# taz.de -- Tischtennis-WM in Malaysia: Schlagkräftige Chemikalien
       
       > Die Deutschen treten in Malaysia nicht in Bestbesetzung an. Mehr Sorgen
       > bereiten ihnen unterdessen die getunten Schläger der Chinesen.
       
 (IMG) Bild: Ungewohnt angriffslustig: Timo Boll – hier bei einem Turnier in Berlin – prangert den Versuch der Chinesen an, sich Vorteile zu verschaffen.
       
       „Olympia ist wichtiger als die Team-WM“, betont Timo Boll. Folgerichtig hat
       er seine „gute Vorbereitung“ auf die am Sonntag in Kuala Lumpur beginnende
       Weltmeisterschaft „mit Blick auf Rio geopfert“. Bei den Olympischen Spielen
       in Brasilien sind die Erfolgsaussichten für die deutschen Tischtennisprofis
       nicht nur deshalb besser. Neben einem dann wiedererstarkten Boll, der
       zuletzt lange wegen einer Knieverletzung pausieren musste, kann man auch
       darauf setzen, dass im Einzel in Rio de Janerio nur zwei Chinesen
       startberechtigt sind.
       
       Vor der Team-WM ist aus Bolls Sicht nun die Hiobsbotschaft unerfreulich,
       dass Dimitrij Ovtcharov passen muss. Der Einzel-Europameister leidet an
       einer Rückenmuskelzerrung mit Nervenreizung. „In den nächsten drei Wochen
       absolviere ich ein intensives Reha-Programm in der Hoffnung, danach wieder
       voll belastbar zu sein“, verkündet Ovtcharov und gesteht, „das ist einer
       der härtesten Momente für mich in meiner Sportlerkarriere. Nach drei
       Vizeweltmeisterschaften in Folge sind es die ersten Welttitelkämpfe, die
       ich absagen muss.“
       
       Der olympische Bronzenmedaillengewinner möchte in Rio seinen Erfolg
       schließlich toppen. „Auch wenn es natürlich sehr traurig für die Mannschaft
       und für mich selbst ist, möchte ich meinen Olympia-Start auf keinen Fall
       gefährden“, betont der 27-Jährige.
       
       Ohne den „Führungsspieler“ sieht Jörg Roßkopf sein Team „schon in der
       Gruppe stärker gefordert“. Aber trotz des prominenten Ausfalls hält der
       stets optimistische Bundestrainer das nächste WM-Finale dennoch „im
       Optimalfall“ für erreichbar.
       
       Während Siege über Südkorea oder Japan mit einem herausragenden Boll
       möglich scheinen, ist aber wohl spätestens im Endspiel am 6. März die
       nächste Schlappe gegen China vorprogrammiert. Die Übermacht aus dem Reich
       der Mitte will schließlich in Kuala Lumpur eine Schmach tilgen. Diese hatte
       ihnen dort anno 2000 die alten Schweden zugefügt. Das Team um Jan-Ove
       Waldner, den „Mozart des Tischtennis“, entriss den Chinesen den letzten
       großen Mannschafts-Titel. Mit 50 hat sich Waldner vor Kurzem erst in den
       Ruhestand verabschiedet.
       
       ## Ein Verbot wird angestrebt
       
       Positives könnte sich für den Serien-Vizeweltmeister in Malaysia selbst bei
       einem frühen Aus ergeben: „Schlägerdoping“ könnte auf längere Sicht hin
       verboten werden! Den Stein ins Rollen brachte ausgerechnet der sonst so
       vorsichtige Timo Boll.
       
       Dass der ehemalige Weltranglistenerste sich gegenüber den Asiaten eklatant
       im Nachteil wähnt, machte der 34-Jährige nachdrücklich deutlich: Im
       Interview mit der FAZ beklagte er, dass die Chinesen nicht nur bei ihren
       Belägen auf dem Holz „extreme Vorteile“ besäßen, sondern erhob den Vorwurf,
       mit einem Chemikaliencocktail erziele der chinesische Gummi besondere
       Wirkung. „Meine Beläge kann dagegen jeder im Laden kaufen“, betont Boll.
       
       Plastisch erzählt er von Erlebnissen während eines Gastspiels in der
       chinesischen Super-Liga: Boll tauschte mehrmals die Schläger mit
       Trainingspartnern – „wenn die dann mit meinem Schläger einen Topspin zogen,
       fiel der Ball noch in der eigenen Plattenhälfte runter“, verweist er auf
       den bei ihm fehlenden extremen Katapulteffekt. Weil die Behandlung der
       Beläge bisher nicht sanktioniert wurde, gingen die Chinesen offen damit um.
       Der zurückgetretene Exweltmeister Wang Hao zeigte sogar im Fernsehen, wie
       Schlägerdoping genau funktioniert.
       
       ## Kommission soll Bericht vorlegen
       
       Der Weltverband ITTF reagierte nun auf Bolls harsche Kritik. Der deutsche
       Präsident Thomas Weikert berief eine Kommission ein, die in Malaysia die
       Ergebnisse vorlegen soll. Die FAZ berichtete, der Regensburger
       Chemieprofessor Hubert Motschmann habe ein bezahlbares Gerät für 20.000
       Euro entwickelt, das binnen drei Minuten nachweist, ob der Gummibelag mit
       einem sogenannten Booster getunt wurde.
       
       „Ich kann nur hoffen, dass die ITTF eine Lösung findet bei der
       Kontrollmethode. Wären dann die Strafen bei einem Verstoß streng genug,
       würde es wohl keiner mehr wagen, gegen die Regeln zu verstoßen“, glaubt
       Boll und ergänzt: „An sich ist Tischtennis ein sehr fairer Sport. Es ist
       aber auch fast normal, dass Sportler die Grenzen ausreizen.“
       
       Ovtcharov sieht sich „bei all diesen Themen auf einer Wellenlänge“ mit dem
       Rekord-Europameister und erwartet, „dass sich die Gremien Gedanken dazu
       machen, wie man die Situation verbessert“. An ein Ende der chinesischen
       Dominanz glaubt Boll durch eine Regeländerung allerdings kaum. „Aber manche
       Schläge hätten dann nicht mehr die Qualität, die sie im Moment haben“ – und
       dann könnten die Deutschen in Rio vielleicht doch mal einen schlagen.
       
       Bei der Weltmeisterschaft in Malaysia indes können die Chinesen noch nach
       Belieben die Beläge ihrer Schläger zusammenkleben.
       
       28 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut Metz
       
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