# taz.de -- Arbeiter in China protestieren für Löhne: Ein Pranger für die Ausgebeuteten
       
       > Wenn Arbeiter in China ausstehende Löhne einfordern, decken Behörden oft
       > die säumigen Chefs. In einem Fall gibt es nun breite Empörung.
       
 (IMG) Bild: Verzweifelte Gewalt: Ein Arbeiter bedroht die Frau seines Vorarbeiters wegen ausstehender Löhne
       
       Peking ap | Die Behörden im Südwesten Chinas hatten sich von der
       öffentlichkeitswirksamen Aburteilung von acht protestierenden Arbeitern
       wohl einen Abschreckungseffekt versprochen. Die drei Frauen und fünf Männer
       hatten wegen ausstehender Löhne demonstriert und wurden nun unter Bewachung
       mit gesenktem Kopf [1][auf offener Straße zur Schau gestellt]. Doch das
       Vorgehen löste Kritik an den Behörden und Mitgefühl mit den Angeklagten
       aus. Und es wurden Rufe laut, die unredlichen Firmenchefs öffentlich zu
       demütigen.
       
       Der Vorfall in der Stadt Langzhong in der Provinz Sichuan wirft ein
       Schlaglicht auf die Unfähigkeit des Systems, Arbeiterrechte gegen
       Arbeitgeber mit politischen Verbindungen und eine Regierung durchzusetzen,
       für die soziale Stabilität oberste Priorität hat und die große Angst vor
       Unruhen hat. Dieses Zusammenspiel kann dann auch auf Kosten der
       Gerechtigkeit gehen. „Wo ist die Würde des Gesetzes? Wo ist das moralische
       Gewissen?“, fragt Sima Nan, ein Wissenschaftler und Sozialkritiker, der den
       chinesischen Marxismus verteidigt.
       
       Der Prozess habe Arbeiter bestraft, die für ihre Rechte eintraten, „aber
       denjenigen verziehen, die böswillig nicht gezahlt haben, ohne jedes Wort
       einer moralischen Verurteilung“, schrieb Sima auf seinem Mikroblog.
       Zahlungsrückstände bei Löhnen sind ein großes Problem für chinesische
       Arbeiter, insbesondere Wanderarbeiter in der Baubranche. Die Löhne sollen
       eigentlich ausgezahlt werden, bevor die Arbeiter zum chinesischen
       Neujahrsfest in ihre Heimatregionen reisen, doch halten sich viele
       Bauunternehmer nicht daran.
       
       Zwar fordert Peking immer wieder zur vollständigen und pünktlichen Zahlung
       der Löhne auf, doch das Problem besteht weiter. Denn die örtlichen Behörden
       kümmern sich entweder nicht darum, oder sie stecken mit den Arbeitgebern
       unter einer Decke. Proteste versuchen sie zu unterdrücken und berufen sich
       dabei häufig auf Gesetze, die Verkehrsbehinderungen oder die Störung der
       öffentlichen Ordnung verbieten. „Das ist kein unlösbares Problem, aber wenn
       Regierungsvertreter nicht gewählt werden, haben sie kein Interesse daran,
       eine Lösung zu finden“, sagt Wang Jiangsong, ein Arbeitswissenschaftler in
       Peking.
       
       ## Bus aus Protest in Brand gesetzt
       
       In einigen Fällen greifen Arbeiter zu extremen Mitteln, um auf ihre Lage
       aufmerksam zu machen. Manche blockieren Straßen und Eisenbahnverbindungen,
       treten auf Brücken in einen Sitzstreik oder greifen Behördenvertreter oder
       Mitbürger an. Ein Bauarbeiter setzte im Januar im Nordwesten Chinas in
       einem Bus zwei Plastikfässer mit Benzin in Brand, 17 Menschen kamen ums
       Leben. Medienberichten zufolge hatte er sich zwei Jahre lang bemüht,
       ausstehenden Lohn zu erhalten, seine Ehe war darüber zerbrochen. Um auf
       seine Situation aufmerksam zu machen, hatte er zuvor bereits einen Funkturm
       erklommen und sich mit Benzin überschüttet. Das brachte ihm zehn Tage
       Gefängnis ein.
       
       Die Arbeiter in Langzhong hatten sich im August vor dem Büro des Schuldners
       versammelt und später den Eingang zu einer örtlichen Touristenattraktion
       blockiert. So wollten sie Druck auf die Regierung ausüben, ihnen zu helfen.
       Als die Polizei den Eingang räumen wollte, kam es nach offizieller
       Darstellung zu Zusammenstößen und Festnahmen. Fotos der Urteilsverkündung
       am 16. März zeigen, dass Bewohner umliegender Dörfer der Veranstaltung auf
       einem öffentlichen Platz in Langzhong beiwohnen mussten. Sie versammelten
       sich hinter Schildern mit dem Namen ihres jeweiligen Dorfs, mit Blick auf
       die Bühne und die bewachten Angeklagten. Verteidiger sind nicht zu sehen.
       
       Alle acht wurden schuldig gesprochen und zu sechs bis acht Monaten Haft
       verurteilt. „Wir hoffen, dass die Massen eine Lehre daraus ziehen. Sie
       müssen rationale und legale Mittel einsetzen, um Rechte zu verteidigen“,
       wurde der Richter zitiert. Die Fotos wurden zunächst auf der Website des
       Volksgerichts von Langzhong gepostet, nach der öffentlichen Empörung aber
       wieder entfernt, obwohl über den Prozess auch im staatlichen Fernsehen
       berichtet worden war.
       
       ## „Die verwundbarsten Menschen verfolgt“
       
       Die Behörden scheinen keinen einheitlichen Plan zu haben, wie sie mit
       Arbeiterprotesten wegen ausstehender Löhne oder Massenentlassungen umgehen
       wollen. Doch mit steigender Arbeitslosigkeit im produzierenden Gewerbe,
       einer nur noch langsam wachsenden Wirtschaft und erwarteten 1,8 Millionen
       Entlassungen im Kohle- und Stahlsektor wird das Problem an Schärfe
       zunehmen. In diesem Monat demonstrierten Tausende Bergarbeiter in der
       Provinz Heilongjiang, nachdem der Gouverneur erklärt hatte, es stünden
       keine Löhne aus. Später räumte er ein, dass das nicht richtig gewesen sei.
       
       Nachdem große Internetportale über die inszenierte Urteilsverkündung in
       Langzhong berichtet hatten, ließ die öffentliche Empörung nicht lange auf
       sich warten. Doch es gibt keine Hinweise darauf, dass Behördenvertreter zur
       Verantwortung gezogen wurden. „Das Gericht hat die verwundbarste Gruppe
       Menschen verfolgt mit der klaren Absicht, andere Arbeiter davon
       abzuschrecken, ihre Löhne einzufordern“, sagt Arbeitsforscher Wang. Löhne
       nicht zu zahlen, sei verwerflich. Wenn sich die Regierung damit gemein
       mache, „ist das nicht nur illegal, sondern auch unmoralisch und macht
       zwangsläufig jeden wütend“.
       
       29 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://blogs.wsj.com/chinarealtime/2016/03/18/chinese-city-publicly-shames-migrant-workers-who-protested-unpaid-wages/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Didi Tang
       
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