# taz.de -- Fans von „Sailor Moon“: Halt den Mondstein fest
       
       > Vor 20 Jahren feierte die Anime-Serie „Sailor Moon“ Premiere in
       > Deutschland. Die Fan-Gemeinde ist mit dem Idol erwachsen geworden.
       
 (IMG) Bild: „Im Namen des Mondes werde ich dich bestrafen!“
       
       „Ich heiße Bunny Tsukino und ich bin 14 Jahre alt. Ich gehe in die vierte
       Klasse eines Gymnasiums. Ich bin vielleicht ein bisschen schusselig und
       eine Heulsuse, aber …“ – so klingt am 13. Oktober 1995 die Geburtsstunde
       der deutschen Ausgabe von „Sailor Moon“.
       
       Das ZDF strahlt die erste Folge aus. Eine Superheldinnen-Serie für Mädchen:
       Die schüchterne, tollpatschige Chaotin wandelt sich zur nahezu
       unbesiegbaren Kämpferin, den Mondstein fest in der Hand. Usagi „Bunny“
       Tsukino ist der Archetyp eines japanischen Schulmädchens in
       Matrosen-Uniform und kämpft für Liebe und Gerechtigkeit. Mit ihren
       Freundinnen, den Sailor-Kriegerinnen, und der sprechenden Katze Luna stellt
       sie sich in 200 Episoden dem Königreich des Dunkeln.
       
       In Japan war die Serie bereits 1992 angelaufen. Das japanische Studio Tōei
       Animation produzierte bis 1997 fünf Staffeln von „Bishōjo Senshi Sailor
       Moon“ – der schönen Mädchenkriegerin. In Deutschland hatte „Sailor Moon“
       keinen leichten Start. Aufgrund niedriger Einschaltquoten setzte das ZDF
       die Serie ab.
       
       „SailorMoonGerman“ ist mit 25 Aktiven heute die größte Fan-Gruppe im
       deutschsprachigen Raum. „Im Namen des Mondes informieren wir euch“,
       schreiben sie sich auf die Fahnen, bloggen, organisieren Fan-Treffen in
       ganz Deutschland.
       
       „Das deutsche Techno-Intro hatte Ohrwurmcharakter. Plötzlich waren Mädels
       die Heldinnen. Die Serie war konzipiert wie eine Seifenoper und machte
       süchtig“, sagt Daniela, Fan der ersten Stunde. „Die Serie hat uns Mädels
       gezeigt, dass überall das Böse lauern kann, aber man keine Angst haben,
       aufstehen und weitermachen muss.“ Daniela ist 35 und hat durch „Sailor
       Moon“ zu Selbstbewusstsein gefunden. „Die Serie hat mein Herz berührt, ohne
       sie wäre ich nicht die, die ich jetzt bin.“
       
       ## Moonies suchen Anschluss
       
       2009, an seinem 18. Geburtstag, gründete Stavros Koliantzas aus Salzburg
       den Club, um andere Moonies kennenzulernen. „Ich wollte nicht im stillen
       Kämmerlein Fan bleiben.“ Die Serie schaute er bereits als Vierjähriger,
       doch erst mit 17 packte sie ihn voll und ganz. „Ich fand eine alte ‚Sailor
       Moon‚-Videokassette wieder und schaute mir die Folgen an. Erst dann begriff
       ich, welcher kulturelle Aspekt sich hinter der Serie verbirgt.“
       
       Für Stavros ist „Sailor Moon“ keine flache Mädchenserie. „Es werden ernste
       Themen wie Religion, Tod, Wiedergeburt und Homosexualität thematisiert.“
       Als männlicher Fan sieht er sich oft mit Vorurteilen konfrontiert. „Die
       Leute sagen, du stehst auf Miniröckchen, bist eine Tunte oder schwul.“ Oft
       verglichen viele „Sailor Moon“ mit Barbie. „Aber gibt es bei Barbie
       homosexuelle Paare?“
       
       Im Jubiläumsjahr feiert das Team von SailorMoonGerman die glubschäugige
       Heldin mit der Kampagne „#SailorPride“. „Wir sind einfach stolz, Fans zu
       sein“ sagt Stavros, der Initiator der Kampagne. Nach einer Fan-Ausstellung
       auf der Manga-Comic-Convention der Leipziger Buchmesse präsentierte sich
       der Fanclub beim Japan-Tag in Düsseldorf und der Messe Gamescom.
       
       #SailorPride steht für den Fan-Stolz, den Mut, zu seinem Idol zu stehen:
       „Moonies, traut und zeigt euch! Wir verstecken uns nicht mehr!“ Die
       Anhänger von SailorMoonGerman sind Kinder der 80er und 90er Jahre. Sie
       präsentieren sich gern in der Öffentlichkeit, gehen auf Messen und auf
       Anime-Conventions. Bunny Tsukino ist der Spiegel der Fans, eine
       Identifikationsfigur mit Streichholzbeinen und verlegenem Kichern, die den
       jungen Zuschauern Mut machen soll.
       
       Wenn Désirée zum Titelsong ansetzt, stimmen die Fans mit ein: „Sag das
       Zauberwort und du hast die Macht / Halt den Mondstein fest und spür die
       Kraft / Du kannst es tun, oh, Sailor Moon / Kämpfe für den Sieg über
       Dunkelheit / Folge deinem Traum von Gerechtigkeit / Du kannst es tun, oh,
       Sailor Moon.“
       
       ## Mit goldblonder Perücke auf der Bühne
       
       Désirée ist 26 und studiert in Düsseldorf Modernes Japan und Romanistik.
       Sie singt in der Gruppe „Yume“, zu Deutsch „Traum“, und spezialisiert sich
       auf die „Sailor Moon“-Musicals aus Japan. In Matrosenanzug und goldblonder
       Perücke steht sie bei Conventions auf der Bühne und präsentiert „Sailor
       Pride – Das Sailor Moon Tribute-Album“. Mehr als 600-mal hat es sich seit
       der Vorstellung auf dem internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart im
       Mai verkauft.
       
       Für Stavros ist der Höhepunkt die „Sailor Pride Convention“ im Rahmen der
       „Mega-Manga-Convention“ (MMC) vom 23. bis 25. Oktober in Berlin. Er sammelt
       Spenden unter den Fans, um im Fontane-Haus ein Wochenende „20 Jahre ‚Sailor
       Moon‚ in Deutschland“ zu feiern. 1.200 Euro benötigt er, um etwa Stargast
       Marco Albiero, „Sailor Moon“-Styleguide-Zeichner, aus Italien für eine
       Signierstunde einfliegen zu lassen.
       
       Daniela ist im Fan-Club vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig,
       fotografiert, stellt auf YouTube Rezensionen der neuesten „Sailor
       Moon“-DVD-Box online. Sie nennt sich „Jägerin“, weil sie seit Jahren alles
       an Merchandise ersteigert, was sie im Internet aufstöbern kann. Als die
       Serie in Deutschland startete, war sie 15 und konnte sich vom Taschengeld
       keine der Fanartikel leisten.
       
       Ihre Eltern fanden die „Zeichentrick-Leidenschaft“ kindisch und meinten,
       sie solle endlich aufhören zu spielen. Als Erwachsene kann sie sich die
       Merchandise-Produkte endlich kaufen, muss aber mit den Vorurteilen anderer
       kämpfen. Ihre Sammlung hat mittlerweile einen Wert im fünfstelligen
       Bereich. Zu Beginn versteckte sie ihre Schätze im Schrank. „Doch diese
       Zeiten sind vorbei. Jetzt habe ich alles in der Wohnung ausgestellt. Auch
       das lehrt einen „Sailor Moon“: Steh zu dir selbst und glaub an dich.“
       
       ## Sailor Moons Unvollkommenheit macht den Reiz aus
       
       Ihr Bargeld verwahrt sie in einem Geldbeutel mit dem Motiv ihrer
       Lieblingsserie. Auf ihrem schwarzen Shirt steht der Slogan: Sailor Pride.
       Serienheldin Bunny Tsukino ist für sie zur Begleiterin geworden. „Sie ist
       eine Heulsuse, steht aber dazu. Ich habe meine Schwächen früher immer
       versteckt, um stark zu wirken.“ Laut Daniela macht die Unvollkommenheit der
       Heldin ihren Reiz aus.
       
       „‚Sailor Moon‚ zeigt uns, dass man im Leben kämpfen muss.“ Daniela
       organisierte Fantreffen, bevor sie Stavros kennenlernte und sich
       SailorMoonGerman anschloss. „Ich wollte, dass sich Fans nicht nur online
       austauschen.“ Ein Ansporn für sie war, ihrer Familie zu zeigen, dass sie
       mit ihrer Liebe zu einer Kinderserie nicht allein sei. „Wenn ich ein Alien
       bin, gibt es mehr von mir. Andere geben Geld für Konzerte aus, wir für
       Conventions.“
       
       Fanclub-Leiter Stavros ärgert sich, dass viele glauben, Anime-Fans stünden
       nicht mit festen Beinen im Leben. Seine Lieblingsfigur: Sailor Pluto. Mit
       ihr kann er sich identifizieren. „Sie ist einsam und sehr pflichtbewusst.
       Ich selbst habe erst durch den Club Freunde gefunden, davor war auch ich
       allein“, erzählt er. Der Fanclub und das Bloggen über „Sailor Moon“ wurden
       zum Hobby. „Dank meiner Erfahrung als Blogger bekam ich einen Job in einer
       Marketingagentur, das alles nur wegen ‚Sailor Moon‚!„
       
       Die Serie hat auch Danielas Leben verändert, sagt sie. Ihren Mann lernte
       sie an Stavros’ Arbeitsplatz kennen, ein Kollege, der die Liebe zur Serie
       teilt. Und selbst ihre Eltern zeigen mittlerweile Verständnis für ihre
       Leidenschaft. Als Danielas Mutter operiert werden sollte, war es eine
       befreundete Moonie, die einen schnellen OP-Termin organisieren konnte. „Da
       hat meine Mutter verstanden, dass die Fans normale Leute sind und ‚Sailor
       Moon‚ kein Kinderkram ist.“
       
       13 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ljuba Naminova
 (DIR) Isabel Stettin
       
       ## TAGS
       
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