# taz.de -- Stellenstreichungen der Deutschen Bank: Loblied der Filiale
       
       > Mehr als 200 Zweigstellen schließen – mir egal, denkt sich der
       > Onlinebanker. Doch es gibt Menschen, die gern vor Ort Überweisungsträger
       > ausfüllen.
       
 (IMG) Bild: In Brandenburg stand 2007 mal ein Pferd im Foyer. Dem Kind reichen schon Überweisungsträger – und die „Knax“.
       
       Zur Tragik und Tragweite des Dichtmachens von Bankfilialen ist Folgendes
       anzumerken: Nicht nur, dass das für die betroffenen Mitarbeiter schlicht
       scheiße ist. Nein, ich für meinen Teil schätze mich bis auf Weiteres so
       lange glücklich, mich nicht am TAN-Business beteiligen zu müssen oder meine
       Handynummer geknackt zu bekommen, bis auch meine Filiale am Kottbusser Damm
       in Berlin sicher irgendwann geschlossen wird. Nicht, dass wir uns falsch
       verstehen: Ich bin smartphoneaffin, kann Nachrichten online absetzen und
       finde auch sonst nicht, dass Technik per se des Teufels ist.
       
       Doch seit meiner Kindheit, lange bevor ich schreiben oder gar rechnen
       konnte, liebe ich sie, die Bankfiliale. Schon als Vierjährige fand ich
       nichts schöner, als mit meinem Vater „auf die Bank“ in unserem ansonsten
       öden Münchner Vorort zu gehen. Die Filiale: Bleiche Gummibäume standen
       dort, und an Stehpulten aus Resopal waren lackschwarze Kugelschreiber
       gekettet, die so lang wie Zigarettenspitzen waren. Die Kugelschreiber
       schrieben des öfteren nicht, und Licht fiel durch trübe Lamellenvorhänge
       ein.
       
       Mein Vater bekam seine Kontoauszüge am Schalter überreicht. Der Bankbeamte
       – ein verschwundenes Wort – ging dafür an einen Hängeregistraturschrank und
       kam mit Auszügen aus einer Kunstledermappe und einem „Gutti“ – oder wie man
       außerhalb von Bayern sagt: Bonbon – für mich zurück. Eine weitere
       Bankbeamtin stürzte aus ihrem Panzerglasgehäuse hervor und überreichte mir
       das neue Knax, ein damals schon sehr buntes Kinderkundenmagazin. Ich
       trollte mich auf eine „Wartebank“.
       
       Schon klar: Die Bank, es handelte sich damals um eine kreuzbrave
       Kreissparkasse, hatte mich geschickt geködert. So geschickt geködert, dass
       mich mein Vater eines Tages in der Filiale vergaß. Als er hochroten Kopfes
       nach einer Stunde dort wieder auftauchte, saß ich immer noch selig auf der
       „Wartebank“ und füllte Überweisungsträger aus. Und die fülle ich heute noch
       gern aus, nicht mehr ganz so elegant seit der Einführung der
       kilometerlangen IBAN-Hausnummern, doch immer noch mit Hingabe.
       
       Ich habe allerdings auch Glück: Meine aktuelle Herzensfiliale ist weder von
       Schließung betroffen, weil sie erstens nicht zur Deutschen Bank gehört und
       zweitens als einzige von vormals drei Commerzbank-Filialen zwischen
       Kottbusser Tor und Hermannplatz in Berlin-Kreuzberg überlebt hat. Dabei
       gehörte meine am Kottbusser Damm früher noch der Geldspeichergruppe „Mit
       dem grünen Band der Sympathie“ an, das zwar eher ein braunes Band aus der
       Nazizeit war, aber das ist eine andere Geschichte. Von ihr kündet nur noch
       der verblichene Abdruck des abgenommenen Logos, das jetzt an der Hauswand
       wirkt wie eine DDR-Hinterlassenschaft.
       
       Doch zurück zur Tragik und Tragweite der Schließung von Bankfilialen. Ich
       gehe ganz schlicht und einfach zur Abwechslung vom berufsbedingten,
       stundenlangen Sitzen vor dem Bildschirm gern für das Tätigen eines
       Bankgeschäftes vor die Tür. Trete ich dann, nachdem ich ein wenig frische
       Stadtluft geschöpft habe, ein in meine sich jährlich im neuen Outfit
       präsentierende Filiale, schlüpft der Filialleiter, der gerade noch seine
       Fluppe draußen ausgedrückt hat, eilfertig hinter mir herein. Er grinst und
       fragt, wie’sso steht. Ich lächle und sage: „Ein paar Überweisungsträger
       nehme ich noch mit. Zum zu Hause ausfüllen.“
       
       30 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harriet Wolff
       
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