# taz.de -- Mitte stockt Willkommensklassen auf: Zwei gehen noch rein
       
       > Eigentlich sollen nicht mehr als zwölf Flüchtlingskinder in einer
       > Deutschlerngruppe unterrichtet werden. Diese Vorgabe ist in einigen
       > Bezirken nicht mehr zu halten.
       
 (IMG) Bild: Wie viele Finger sind in der Luft? In den Willkommensklassen sollten es eigentlich nicht mehr als zwölf sein.
       
       Die Richtline des Senats, maximal zwölf Flüchtlingskinder in den
       sogenannten Willkommensklassen unterzubringen, ist offenbar nicht mehr
       überall zu halten. Laut Gewerkschaftsangaben haben einige Bezirke
       angesichts steigender Flüchtlingszahlen Probleme, ausreichend Schulraum für
       die benötigten Willkommensklassen aufzutun. Die Gewerkschaft Erziehung und
       Wissenschaft (GEW) nannte am Mittwoch konkret die Bezirke Mitte, Pankow und
       Steglitz-Zehlendorf. Dort plane man, künftig bis zu 17 Kinder in einer
       Deutschlerngruppe zu unterrichten. Laut Richtlinie der Senatsverwaltung für
       Bildung sollen es maximal bis zu zwölf Kinder sein.
       
       Eine Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dementierte am
       Mittwoch zwar eine grundsätzliche Aufstockung der Schülerzahlen. Nach einer
       gemeinsamen Planungskonferenz mit den bezirklichen Schulämtern habe man zum
       Stichtag 1. Dezember rund 1.300 freie Plätze ermittelt, die „vorbereitet“
       zur Verfügung stünden. Derzeit lernen über 6.000 SchülerInnen in rund 600
       Sprachlerngruppen Deutsch, um dann möglichst schnell in die regulären
       Klassen integriert werden zu können.
       
       Allerdings gibt auch die Senatsbildungsverwaltung zu, dass es durchaus
       Unterschiede in den Bezirken gebe. So sind in Pankow laut Senatsverwaltung
       die Willkommensklassen mit durchschnittlich 12,1 SchülerInnen voll
       ausgelastet. Daher würden dort derzeit „kurzfristig“ bis zu 14 SchülerInnen
       in einer Lerngruppe untergebracht. In Mitte gebe es zudem derzeit sechs
       Klassen die „überbelegt“ seien.
       
       Die Überbelegung sei allerdings nur „vorübergehend“, heißt es aus der
       Verwaltung von Senatorin Scheeres. In beiden Bezirken seien „ausreichend
       weitere Willkommensklassen“ bereits vorgesehen“. Nun müsse „die Umsetzung
       dieser Planung“ eben möglichst schnell erfolgen, so die Sprecherin weiter.
       
       ## Mitte verordnet sich „Öffnungsklausel“
       
       Aus dem Schulamt Mitte heißt es indes, man wolle auch künftig bewusst
       „überbelegen“. Man habe kürzlich noch mal „raumscharf“ geprüft, wie
       Schulstadträtin Sabine Smentek (SPD) am Mittwoch auf taz-Nachfrage sagt.
       Ergebnis: Es ist nicht mehr genügend Raum da, um die Zwölf-Kinder-Richtline
       des Senats zu halten. Man arbeite nun mit einer „Öffnungklausel“ und plane,
       fortan bis zu 14 Kinder in einer Lerngruppe zu unterrichten.
       
       „Das hält unsere verantwortliche Schulaufsicht pädagogisch noch für
       vertretbar“, sagt Smentek. Es werde aber immer im Einzelfall geprüft,
       betont die Schulstadträtin. „Bei Alphabetisierungsklassen werden wir die
       Klassenstärke zum Beispiel ganz sicher nicht erhöhen.“
       
       Man wolle so „auf jeden Fall verhindern, dass Flüchtlingskinder direkt in
       den Gemeinschaftsunterkünften unterrichtet werden müssen. Dann stocken wir
       lieber die Klassen auf“. Bisher gibt es eine solche „Heimschule“ in
       Lichtenberg. Zuletzt stießen Überlegungen der Bildungssenatorin,
       Flüchtlingskinder in der geplanten Massenunterkunft auf dem ehemaligen
       Flughafen Tempelhof direkt in den Hangars zu beschulen, auf heftige Kritik
       von BildungsexpertInnen und der grünen wie linken Opposition.
       
       ## Schulpsychologen fehlen
       
       Eine Aufstockung der Schülerzahlen dürfte indes eine zusätzliche Belastung
       für die WillkommenslehrerInnen sein, die zwar meist über die Qualifikation
       „Deutsch als Fremdsprache“ verfügen – aber oft keinerlei Erfahrung mit
       traumatisieren SchülerInnen haben. „Wenn mir die Kinder Bilder von ihrem
       zerstörten Elternhaus zeigen, fühle ich mich überfordert“, sagt etwa Gülten
       Alagöz, Leiterin einer Willkommensklasse an der Friedenauer
       Gemeinschaftsschule in Schöneberg. „Wir haben zwar eine Schulpsychologin,
       aber die ist für die ganze Schule zuständig.“
       
       Die Gewerkschaft GEW fordert nun kurzfristig mehr Stunden für
       Integrationsfachkräfte an den Schulen, um die Arbeit der Schulpsychologen
       zu ergänzen oder bessere Kooperationen etwa mit Angeboten der Jugendhilfe
       zu schaffen. Langfristig könne man aber das Raumproblem nicht durch
       Aufstockung der Klassenstärke lösen: Laut den Planungen der Bezirke gebe es
       in den nächsten 15 Jahren rund 80 Schulen zu wenig, sagte Juliane Zacher,
       Leiterin Vorstandsbereich Schule bei der GEW Berlin. „Zuzug und
       Flüchtlingszahlen noch nicht eingerechnet.“
       
       9 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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