# taz.de -- Kommentar Russlands Türkeipolitik: Der konzeptlose Narziss
       
       > Putin reagiert eskalierend auf den türkischen Abschuss einer
       > Militärmaschine. Das wird die russischen Bürger teuer zu stehen kommen.
       
 (IMG) Bild: Wladimir Putin erhebt sein verletztes Ehrgefühl zum Leitmotiv der Politik
       
       Russlands Elite war sich ihrer Sache schon sicher. In Syrien bombt sie sich
       zurück zu Weltgeltung. Schließlich hatte Taktiker Wladimir Putin den
       zaudernden Westen aufs Neue vorgeführt und nicht zuletzt unter Beweis
       gestellt, dass Russland als eigenständiger Spieler zurückgekehrt ist.
       Einsam, ungeliebt und nicht in allerbester Verfassung. Zugegeben. Dennoch
       reichte es, die Phantasiewelten des Kreml zu beflügeln.
       
       Der türkische Abschuss des russischen Kampfjets setzte dem Höhenflug ein
       abruptes Ende. Die Wirklichkeit meldete sich. Der Konflikt mit der Türkei
       gefährdet die von Putin angestrebte Antiterror-Koalition. Jenes Vehikel,
       mit dem Putin sich und Russland aufwerten möchte. Um Terror geht es nur am
       Rande. Daher tobt der Kremlchef und [1][verflucht den Sultan wie einst die
       Saporoscher Kosaken]. Putin gibt nicht auf, doch er ist verunsichert.
       
       Daraus speisen sich Hass und Irrationalität, mit der Moskau gegen den vor
       kurzem noch „guten Freund“ aus Ankara rüpelhaft zu Felde zieht. Der Kreml
       sinnt nach Rache, anstatt – auch im Interesse internationaler Ambitionen –
       Schaden zu begrenzen. Die Sozialisation lässt es wohl nicht zu.
       
       Putins blinde Wut, die sich in Wirtschaftssanktionen entlädt, wird
       Russlands Bürger teuer zu stehen kommen. Teurer als die türkischen
       Adressaten und deren diversifizierte Wirtschaft. Öl und Gas kann die Türkei
       im Notfall auch bei anderen Anrainern beziehen. Obst und Gemüse finden neue
       Abnehmer. Der Tourismusstrom wird nur vorübergehend etwas ausdünnen.
       Stattdessen droht Russlands Reisebranche das Aus.
       
       Ernste Bedrohungen stellen Moskaus Sanktionen nicht dar. Fühlt sich Ankara
       militärisch bedroht, könnte es auf der Grundlage der Konvention von
       Montreux (1936), gar Bosporus und Dardanellen schließen, den russischen
       Nachschub nach Syrien kappen. Kurzum: Moskau schießt sich selbst ins Knie.
       
       Putin ist ein gewiefter Taktiker. Aber er ist auch ein konzeptloser
       Narziss. Er erhebt sein verletztes Ehrgefühl zum Leitmotiv der Politik
       (Gleiches gilt für den Kollegen im Geiste Recep Erdoğan). Moskaus
       außenpolitische Richtlinie heißt schlicht: Putin.
       
       4 Dec 2015
       
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