# taz.de -- Anzeigenverluste beim „Tagesspiegel“: Die kleine sechsstellige Summe
       
       > Bis Ende des Jahres sind Dienstreisen gestrichen und freie Autoren werden
       > nicht mehr engagiert. Der „Tagesspiegel“ muss sparen.
       
 (IMG) Bild: Wird jeden Tag gedruckt, aber ab sofort nicht mehr mit Inhalten von freien Autoren
       
       Die Hinweise im Blatt sind bisher klein, aber geübten Lesern dürften sie
       bereits aufgefallen sein: Da schrieb der Berliner Parlamentsredakteur am
       vergangenen Montag über die Wahlen in der Schweiz und der Berliner
       Lokalreporter am Dienstag über die Wahlen in Kanada. Eigentlich sind dafür
       andere zuständig. Aber um diese anderen zu bezahlen, fehlt dem Tagesspiegel
       offenbar das Geld.
       
       Seit vergangenem Freitag haben die Redakteure des Tagesspiegel die Order zu
       Sparen: keine Dienstreisen, keine Texte von freien Mitarbeitern, keine
       Bezahlung von Praktikanten mehr – und, im Verlag: weniger Abomarketing.
       Zumindest bis Ende des Jahres.
       
       Grund ist offenbar ein massiver Anzeigeneinbruch im Vorweihnachtsgeschäft,
       der vor allem von den Kunden aus dem Handel ausgeht. Normalerweise
       verkaufen Zeitungen zum Ende des Jahres die meisten Anzeigen. Diesmal seien
       viele Anzeigen storniert oder gar nicht erst gebucht worden, heißt es aus
       Redaktionskreisen. „Ein kleiner sechsstelliger Betrag“ müsse eingespart
       werden, berichtet Betiebsratschef Alfons Frese.
       
       Ressortleiter und Seitenverantwortliche seien am Freitag auf einer
       Konferenz von den Chefredakteuren über die Sparmaßnahme informiert worden.
       Gegenüber den Redakteuren hieß es, man solle sich „solidarisch“ mit dem
       Verlag zeigen und sich klar machen, dass man als Angestellter auf
       Verlagsseite stünde, berichtet ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will.
       
       Über das Wochenende informierten die Ressortleiter die freien Autoren. Das
       seien schwierige Gespräche gewesen, berichten sowohl Angestellte, als auch
       Freie der taz. Mehrere dutzend Journalisten seien betroffen, einige
       verdienen den Großteil ihres Monatslohns beim Tagesspiegel. Gerade für sie
       kommt die Nachricht spät.
       
       ## Ab 2016 soll es besser gehen
       
       Am Donnerstag erhielten die Redaktionsmitarbeiter eine Mail, in der die
       Anzeigenproblem nochmals erklärt wurde: Demnach sei nur das
       Weihnachtsgeschäft eingebrochen. Zu Beginn des Jahres sähe die Situation
       wieder besser aus. Einige Freie wurden vertröstet, ab Januar wieder
       schreiben zu können. Aufträge, die bis Freitag noch ausstanden, sind
       storniert worden oder auf Anfang des Jahres verschoben, was in den meisten
       Fällen aber einer Absage gleichkommen dürfte.
       
       Der Betriebsratsvorsitzende Frese sieht in dieser Entscheidung einen
       „Ausdruck der Hilflosigkeit“. Es sei „vollkommen gaga“ zu glauben, man
       könne die Zeitung ohne freie Mitarbeiter füllen. Vor allem die Kultur- und
       die Auslandsberichterstattung des Tagesspiegels wird zu einem großen Teil
       von Freien gestemmt. Deren Texte müssen nun die Festangestellten schreiben
       oder mit Agenturtexten bestücken. „Die Qualität wird leiden“, sagt Frese,
       der davon ausgeht, dass die Geschäftsführung den Sparkurs nicht lange wird
       durchhalten können.
       
       Die Stimmung in der Redaktion ist seit der Bekanntgabe schlecht. Für
       besonderen Unmut sorgt die Tatsache, dass die Angestellten erst so spät
       informiert wurden und, dass in den vergangenen Jahren immer zu erst an den
       Freien gespart wurde. Das Zeilenhonorar sei seit mindestens zehn Jahren
       nicht erhöht worden, berichten freie Mitarbeiter. Dafür gönnt sich das
       Blatt aber drei Mitglieder der Chefredaktion.
       
       Von außen betrachtet steht das „Leitmedium der Hauptstadt“, wie er sich
       selbst nennt, eigentlich ganz gut da. Zwar hat er im vergangenen Quartal
       knapp sechs Prozent bei Abos und Einzelverkäufen verloren, das ist aber
       weniger als bei B.Z., Morgenpost und Berliner Zeitung. Auch seine
       Strahlkraft über Berlin hinaus ist größer als die der Konkurrenz.
       Chefredakteur Lorenz Maroldt hat mit seinem [1][morgendlichen Newsletter]
       gerade erst den Grimme Online Award gewonnen. Seit vergangenem Jahr scheint
       in den Sitzungswochen des Parlaments die Beilage „Agenda“ für Politiker,
       die, so hört man aus Redaktionskreisen, ganz gut läuft. Seit April
       erscheint sonntags außerdem der Zeitungsteil Causa für „die Meinungselite“,
       die offenbar weniger gut läuft und daher reduziert werden soll.
       
       Der Verlag selbst begründet das Sparen mit Neuerungen. „Der Tagesspiegel
       bereitet eine Reihe neuer Projekte in Wachstumsfelder vor“, so eine
       Sprecherin gegenüber der taz. Im November sollen ein neues Digitalprodukt
       sowie neue Seiten im Blatt erscheinen. Dafür würden „Ressourcen
       umgeschichtet“.
       
       22 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://checkpoint.tagesspiegel.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
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