dame sogar nahezu in Sichtweite. So nah dürfte er der Angebeteten für lange
       Jahre nicht mehr kommen.
       
       ## Gefühlswallungen ohne Ventil
       
       Immerhin endete die Terrortat unblutig, was auch für Liebesterror leider
       alles andere als selbstverständlich ist. Und – eine weitere Parallele zum
       Terror herkömmlicher Spielart – meistens sind es uneinsichtige Männer,
       deren Gefühlswallungen auf brutale Weise eskalieren, da sie sich andere
       Ventile nie erarbeitet haben. Doch hier zum Glück nicht: Bereits gegen 11
       Uhr hatten die meisten Geiseln das Flugzeug verlassen, zwischen halb zwei
       und zwei Uhr nachmittags folgte auf die Freilassung der letzten
       Besatzungsmitglieder auch noch die Aufgabe des Entführers.
       
       Wie wenig ernst ganz allgemein der Liebesterror genommen wird, zeigte
       Zyperns äußerst gutgelaunter Präsident Nikos Anastasiades der auf einer von
       der BBC übertragenen Pressekonferenz auf Nachfrage hin männerbündisch
       höhöhöte, es sei „immer eine Frau ...“, und daraufhin ein merkwürdiges
       Kreiszeichen in die Luft malte. Das ist natürlich Unsinn.
       
       30 Mar 2016
       
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