# taz.de -- Mit Minzöl und Yoga
       
       > Integrative Pädiatrie Jedes zweite Kind in Deutschland wird
       > naturheilkundlich behandelt, zumindest im eigenen Elternhaus. Jetzt
       > testen auch erste Kliniken ganzheitliche Konzepte bei kleinen Patienten.
       > In einer Studienreihe werden dafür 400.000 Euro investiert
       
 (IMG) Bild: Chronische Kopfschmerzen? Zuerst MRT, erst danach alternative Methoden
       
       Von Angelika Sylvia Friedl
       
       Aus Umfragen weiß man: Etwa die Hälfte der Eltern wünscht sich zusätzlich
       zur schulmedizinischen Behandlung in der Klinik eine naturheilkundliche
       Therapie für ihre Kinder. Die Nachfrage ist also groß, das Angebot aber
       bisher bescheiden. Das Projekt Integrative Pädiatrie will das ändern. Zwei
       Ziele hat die Carstens-Stiftung dabei im Visier: zum einen wirksame und
       sichere Therapien aus der Naturheilkunde und Homöopathie finden. Zum
       anderen untersuchen, wie man Kinder vor schädlichen Nebenwirkungen schützt.
       Denn Kinderärzte wissen zum Beispiel bei vielen Erkrankungen nicht, wie
       stark pflanzliche und homöopathische Mittel für Kinder dosiert werden
       müssen oder ob Wechselwirkungen mit konventionellen Arzneien bestehen. Mehr
       als 400.000 Euro ist der Stiftung die auf drei Jahre angelegte Studienreihe
       wert.
       
       Das Studiendesign orientiert sich an Fallberichten. „Das heißt, wir fragen
       nach den Symptomen vor und nach der Behandlung sowie nach deren Wirkung,
       wie also die Kinder die Behandlung empfunden haben“, erläutert
       Studienleiter Holger Cramer von der Klinik für Naturheilkunde und
       integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte, die das Projekt
       wissenschaftlich begleitet. Weitere kleinere Studien werden auch
       Kontrollgruppen einbeziehen. Zum Beispiel plant die Klinik für Kinder- und
       Jugendmedizin des Elisabeth-Krankenhauses in Essen eine Studienreihe für
       Kinder mit chronischen Kopfschmerzen. Eine Gruppe übt zusätzlich zur
       üblichen Behandlung Yoga. Die Kinder aus der Vergleichsgruppe müssen
       dagegen ohne Yoga auskommen. So können Wissenschaftler überprüfen, ob die
       Kinder aus der Yogagruppe von den Übungen – wie Hund-, Kobra- oder
       Baumstellung – profitieren oder nicht.
       
       Im Elisabeth-Krankenhaus liegt der Schwerpunkt der ganzheitlichen
       Behandlung bei Kopf- und Bauchschmerzen. Aus gutem Grund, denn kleine, aber
       auch ältere Kinder klagen häufig über Bauchweh und Spannungskopfschmerzen.
       In der Regel handelt es sich um sogenannte funktionelle Schmerzen, weil
       keine organischen Ursachen zu finden sind. Für solche Fälle bietet die
       Essener Kinderklinik einmal im Monat eine interdisziplinäre Sprechstunde
       an. Hier kümmern sich eine Kinderärztin und eine Psychologin um ratsuchende
       Eltern und ihre kranken Kinder. Zunächst untersuchen sie, ob organisch
       alles in Ordnung ist. Leidet ein Kind zum Beispiel seit Monaten unter
       chronischen Kopfschmerzen, wird eine MRT-Aufnahme angeordnet. Um einen
       Tumor, die größte Angst der Eltern, auszuschließen. Erst danach schaut das
       Team, ob und wie neben einer schulmedizinischen Behandlung die
       Naturheilkunde helfen kann.
       
       Auch bei chronischen Erkrankungen von Kindern machen Kinderärzte gute
       Erfahrungen mit komplementärer Therapie – so bei Reizdarm, chronisch
       entzündlichen Darmerkrankungen, Asthma oder auch Atemwegsinfekten wie
       Husten, Bronchitis und Mittelohrentzündung. Hier können sie aus dem großen
       Schatz der Naturheilkunde schöpfen. „Wir verordnen Spitzwegerich und
       Eibisch bei trockenem Reizhusten, Thymian und Efeu bei produktivem Husten,
       Minzöl bei Kopfschmerzen“, sagt Melanie Anheyer, Fachärztin für Kinder- und
       Jugendmedizin an der Essener Klinik. Auch andere Verfahren haben die
       Essener im Angebot, wie zum Beispiel die Hydrotherapie von Kneipp,
       Akupunktur und die Schröpfkopfmassage. Oder auch die Mind-Body-Medizin. Sie
       legt Wert auf gesundes Essen, Bewegung und auf Entspannungsübungen wie Yoga
       und Quigong. Und sie schult die Fähigkeit, Geist und Körper achtsam
       wahrzunehmen. Claudio Finetti, Chefarzt der Essener Kinderklinik, ist
       überzeugt: „Naturheilkunde eröffnet uns Ärzten eine neue Welt. Weil wir
       nicht mehr nur auf Schmerzmittel angewiesen sind.“
       
       Ein weiterer Standort des Projekts Integrative Pädiatrie ist das Haunersche
       Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort ist
       Homöopathie bereits in den ambulanten und stationären Alltag integriert.
       Für das Projekt werden jetzt weitere Therapien aus der Naturheilkunde und
       Mind-Body-Medizin geprüft. Im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut
       konzentrieren sich die Studien vor allem auf Homöopathie und
       Naturheilverfahren in der psychosomatischen Abteilung und auf die
       stationäre Behandlung chronisch kranker Kinder. „Die Erkenntnisse aus den
       Studien sollen dazu beitragen, integrative Pädiatrie in die Regelversorgung
       zu bringen“, hofft Cramer.
       
       17 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Angelika Sylvia Friedl
       
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