# taz.de -- Die Wahrheit: Würzburg, Bahnhof, unbehaust
       
       > Die Deutsche Bahn hat ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.
       > Der Würzburger Hauptbahnhof ist jetzt ein Ort der Niedertracht.
       
 (IMG) Bild: Ohne ihre tägliche Latte Bier könnten die Belgier gar kein vernünftiges Leben führen
       
       Was für ein Pack hat eigentlich bei der Bahn das Sagen?
       
       Welche Ausmaße muss die Hirnkapitalverseuchung annehmen, damit eine derart
       ekelerregende Mischung aus Ramschkonsumismus und Erniedrigung der
       Abgehängten, Abgenutzten, Ausgespuckten stadträumliche Gestalt zu gewinnen
       vermag? Wie durch und durch verkommen muss diese Gesellschaft sein, um
       ungerührt so etwas wie den Würzburger Hauptbahnhof auf die Erdscheibe zu
       stellen? Oder einen Hort, der einst eine der schönsten Bahnhofsgaststätten
       der Welt beheimatete, die Bürgerstuben, dermaßen schäbig und
       gesinnungsverfault zu einem Limbus der Niedertracht und Hässlichkeit
       umzugestalten?
       
       Genügte da wirklich ein einziger Widerling und „Riesenkiesel“ (Helmut
       Kohl), der Hartmut Mehdorn?
       
       „Früher waren es kleine Bahnhöfe, die mich unwiderstehlich anzogen. Da saß
       ich vor einem Bier im verstaubten Licht der gelben Wartesäle“, schrieb Arno
       Schmidt. Bahnhöfe waren „Orte des vagen Übergangs, Zwischenstadien, an
       denen Begegnungen möglich waren, wo Unbehauste Asyl fanden“ (Thomas
       Schaefer).
       
       Was sind sie heute?
       
       Wer alles zerstört, was je sinnvoll, ansehnlich und gemütspfleglich gewesen
       ist; wer es ersetzt durch das verjauchte chrom- und plastikgewordene Brät,
       das aus dem Architektur- und Geistfleischwolf des Globalkapitals gepresst
       wird; wer die „Kultur der Bahnhofsgaststätte als offener und zutiefst
       demokratischer Raum“ (Schaefer) demoliert und eliminiert; wer die dazumal
       Obdach im Würzburger Bahnhofswirtshaus, in dieser „Rettungsstation für
       Zerrissene“ (Alfred Polgar), findenden Armen und Elenden zwingt, an einem
       neuen gläsernen Scheiß-Service-Snack-Point Paderborner Pilsener in der Dose
       zu kaufen, verschämt und mit schwarzen Blicken der Verachtung gestraft, und
       dieses dann aus Angst vor Schikane (Bahnpolizei und Spießer) aus
       Coffee-to-go-Bechern zu süffeln, während sie sich gehetzt umschauen,
       verfolgt, vom endgültigen Ausschluss bedroht; wer für einen Toilettenbesuch
       einen Euro verlangt und eine schwarze Aushilfskraft dazu nötigt, den ganzen
       Tag am Eingang zu stehen und das Kleingeld der hereinschneienden
       gefühlstoten Schnösel zu wechseln, ohne dass sie auch nur öfter als zweimal
       gönnerhaft zehn Cent in die Hand gedrückt bekommt; wer diese noble Art,
       seine Notdurft verrichten zu dürfen, damit entgilt, dem Erleichterten einen
       Einkaufsbon in Höhe von fünfzig Cent zurückzuerstatten, mit dem er
       anschließend an einem dieser Scheiß-Service-Snack-Points zeitsparend
       irgendeinen Fuck von Fast-Fraß erwirbt, statt den degoutanten Gutschein
       wenigstens einem Obdachlosen zu geben; wer das alles ausheckt und
       veranlasst, gehört vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gezerrt.
       
       Und die Snack-Tresen werden zertrümmert und auf die Müllhalde der
       Geschichte geschmissen, und die Bürgerstuben werden wiederhergestellt, und
       die ehemalige schwarze Toilettensklavin erhält ein lebenslanges Bier- oder
       Campari-Deputat.
       
       13 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Roth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hauptbahnhof
 (DIR) Würzburg
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Belgien
 (DIR) Ornithologie
 (DIR) Fußball
 (DIR) Formel 1
 (DIR) Entführung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Pfiffige Wusel
       
       Lob der Belgier: Eine dringend notwendige Hymne auf ein freiheitsliebendes,
       selbstironisches und gutmütiges Volk.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Unter Löffeldenkern
       
       Die Wahrheit-Reportage: Bei „Deutschlands größter Kochshow“ mit Johannes
       „Banänchen“ Kerner in der Frankfurt Festhalle.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Wachtel – eine Wertung
       
       Es ist nun endlich an der Zeit, den gern im Verborgenen lebenden Vogel ins
       Licht der Öffentlichkeit zu zerren und schonungslos zu kritisieren.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Weg mit dem Ball!
       
       Die Fußballwelt ist unerträglich geworden: Fans, Verbände, Stadien und
       Kommentatoren nerven überaus. Ein polemischer Einwurf kurz vor der WM.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Fahren im Falschen
       
       Zum Ende der Formel-1-Saison: Offener Brief der Wahrheit an die der
       Motorsport-Rennstrecke den Namen gebende Stadt Hockenheim.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Sieg mit Geisel
       
       Der Frankfurter Fanklub „Hatschongelb“ hatte vor Wochen den Fuß des
       FSV-Maskottchens entführt. Jetzt kam es zu einer Übergabe der Geisel.