# taz.de -- Angriffe auf Juden in Frankreich: Ohne Kippa oder doch mit?
       
       > Nach einem islamistischen Mordanschlag in Marseille debattieren jüdische
       > Gemeinden in Frankreich über eine angemessene Reaktion.
       
 (IMG) Bild: Ein schwerbewaffneter französischer Soldat vor der jüdischen Schule im 9. Bezirk Marseilles
       
       Paris taz | Der Vorsitzende des Konsistoriums der Juden von Marseille, Zvi
       Ammar, empfiehlt seinen Glaubensbrüdern dringend, in der Öffentlichkeit
       vorsichtshalber keine Kippa zu tragen. Der Präsident empfahl allenfalls das
       flache Käppchen anzulegen, das leicht mit einer Mütze oder einem Hut zu
       verdecken sei. Ammar räumte allerdings ein, es bereite ihm
       „Bauchschmerzen“, einen solchen Rat geben zu müssen. Doch das Leben sei
       „heiliger“ als irgendwelche Symbole.
       
       Frankreichs Oberrabbiner Haïm Korsia sieht darin eine verständliche
       emotionale Reaktion, widersprach aber gleichzeitig: „Wir dürfen nicht klein
       beigeben, wir werden auch weiterhin die Kippa tragen.“ Der Präsident der
       jüdischen Spitzenverbandes Crif, Roger Cukierman, sagte, die Empfehlung von
       Marseille sei „sicher keine gute Idee“. Damit werde eine Haltung von
       Aufgabe und Verzicht transportiert.
       
       Am Montag war ein 35-jähriger Lehrer, der wie üblich auf dem Kopf eine
       Kippa trug, auf dem Weg zur jüdischen Privatschule La Source von einem
       Jugendlichen mit einer Machete angegriffen und verletzt worden.
       
       Dass er bei dieser brutalen Attacke nicht getötet wurde, hat er seine er
       heiligen Schrift zu verdanken, mit dem dicken Buch konnte er die meisten
       Machetenhiebe mit einem Schild abwehren. Der erst 15-jährige Täter, laut
       Polizeiangaben ein türkischer Kurde, wurde wenig später auf der Flucht
       gestellt und festgenommen.
       
       Er hatte seine Tatwaffe liegen gelassen, trug aber bei der Festnahme ein
       zweites Messer, mit dem er laut eigenen Aussagen „Polizisten töten“ wollte.
       Er bezeichnet sich als Dschihadist, der „im Namen Allahs“ und für die
       Organisation „Islamischer Staat“ agiere.
       
       Zu seinen antisemitischen Motiven bestehen keine Zweifel: Im Verhör hat er
       erklärt, er bereue bloß, dass es ihm nicht gelungen sei, den jüdischen
       Lehrer zu töten. Ein Untersuchungsrichter errmittelt jetzt wegen
       Mordversuchs im Zusammenhang mit der Religionszugehörigkeit sowie mit einer
       Terrortat.
       
       Schon im November war in Marseille ein Lehrer einer jüdischen Schule bei
       einer ähnlichen Attacke verletzt worden. Die Zahl der Übergriffe gegen
       Juden war im vergangenen Jahr in Frankreich erneut drastisch gestiegen.
       
       14 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Juden
 (DIR) Jüdische Gemeinde
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Paris
 (DIR) Charlie Hebdo
 (DIR) Paris
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Antisemitismuskonferenz in Berlin: Fehlender Algorithmus
       
       Parlamentarier aus der ganzen Welt diskutieren im Bundestag über Judenhass.
       Ein britischer Abgeordneter lobt Merkels „Mut“.
       
 (DIR) Rücktritt der Justizministerin in Paris: Die linke Integrationsfigur gibt auf
       
       Der Abgang von Christiane Taubira ist eine deutliche Kritik am autoritären
       Politikstil von Präsident Hollande. Das rechte Lager bejubelt ihren
       Schritt.
       
 (DIR) Angriff auf Polizeiwache in Paris: Angreifer erschossen
       
       Polizisten haben in Paris einen Mann mit Messer und Sprengstoff-Attrappe
       erschossen. Unklar ist, wer der Mann war und was er wollte.
       
 (DIR) Gedenken in Frankreich: „Charlie Hebdo“ zum ersten Jahrestag
       
       Der neue Titel des Satiremagazins sorgt für Furore, eine Gedenktafel wird
       am Tatort enthüllt und eine Witwe stellt Strafanzeige gegen die Behörden.
       
 (DIR) Nach den Anschlägen in Paris: Reine Staatswillkür
       
       In Frankreich gilt der Ausnahmezustand – mit einer fragwürdigen Bilanz.
       Jetzt will die Regierung ihn in der Verfassung verankern. Das ist
       alarmierend.
       
 (DIR) Zweiter Wahldurchgang in Frankreich: Le Pen geht leer aus
       
       Der Front National hat doch keine Region erobern können. Die WählerInnen
       der Sozialisten haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
       
 (DIR) Frankreich verlängert den Notstand: Tausche Freiheit gegen Sicherheit
       
       Verdächtige sollen leichter unter Hausarrest gestellt werden können. Zudem
       soll es möglich sein, als gefährlich eingestufte Gruppen aufzulösen.