# taz.de -- CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner: Ausgerutschte Mundwinkel
       
       > Sie ist energisch und schreibt SMS mit Merkel. Julia Klöckner wird Großes
       > zugetraut. Als Kandidatin in Rheinland-Pfalz aber läuft es nicht rund.
       
 (IMG) Bild: Kanzlerin Merkel setzt sich für Klöckner ein.
       
       Kaiserslautern taz | Dietmar Bartsch mag Julia Klöckner. Moment. Der
       Linken-Fraktionschef mag die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz? Der
       norddeutsche Sachpolitiker mag die „Einfach mal die Klappe halten“-Frau?
       Wie geht das?
       
       Dietmar Bartsch kennt Julia Klöckner aus gemeinsamen Bundestagszeiten.
       Beide trafen sich in Talkshows. Dann, an einem Augustabend, saßen sie bei
       einer Preisverleihung in der Schweiz an einem Tisch, mit ihren Partnern und
       Wein. Sie stritten über die EU-Krise und es machte Spaß, sagt Bartsch
       heute. „Eine überzeugte Konservative ist mir lieber als diejenigen, die
       dreimal weichgespült sind.“
       
       Heute ist Julia Klöckner Spitzenkandidatin im rheinland-pfälzischen
       Wahlkampf – und Hoffnungsträgerin der CDU. Sie ist jung, frech, offensiv.
       Mit Angela Merkel schreibt sie SMS, bei Helmut Kohl isst sie Kuchen.
       Gekonnt diktiert Klöckner auch die bundesweite Agenda.
       Integrationsvereinbarung, nationale Strategien in der Flüchtlingspolitik,
       Plan A2 mit „flexiblen Tageskontingenten“ statt einer Obergrenze. Ihre
       Partei ist sich sicher: Klöckner hat Kanzlerinpotenzial.
       
       Das muss sie auch, denn an Klöckner misst sich, ob die Union es noch kann,
       seit der Nachwuchs abhanden gekommen ist. Stefan Mappus: abgewählt. Karl
       Theodor zu Guttenberg: zurückgetreten. David McAllister: in Brüssel
       versenkt. Nun also soll es Julia Klöckner richten. Und selbst ein Linker
       lobt sie. Aber wer länger mit Dietmar Bartsch spricht, wird auch diese
       Sätze hören: „Warum sie Ministerpräsidentin werden will? Das ist mir nicht
       klar.“
       
       ## Wahlkampf findet sie „super“
       
       Es ist noch nicht Mittag an diesem Februartag und Julia Klöckner ist schon
       spät dran. Sie tut alles, was ein Wahlkampfberater Kandidaten heute so rät.
       Klöckner twittert, hält virtuelle Sprechstunden auf Facebook ab, ließ ihr
       Konterfei auf ihren Wahlkampfbus kleben, riesengroß vom Dach bis zu den
       Rädern.
       
       Daneben stehen Wahlkampfauftritte. 92 Stück in sechs Wochen. Nummer 15 ist
       gerade vorbei, eine Diskussionsrunde im Fraunhofer-Institut in
       Kaiserslautern. Jetzt steuert der Busfahrer eilig zu Nummer 16. Dort warten
       ihre Wähler im Pfarrheim St. Maria vor leeren Weißwursthäuten.
       
       Wahlkampf findet sie „super“, sagt Klöckner im Bus sitzend. Der Bus sei es
       übrigens auch. „Da fühlt man sich fast wie die Rolling Stones, nur jünger.“
       Und weil sie den Witz so gelungen findet, wiederholt Klöckner ihn später in
       ihren Reden gleich mehrmals.
       
       Julia Klöckner gibt sich als nahbare Volksvertreterin, die einem Studenten
       schon mal rät, ihr Vorschläge für die Bildungspolitik zu schicken. „Wenn
       Sie was haben, dann geben Sie mir das.“ Klöckner sagt: „mir“. Nicht „meinem
       Team“ oder „der Partei“. Und trotzdem: Laut einer Umfrage von
       Infratest-Dimap würden 50 Prozent SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer
       wieder wählen, dürften sie direkt für eine Kandidatin stimmen. Der
       Vorsprung, den Klöckners CDU lange vor der SPD hielt, er ist inzwischen
       eingeebnet.
       
       ## Jemanden, an dem die alten Geschichten nicht haften
       
       Klöckners politische Karriere beginnt mit einem Prinzen. Es ist das Jahr
       1997. Der Adelige Michael zu Salm-Salm ist erfolgloser Bundestagskandidat
       der CDU, Klöckner ist Kind einer Winzerfamilie, Weinkönigin und
       Chefredakteurin eines Weinmagazins. Sie interviewt ihn, er ist von ihrer
       Hartnäckigkeit angetan. Ob sie an seiner statt für den Bundestag
       kandidieren möchte, fragt zu Salm-Salm Klöckner später, versucht es dann
       aber noch einmal selbst. 2002 nimmt Klöckner sein Angebot an. Über das
       Frauenquorum der Partei bekommt sie den sicheren Listenplatz sechs und
       zieht in den Bundestag ein. Sie ist nun Politikerin.
       
       2009 ist die Partei wieder auf der Suche nach rettenden Neulingen. Der
       Landesverband Rheinland-Pfalz ist nach einer Finanzaffäre verschuldet,
       zerstritten und noch nicht über den früheren Fraktionsgeschäftsführer
       hinweg, der mit der Kreditkarte der Partei ins Bordell gegangen war.
       Christian Baldauf hat die Partei als Landesvorsitzender konsolidiert, ahnt
       aber, dass das nicht reicht, um SPD-Ministerpräsident Kurt Beck aus dem Amt
       zu treiben. Er sucht jemanden, an dem die alten Geschichten nicht haften –
       und findet Klöckner. Baldauf bietet ihr die Spitzenkandidatur für die
       Landtagswahl 2011 an. Klöckner zögert. Dann sagt sie, nach der
       erfolgreichen Bundestagswahl im gleichen Jahr, zu.
       
       Der Verbandsvorstand schmiedet darauf einen Plan: Klöckner braucht ein Amt.
       Sie wird parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium in
       Berlin und CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz. Sogar die Kanzlerin
       hatte sich für Klöckner eingesetzt.
       
       ## „Die Julia“
       
       Es sind stets Gelegenheiten, die Klöckner ergreift. Und die Partei
       protegiert sie. Hat Klöckner es doch geschafft, die SPD, die seit einem
       Vierteljahrhundert Rheinland-Pfalz regiert, wieder ernst zu nehmend
       herauszufordern. Nur 8.000 Stimmen lag Klöckner 2011 hinter Beck. Das hat
       ihren Landesverband so in Hochstimmung versetzt, dass er an einen Sieg bei
       der jetzigen Wahl glaubt.
       
       Die Partei „lechzt“ nach diesem Erfolg, sagt Klöckners Vorgänger Christian
       Baldauf.
       
       „Wenn Klöckner sich für etwas einsetzt, wirkt das, als könne sie nicht
       anders“, sagt Ilse Aigner.
       
       „Sie hat politischen Instinkt“, heißt es aus der Partei.
       
       Wer nach Julia Klöckner fragt, hört die Attribute „humorvoll“, „engagiert“.
       Und immer wieder: „die Julia“. Aus Julia Klöckner wird „die Julia“ der
       Partei. Aus ihrem Wahlkampf wurde die Kampagne „Wir für Julia“. Sie will
       per Du sein mit den Bürgern. Sie stellt dafür aber Bedingungen.
       
       Tage vor ihrer Bustour um Kaiserslautern schreibt die taz über ihr
       Wahlprogramm. Klöckners Kommunikationsdirektor ruft darauf in der Redaktion
       an, sagt, sie fühle sich falsch dargestellt und von einer Bildunterschrift
       verunglimpft. Er zweifelt, ob die taz Klöckner im Wahlkampfbus begleiten
       dürfe. Das klappt schließlich doch, aber der Eindruck bleibt: „Unsere
       Julia“ ist nur die Julia derjenigen, die ihr zujubeln.
       
       Deshalb bleibt sie auch schwierige Antworten schuldig. Warum streitet sie
       für ein Verbot der Burka, obwohl sie in Deutschland so selten getragen
       wird? Wieso verbreitet sie das Märchen, wonach das „Schreiben nach Gehör“
       rechtschreibschwache Kinder produziere? Die Gewerkschaft für Erziehung und
       Wissenschaft intervenierte: Die anerkannte Methode werde ganz anders
       angewandt, als von Klöckner behauptet.
       
       ## Die neunte Stunde Wahlkampf
       
       Termin 18 für Klöckner, in Worms. Es ist die neunte Stunde Wahlkampf an
       diesem Tag. Vier Mal hat Klöckner ihre Rede schon gehalten, vier
       Blumensträuße in den Farben der Partei entgegengenommen. Nun sagt ein
       Besucher, er sei ein noch unentschlossener Wähler. Er hat eine Sachfrage:
       Wie sie das meine, Familien wüssten am besten, was für ihre Kinder gut ist?
       Wie sei das denn bei Kindern aus bildungsfernen Schichten, „ist da mehr
       Staat nicht vielleicht doch besser?“ Klöckners Mundwinkel rutschen aus.
       
       „Wer ist denn der Staat?“, fragt Klöckner zurück. „Ich weiß nicht, ob der
       Staat alles besser weiß.“ Und weil das keine Antwort auf eine berechtigte
       Frage ist, schiebt sie ausgedachte Zahlen hinterher: Das seien ja nur drei
       Prozent der Familien, dafür könne man ja nicht 97 Prozent in ihrer freien
       Fürsorge einschränken. Dann lenkt sie vom Thema ab. Eine Schülerband spielt
       schließlich die Nationalhymne und Klöckner muss weg.
       
       12 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Schmidt
       
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