# taz.de -- Platz für Kinder: Spielen unerwünscht
       
       > Bremer Kindern und Jugendlichen wird es immer schwerer gemacht, Flächen
       > für Spiel und Sport zu finden. Ein Grund ist die Sperrung von Schulhöfen
       
 (IMG) Bild: Bei der Eröffnung 2010 war‚‘s an der Horner Straße schön. Doch das ist lange vorbei.
       
       Der große Innenhof des Gesundheitsamtes an der Horner Straße ist eine grüne
       Oase. Für die Kinder aus dem Fesenfeld und Umzu war er der einzige
       Spielplatz im Quartier, doch das ist derzeit Vergangenheit. Aus der
       Spieloase ist ein Beispiel für verloren gehende Freiräume in der Stadt
       geworden.
       
       Zunehmende Bevölkerungs- und Verkehrsdichte machen es Kindern und
       Jugendlichen immer schwerer, Platz zum Spielen oder Kicken zu finden.
       Deswegen organisierte eine Kindergruppe aus der Nachbarschaft den Bau von
       Spielgeräten im Innenhof des Gesundheitsamtes. Mehrfach akquirierte die
       Elterninitiative Finanzmittel von Stiftungen, vom Deutschen Kinderhilfswerk
       sowie vom Beirat. Selbst die Leerung der Mülleimer auf dem Gelände wurde
       von der Kindergruppe übernommen. Doch seit sie wegen ihres Umzugs nach zehn
       Jahren die Patenschaft für den Spielplatz abgab, kümmerte sich niemand mehr
       um die Anlage.
       
       ## Misstrauische Hausmeister
       
       Mittlerweile hat das Gesundheitsamt die Schaukeln abgehängt und auch die
       übrigen Spielgeräte gesperrt. Der Hausmeister des Amtes, der das
       Spielplatz-Geschehen schon immer misstrauisch beäugte, war nicht bereit,
       sich um die Geräte zu kümmern. „Wir suchen nun Ehrenamtliche, die sich
       wieder um die Anlage kümmern“, heißt es im Gesundheitsamt. Doch die müsste
       wohl zunächst weitgehend neu aufgebaut werden.
       
       Andere Städte und Länder starten Programme wie „Vom Schulhof zum Spielhof“,
       um die Situation in den Stadtteilen systematisch zu verbessern. „Schulhöfe
       sind oft die letzten Reservate, in denen auch ältere Kinder ungestört
       spielen können“, heißt es im Berliner Senats-Konzept „Jugend mit Zukunft“.
       Der Bedarf liegt auch in Bremen auf der Hand: „Ich wünsche mir“, betont
       Anja Stahmann (Grüne), Senatorin für Soziales und Sport, „dass die
       Schulhöfe im Rahmen der Möglichkeiten offen sind.“ Das forderte bereits
       Ende der 90er sogar ein Bürgerschafts-Beschluss. In der Bremer Praxis darf
       dennoch jede Schule de facto nach eigenen Regeln spielen, beziehungsweise
       spielen lassen – was unterm Strich zu Ungunsten des Stadtteil-Nachwuchses
       ausgeht.
       
       ## Mehr Ganztagsschulen
       
       Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer ist die Ausdehnung des
       Ganztags-Schulwesens: Je später die Schule aus ist, desto später steht ihr
       Freigelände anderen Kindern zur Verfügung. Der Schulhof in der Findorffer
       Admiralstraße beispielsweise ist statt ab 13 Uhr mittlerweile nur noch ab
       16 Uhr zugänglich.
       
       Weitere Spielräume fallen weg, weil sie allein vom Engagement
       Ehrenamtlicher abhängen: Etwa die temporären Spielstraßen, für die ein
       Straßenabschnitt an einem Nachmittag pro Woche zum Spielen reserviert wird.
       Seit im Sommer wieder eine weg fiel, gibt es davon im Bundesland Bremen
       noch ganze vier Stück. Die Hürden sind hoch: Neben dem Einsatz Freiwilliger
       und der Genehmigung des Amtes für Straßen und Verkehr ist auch die
       Zustimmung der großen Mehrheit der Anwohner notwendig.
       
       ## Klagende Anwohner
       
       Kinderlärm ist zu tolerieren, dazu gibt es mittlerweile einschlägige
       Gerichtsurteile – aber die gelten nur für Anwohner von Spielplätzen. Wer
       neben einem Schulhof wohnt, kann weiterhin gegen nachmittäglichen Spiellärm
       klagen – und das geschieht leider auch. So an der Schule in der
       Carl-Schurz-Straße, die deswegen ihre Nutzungszeiten verkürzen und sogar
       martialische Zäune aufstellen lassen musste.
       
       In der umgekehrten Konstellation haben Kinder ebenfalls das Nachsehen,
       Beispiel Schule Schaumburger Straße. Früher war das weitläufige Gelände
       generell bis 19 Uhr geöffnet, doch kürzlich verfügte die Schulleitung zum
       großen Ärger der Anwohner stark verkürzte Zeiten: „Ab 14 Uhr, bis das Tor
       geschlossen wird.“ Es liegt nun also im Gutdünken des neuen Hausmeisters,
       wann der Platz genutzt werden darf. An Wochenenden, wenn die Kinder und
       Eltern am meisten Zeit haben, gilt laut Schild: „!!!grundsätzlich
       geschlossen!!!“
       
       Die Schulleitung begründet die Restriktionen so: Durch den „nicht
       sachgerechten Umgang mit der Anlage“ außerhalb der Unterrichtszeiten käme
       es zu „Einschränkungen im täglichen Schulbetrieb“. Sie spricht von
       Beschädigungen und Drogengeschäften, von „Streitigkeiten und Grillfeiern“,
       deren Überreste sich draußen ansammelten – wovon die AnwohnerInnen
       allerdings nur wenig bemerken konnten.
       
       Letztlich gehe es auch um finanzielle Belastungen, sagt die Schule: Durch
       häufige Nutzung etwa des Fußballfeldes würden die Tornetze „immer wieder
       zerschossen“. Das habe die Schule im vergangenen Jahr 2.500 Euro gekostet.
       Was die Schulleitung allerdings nicht erwähnt: Der Bau des
       Kunstrasenplatzes wurde mit 30.000 Euro durch den Deutschen Fußballbund
       ko-finanziert. „Bedingung war“, bestätigt Oliver Baumgart vom Bremer
       Fußballverband, „dass der Platz für die Allgemeinheit zugänglich ist.“
       
       Mittlerweile meiden die meisten Kinder aus der Nachbarschaft das
       Schulgelände, zu dem eine weitläufige Wiese gehört – auch, weil sie sich
       nicht mehr vom Hausmeister anmeckern lassen möchten. Damit entfällt ein
       wichtiger sozialer Begegnungsraum zwischen den Bewohnern des benachbarten
       Hochhausblocks an der Stresemannstraße und den Kindern aus der von
       Einfamilienhäusern geprägten Umgebung.
       
       ## Kein finanzieller Ausgleich
       
       Das Bildungsressort bestätigt, dass der Schule „keinerlei Mittel“ etwa aus
       dem Topf „Schöne Schule“ zur Verfügung gestellt werden, um der Bedeutung
       ihrer Außenanlagen als Spiel- und Sportflächen für den Stadtteil gerecht zu
       werden.
       
       Laut Senatsrichtlinie sollen für jeden Einwohner – altersunabhängig – im
       Schnitt drei Quadratmeter Spielfläche zur Verfügung stehen. Das tun sie
       aber nur auf dem Papier. Anders wäre die Situation, wenn beispielsweise die
       Verpflichtung der Bauträger kontrolliert würde, ab der Errichtung von vier
       Wohneinheiten „hausnahe Spielgelegenheiten“ zu schaffen. Anders als
       vielfach angenommen sind das laut Erstem Bremischem Ortsgesetz dann keine
       privaten, sondern allgemein zugängliche Flächen. Doch weder Erstellung noch
       die Zahlung der alternativ möglichen Ablösesumme werden von den Behörden
       eingefordert.
       
       Im Fall der Horner Straße erklärt sich das Amt für Soziale Dienste nun
       bereit, den Neuaufbau zu unterstützen. Das tut es über den Fonds
       „Spielräume schaffen“, der ebenfalls Schulhöfen zugutekommen kann. Doch die
       damit verbundene Maßgabe der öffentlichen Zugänglichkeit krankt daran, dass
       sie nicht näher definiert ist. So wird auch beim Gesundheitsamt der Zaun am
       Wochenende geschlossen bleiben – mit der bekannten Begründung. Dealer wird
       das niedrige Tor kaum abhalten – Kinder und deren Eltern hingegen schon.
       
       23 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
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