# taz.de -- Alternde AKWs in Europa: Weniger Atomstrom, mehr Pannen
       
       > In Europa sinkt die Produktion von Reaktoren auf den niedrigsten Stand
       > seit 1994. Das Alter der AKWs führt zu immer mehr Pannen, das Risiko
       > steigt.
       
 (IMG) Bild: Alt, störanfällig und mit langen Ausfallzeiten: die belgische Anlage in Doel
       
       Freiburg taz | Die Stromerzeugung aus Atomkraft ist in Europa auch 2015
       weiter zurückgegangen. Nach Zahlen der Internationalen Atomenergiebehörde
       sank die produzierte Strommenge um gut zwei Prozent und damit auf den
       niedrigsten Stand seit 1994. Die Hintergründe dieser Entwicklung sind
       allerdings wenig beruhigend: Technische Probleme alternder Reaktoren und
       die daraus resultierenden Ausfallzeiten sind maßgeblich für diesen Rückgang
       verantwortlich.
       
       Das betrifft vor allem Belgien und die Schweiz, deren Atomstromerzeugung
       letztes Jahr um 23 beziehungsweise 16 Prozent niedriger lag als 2014. Aber
       auch in Schweden ist die Produktion der teils über 40 Jahre alten
       Atomanlagen um fast 13 Prozent eingebrochen. In Frankreich, wo die Hälfte
       des europäischen Atomstroms erzeugt wird, blieb die Menge trotz der
       zahlreichen alten Meiler hingegen praktisch unverändert.
       
       In der Schweiz kämpft die Atomwirtschaft vor allen Dingen am Standort
       Beznau mit Materialproblemen. Kein Wunder: Dessen Block 1 ist inzwischen
       der älteste Reaktor der Welt. Im vergangenen Jahr erzeugte er nur ein
       Fünftel des Stroms der Vorjahre und ist derzeit wegen erheblicher
       Sicherheitsrisiken abgeschaltet. Um auf den technischen Stand des
       Kraftwerks hinzuweisen, präsentiert die schweizerische Anti-Atom-Bewegung
       auf Veranstaltungen gerne einen schrottreifen „Open Beznau“, einen Pkw, der
       im selben Jahr gebaut wurde, wie der Reaktor – nämlich 1969.
       
       In Belgien, wo an den Standorten Tihange und Doel insgesamt sieben
       Reaktoren stehen, sind die technischen Probleme ebenfalls offenkundig. Dort
       hatte es in den vergangenen Monaten eine ständige Achterbahnfahrt zwischen
       Wiederinbetriebnahme und störfallbedingter Abschaltung gegeben. Die
       Städteregion Aachen klagt bereits vor dem höchsten belgischen
       Verwaltungsgericht gegen die Meiler in Tihange.
       
       Die Probleme mit den Altanlagen überraschen nicht. „Die Erfahrung zeigt,
       dass sich bei 40 Betriebsjahren und mehr eine drastische Erhöhung von
       Ausfällen zeigt“, schrieb bereits 2014 der ehemalige technische Leiter der
       deutschen Atomaufsicht, Dieter Majer. Große Teile des europäischen
       Reaktorparks haben dieses Alter inzwischen überschritten. Sie seien, so der
       Ingenieur, selbst mit aufwendigen Nachrüstungen nicht auf den heutigen
       Stand von Wissenschaft und Technik zu bringen.
       
       Unterdessen prognostiziert die EU-Kommission, dass bis 2050 in Europa
       Investitionen in Höhe von 450 bis 500 Milliarden Euro notwendig seien,
       wollte man die Atomkraft in bisherigem Stil weiter nutzen. Für die
       Betreiber ist das jedoch in der Regel nicht rentabel, und so haben nun
       einige von ihnen angekündigt, Reaktoren abzuschalten – allerdings erst in
       einigen Jahren, womit das Sicherheitsrisiko der Anlagen vorerst noch weiter
       zunehmen dürfte.
       
       Offenkundig ist, dass die Bedeutung der Atomkraft im europäischen Strommix
       auch in den nächsten Jahren weiter abnehmen wird. Und nicht nur in der EU,
       wo im Jahr 2015 bereits 15 Prozent weniger Atomstrom erzeugt wurde als im
       Spitzenjahr 2004, hat die Atomkraft ihren Zenit überschritten: In den
       Industrieländern der OECD lag die Atomstromerzeugung im Jahr 2015 um 17
       Prozent unter dem Höchstwert von 2004.
       
       29 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) AKW
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) AKW
 (DIR) AKW
 (DIR) Atomkraftwerk
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Schweizer Atomausstieg: Standhaft geblieben
       
       Die Schweizer vertrauten eher nüchternen Argumenten als einfältigem
       Alarmismus. Der Volksentscheid gegen neue AKWs ist ein doppelter Gewinn.
       
 (DIR) AKWs in Brunsbüttel und Krümmel: Erneute Pannen
       
       Ein rostiges Abwasserrohr in Brunsbüttel, eine defekte Löschwasseranlage in
       Krümmel: Die stillgelegten AKWs mussten der Atomaufsicht wieder Pannen
       melden.
       
 (DIR) Referendum ohne Mehrheit: Kein schneller Schweizer Atomausstieg
       
       Entgegen den Umfragen stimmen 55 Prozent gegen eine frühere
       AKW-Abschaltung. Deutliche Unterschiede gibt es zwischen den Landesteilen.
       
 (DIR) Volksabstimmung in der Schweiz: Keine Meiler, aber mehr Jobs
       
       Am Sonntag stimmen die Eidgenossen über die schrittweise Abschaltung ihrer
       AKWs bis zum Jahr 2029 ab. Die Regierung hat es nicht so eilig.
       
 (DIR) Atomkraft in der Schweiz: Abstimmung über alpine AKWs
       
       Die Schweizer entscheiden bei einem Volksentscheid über die Zukunft der
       Atomkraft. Die Betreiber wollen Kosten abwälzen.
       
 (DIR) Belgischer Reaktor Doel 3: Wieder am Netz
       
       Wegen Auffälligkeiten war der umstrittene Reaktor Doel 3 bei Antwerpen am
       Donnerstag heruntergefahren worden. Jetzt ist er wieder in Betrieb.
       
 (DIR) Belgischer Reaktor Doel 3 runtergefahren: „Auffälligkeit“ im AKW
       
       Teile des maroden AKWs Doel wurden runtergefahren – mal wieder. Derweil
       fordert Berlin die belgische Regierung erneut auf, das Atomkraftwerk
       stillzulegen.
       
 (DIR) Bitte um AKW-Abschaltung in Belgien: Störfall zwischen Nachbarn
       
       Umweltministerin Hendricks fordert, die Pannenmeiler Tihange und Doel vom
       Netz zu nehmen. Brüssel lehnt die Forderung ab.
       
 (DIR) Sicherheit in AKWs: Gefälschte Protokolle auch in Biblis
       
       Prüfungen, die nie stattgefunden haben – das gab es nicht nur im AKW
       Philippsburg. Nun gerät auch der Einsatz von Fremdfirmen in die Kritik.
       
 (DIR) Atomkraftwerke in der Ukraine: Angst vor einem neuen Tschernobyl
       
       Die Ukraine will ihre AKWs künftig aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig
       hoch- und runterfahren. Das halten sogar die Betreiber für gefährlich.
       
 (DIR) Atomexperte über Terroranschläge: „AKW-Sabotage ist nicht schwer“
       
       Mycle Schneider hält einen atomaren Terroranschlag für absolut denkbar. Er
       warnt vor Sicherheitsmängeln, vor allem bei der Lagerung von
       Brennelementen.
       
 (DIR) Sicherheitsrisiko Atomanlagen: Angst vor der radioaktiven IS-Bombe
       
       Belgische Nuklearanlagen könnten im Visier radikaler Islamisten sein. Ziel:
       Anschlag, Sabotage, Beschaffung von Material für einen Sprengsatz.