# taz.de -- Mitbestimmung bei Alnatura: Fair sind hier nur die Produkte
       
       > In einer Bremer Filiale der Biosupermarktkette scheitert der Versuch,
       > eine Betriebsratswahl einzuleiten – an der Geschäftsleitung, sagen
       > Beschäftigte.
       
 (IMG) Bild: Sind sie bei Alnatura noch ganz frisch?
       
       Bremen taz | Für die MitarbeiterInnen des Alnatura-Biosupermarkts in Bremen
       waren schon die Worte auf dem Schild „bezeichnend“: Wegen einer
       „technischen Störung“ müsse man zwei Stunden früher schließen, informierte
       die Filialleitung die Kunden. Doch weder ein Stromausfall noch defekte
       Kassen machten Ärger – die MitarbeiterInnen wollten nur einen Betriebsrat
       gründen.
       
       Das Betriebsklima sei immer schlechter geworden, erklärt einer der
       Filial-Mitarbeiter der taz. In den letzten Monaten sei der Druck gestiegen,
       es habe Versetzungen und Entlassungen gegeben. An jenem Abend vor gut einer
       Woche aber scheiterte die Aufstellung eines Wahlvorstand für die
       Betriebsratswahl. Durch das Wirken der Filial- und Gebietsleitung, sagen
       mehrere MitarbeiterInnen. Namentlich zitieren lassen möchte sich hierzu
       niemand – aus Angst vor Konsequenzen.
       
       Bioläden, die mit „Nachhaltigkeit“ und „fair“ gehandelten Produkten werben
       und gleichzeitig Arbeitnehmerrechte mit Füßen treten? Für Gewerkschafter
       ist das keine Überraschung und auch nicht neu. „Die hohe Kompetenz bei der
       Qualität der Ware im Biohandel geht nicht automatisch mit einer Kompetenz
       in sozialen Standards einher“, sagt Hubert Thiermeyer, Verdi-Landesleiter
       für den Fachbereich Handel in Bayern. Arbeitnehmerrechte müssten hart
       erkämpft werden – in der Biobranche genauso wie im konventionellen Handel.
       
       Es gibt allerdings einen Unterschied: In Bioläden werde den Kunden „das
       Gefühl gegeben, sozial unterwegs zu sein“, sagt Thiermeyer. „Es stünde der
       Biobranche gut zu Gesicht, ihren Vorbildcharakter auch bei den
       Sozialstandards einzuhalten.“
       
       ## Dumpinglohn-Vorwürfe gegen Denn’s
       
       Der Branchenführer macht das Gegenteil vor: Die Dennree-Gruppe hat ihren
       Sitz im bayerischen Töpen und drängt mit ihren Denn’s-Filialen in die
       gleichen Städte wie Alnatura. Seit der Gründung 2003 wuchs das Unternehmen
       auf über 180 Biosupermärkte in ganz Deutschland an. Firmengründer Thomas
       Greim wird vorgeworfen, den Aufstieg zur Nummer eins über Dumpinglöhne und
       Arbeitszeitverstöße auf dem Rücken seiner MitarbeiterInnen erstritten zu
       haben.
       
       Die Biosupermarktkette Alnatura hingegen hat ihren Lohn 2010 immerhin an
       den Tarif angeglichen – wenn auch erst nach Berichten über die bis dahin
       niedrigen Löhne. Bei einem Nettojahresumsatz von 689 Millionen Euro im
       Geschäftsjahr 2013/2014 und 98 Filialen gibt es jedoch nur in einer Filiale
       in Freiburg einen Betriebsrat. Käme nun in Bremen ein weiterer hinzu,
       dürfte ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden, der sich dann auch um Belange
       kümmern könnte, die das Gesamtunternehmen angehen.
       
       Doch gleich nachdem in der Filiale mit Aushängen dazu aufgerufen worden
       war, einen Wahlvorstand für die Betriebsratswahl zu bestimmen, hätten
       Filialleitungsteam und Gebietsleiter zu Mitarbeitergesprächen geladen und
       ihren Unmut geäußert, sagen FilialmitarbeiterInnen. Am Wahltag selbst habe
       der Gebietsleiter dann während der Versammlung vor dem Laden gewartet.
       Anders als die Mitglieder der Filialleitung gilt er offiziell als
       „leitender Angestellter“ und darf an der Wahl nicht teilnehmen.
       
       In einer Pause sei mindestens ein Mitglied der Filialleitung zu ihm
       gegangen und habe sich abgesprochen, berichten mehrere MitarbeiterInnen.
       Danach habe die Filialleitung drei weitere KandidatInnen aufgestellt,
       woraufhin niemand die erforderliche Stimmenanzahl bekam. „Die Wahl wurde
       durch taktische Spielchen verhindert“, sagt Kai Wargalla, die in der
       Filiale arbeitet.
       
       Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann beschreibt das anders: Die Mitarbeiter
       der Filiale hätten sich gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen.
       Man stehe dem Wunsch aber „selbstverständlich offen gegenüber“.
       Interessenvertretungen bildeten sich dann, „wenn das Gefühl überwiegt, dass
       die Interessen der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt werden“, so
       Neumann. „Dass dies jetzt in Bremen nach Auffassung einiger Mitarbeiter der
       Fall ist, bedauern wir sehr.“
       
       Für Verdi-Sprecherin Eva Völpel ist das „eine durchsichtige Argumentation“,
       die auch aus dem Online- und Versandhandel bekannt sei: „Amazon etwa war
       erst gegen Betriebsräte, jetzt, wo es sie gibt, ist man gegen
       Tarifverhandlungen mit einer Gewerkschaft.“ Letztlich wolle man die Rechte
       der Beschäftigten und ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten beschneiden. „Wenn
       es so viel Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten gibt, warum
       respektiert man dann nicht ihre Forderungen und Rechte?“, fragt Völpel.
       Verdi will in Bremen den Wahlvorstand nun über das Arbeitsgericht einsetzen
       lassen.
       
       1 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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