# taz.de -- Die Wahrheit: Die Wachtel – eine Wertung
       
       > Es ist nun endlich an der Zeit, den gern im Verborgenen lebenden Vogel
       > ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren und schonungslos zu kritisieren.
       
 (IMG) Bild: Stolz sind die Frankfurter auf die Skyline, einen Klumpen aus steindummem Beton, Rotz und Ramsch
       
       Seit Nimrods Zeiten und früheren Tagen drängt sich den Menschen immer
       wieder – und sonntags in höchstem Maße – die belastende, bedrängende und
       biestige Frage auf: Was wollen Wachteln? Und wieso wollen sie was – und
       warum wollen sie nicht vielmehr nichts?
       
       „Weh, weh, weh! / Wachtel in spe!“, lautet ein Kinderreim, der vom Nordkap
       bis zum Kap Hoorn aus christbaumkugelhellen, vor Angst vibrierenden
       Kehlchen schallt. Und „Wachtel? / Alte Schachtel!“ war der Leiderfahrungen
       bezeugende Leitspruch des Ornithologischen Mittwochsstammtisches der
       Bremerhavener Watvogelfreunde, der von Mitte 1947 bis Anfang 1948 in der
       ersten Woche jedes Dezembers in einem geraden Jahr tagte und dessen Motto
       dieser Tage in Birder-Kreisen rund um den Globus zirkuliert. Im
       angelsächsischen Sprachraum zum Beispiel raunen sich Avi-Aficionados zu:
       „Quail? /Don’ttrail!“
       
       Überall und über alle Zeiten hinweg warnen wir Menschen uns gegenseitig vor
       den Wachteln, vor den im verborgenen wühlenden Erdfasanen, deren schaurige
       Schlagrufe (“Dig! Digdig!“ / „Grab! Grabgrab!“) uns als Menetekel zu Ohren
       gelangen, auf dass wir uns, den Schrecken zu bannen, ungeheuren Mengen
       Schnaps anvertrauen.
       
       Eine Ausnahme machte der sogenannte Freigeist Heinrich Heine. In der
       Briegleb-Ausgabe der „Sämtlichen Schriften“ findet sich der apokryphe
       Vierzeiler „Zum Wein, zum Wein, zum welschen Wein! / Wer will des
       TrankesG’nießersein? //Lieb’Hahnenland, magst ruhig du sein, / Die Wachtel
       säuftdein’Hammerwein!“
       
       Der besänftigende, bacchantisch-ontologische Endreim „Wein / Sein / Sein /
       Wein“, der auf allzu täppische Weise das im Wachteligen wabernd wütende
       Wilde wohlbedacht wimmernd wegwischen will, konnte allerdings bis vor
       Kurzem selbst aufs äußerste wohlwollende Philologen nicht über das Wesen
       und den Willen der Wachteln täuschen; bis in einem 600-seitigen Buch vor
       einigen Tagen ein Gedicht entdeckt wurde, auf der versteckten Seite 41,
       verfasst von einem Magister Fritz „Wachtel“ Bernstein. Drei Strophen
       umfasst es, und im Titel heißt es alternativlos alliterativ-interrogativ:
       „Weltmacht Wachtel?“
       
       „Schaut euch nur die Wachtel an! / Trippelt aus dem dunklen Tann; / tut
       grad so, als sei sie wer. / Wachtel Wachtel täuscht sich sehr. // Wär sie
       hunderttausend Russen, / hätt den Vatikan zerschussen / und vom Papst
       befreit – ja dann: / Wachtel! Wachtel Dschingis Khan! // Doch die Wachtel
       ist nur friedlich, / rundlich und unendlich niedlich; / sie erweckt nur
       Sympathie. / Weltmacht Wachtel wird sie nie!“
       
       Nun und fortan seien mithin Kinder, Greise, Radfahrer, Altvögte,
       Atomphysiker und Hirnforscher froh! Seien wir all erlöst von Erd- und
       Erzübeln vielerlei! Vielerlei Frohheit und viel „Weltheit“ (M. Tetzlaff)
       und viel Frauheit obsiege und herrsche, und balde werde der 1. FCN
       Deutscher Meister, und die Eintracht – Braunschweig oder Frankfurt? Egal! –
       werde Vizechamp, und es sei prima, cheerefe, Wachtel, juchhe! Wachtel,
       heißa! Wachtel!
       
       1 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Roth
       
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