# taz.de -- Die Wahrheit: Launen der Natur
       
       > Biologie und Komik: Die lustige Welt der Tiere und ihre ernsten
       > Erforscher, die das Tierreich auch schon mal mit mit BWL-Begriffen
       > durchdeklinieren.
       
 (IMG) Bild: Der kleinste Primat der Welt guckt komisch aus der Tarsier-Wäsche
       
       „Die lustige Welt der Tiere“ war ein erfolgreicher Dokumentarfilm über
       Tiere in der Kalahari- und der Namibwüste vom südafrikanischen Filmemacher
       Jamie Uys, der anschließend in der Kalahari den ebenso lustigen Ethnofilm
       „Die Götter müssen verrückt sein“ drehte.
       
       Beides sind Genres, die fast immer ernst, mindestens nachdenklich stimmen
       sollen. Zumal die Tierfilme wie die Ethnofilme stets damit enden, dass
       gesagt wird, die Protagonisten seien sämtlichst vom Aussterben bedroht, die
       Letzten ihrer Art quasi. Der Sohn einer Freundin klagte, als er noch klein
       war, nach jedem Tierfilm weinend: „Ich möchte kein Mensch mehr sein.“
       
       Auch Deutschlands bekanntester Naturforscher Josef Reichholf versteht sein
       ökologisches Wirken in Wort und Tat als moralische Aufrüstung und
       Sensibilisierung: „Die Menschen brauchen schlechtes Gewissen.“ Er fühlt
       sich selbst mit seiner „Lebensweise“ schuld – als ein in München lebender
       und viel reisender Professor, der demnächst sein 30. Buch veröffentlicht.
       
       Dennoch scheint auch er wenig Hoffnungen zu haben: „Vielleicht geht sie ja
       rechtzeitig vorüber, die Zeit des Menschen, bevor allzu viel Natur
       vernichtet ist. Dann erholt sie sich wieder. Leider haben wir, habe ich
       nichts mehr davon.“
       
       ## Weidetiere als Hoffnungsträger
       
       Ähnlich äußerte sich die Tierbefreierin und Schriftstellerin Karen Duve
       kürzlich in ihrem Endzeit-Essay „Warum die Sache schiefgeht“: Am Schluss
       ihrer pessimistischen Weltbetrachtung schöpfte sie nur noch daraus
       Hoffnung, dass nach dem Untergang der Menschheit eine andere Spezies
       hochkommt: „Großäugige, intelligente Weidetiere. Es kann doch eigentlich
       nur besser werden.“
       
       Das Lustige an den Tieren entdecken meist nur Leute, die sie sich
       anschaffen, um sich an ihnen zu erfreuen. Wir zum Beispiel hatten zu Hause
       so viele „Pets“, dass meine Mutter ganze Abendrunden mit lustigen
       Tiergeschichten unterhalten konnte. Den professionellen Tierforschern
       dagegen, die keine Kosten und Mühen scheuen, um statt bloße Anekdoten
       „objektive Daten“ über bestimmte Tiere zu sammeln, ging und geht es um
       „artspezifische Reaktionen“ (Instinkte, genetische Fixierungen,
       Hormonhaushalte).
       
       In der darwinistisch-utilitarischen Verhaltensforschung wird zudem ständig
       nach dem Nutzen gefragt. So schreibt der amerikanische Rabenforscher Bernd
       Heinrich: „Sowohl Sender [Nestjunge] als auch Empfänger [Elternpaar] haben
       Nutzen von der Kommunikation. Aber Kosten und Nutzen der Beteiligten können
       schwanken, und die Evolution verfolgt bei allen Beteiligten das Ziel, die
       Kosten zu minimieren.“
       
       Auch Josef Reichholf macht bei seinen Naturbeobachtungen gern
       Kosten-Nutzen-Rechnungen auf. Der „erzeugte Überschuss“ – Nachkommen – ist
       für ihn „die eigentliche ‚Währung der Evolution‘ “. Und wenn etwa junge
       Katzen ständig spielen oder Dohlen sich gern als Luftakrobaten betätigen –
       ist auch das äußerst nützlich: als „notwendiges Lernen“, um fit für den
       „Struggle of Life“ zu sein. Heute wird der „Nutzen“ im Übrigen gern
       objektiviert und mathematisiert, das heißt in Energiemengen (Kosten)
       gemessen: „What comes out must come in!“ Input-Output, dazwischen befindet
       sich eine Blackbox: Sei es eine Pflanze oder ein Tier oder alle zusammen
       ein „Ökosystem“, in dem „Nischen“ besetzt werden.
       
       ## Kapitalistischer Gesellschaftsroman
       
       Im Grunde stimmen die meisten Biologen mit der Heidelberger Genetikerin und
       Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard überein, „dass die Natur in
       gewisser Weise kapitalistisch funktioniert“. Bei dem israelischen
       Ornithologen Amotz Zahavi ist daraus ein ganzer kapitalistischer
       Gesellschaftsroman geworden. Er hat Lärmdrosseln (“Arabian Babbler“)
       erforscht. Bei ihnen bekommen Paare von unverpaarten Artgenossen „Hilfe
       beim Nestbau und Füttern der Jungen“. Diesen schon fast klassischen Fall
       von Kooperation – neuerdings: Altruismus genannt – deutet er in „ein
       selbstsüchtiges Verhalten“ um, indem er es mit BWL-Begriffen
       durchdekliniert: „Die Individuen wetteifern untereinander darum, in die
       Gruppeninteressen zu investieren ... Ranghöhere halten rangniedere Tiere
       oft davon ab, der Gruppe zu helfen.“
       
       Es ist von „Werbung“, „Qualität des Investors“, „Motivationen“ die Rede.
       Zuletzt führt Zahavi das Helfenwollen der Vögel quasi mikronietzscheanisch
       auf ein egoistisches Gen zurück, indem die „individuelle Selektion“ bei den
       Lärmdrosseln eben „Einmischung und Wettstreit um Gelegenheiten zum Helfen“
       begünstige, der berühmte Darwin’sche „Selektionsmechanismus“ aber ansonsten
       erhalten bleibe.
       
       „Die lustige Welt der Tiere“ kam 1974 zu früh, erst jetzt könnte sie in der
       „Spaßgesellschaft“ einen zoologischen Paradigmenwechsel einleiten. Beim
       Thema „Spiele“ ist der Ornithologe Bernd Heinrich bereits unsicher
       geworden: „Manchmal führen Raben scheinbar sinnlose kleine Handlungen aus,
       bei denen ich mich frage, ob sie wirklich einem blinden genetischen
       Programm folgen oder ob sie nicht doch unter dem Einfluss von Denken oder
       gelegentlichen Launen handeln.“
       
       15 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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