# taz.de -- Die Wahrheit: Schundbuch gebannt
       
       > Neues aus Neuseeland: Moralhüter erregen sich über ein preisgekröntes
       > Jugendbuch. Und setzen tatsächlich ein Verkaufsverbot durch.
       
 (IMG) Bild: Raus aus dem Regal: Der Kindle E-Reader ist bei Waterstones nur ein Ladenhüter.
       
       Ich habe mir im Internet ein Jugendbuch gekauft und habe schon jetzt ganz
       rote Ohren – nicht nur wegen der vielen heißen Szenen, die darin auf mich
       warten, sondern weil ich jetzt praktisch mit einem Bein im Knast stehe. Der
       Roman ist nämlich seit Neuestem in Neuseeland verboten.
       
       „Into the River“ des 64-jährigen Autor Ted Dawe handelt von dem
       hochbegabten Maori-Jungen Te Arepa, der sein Dorf verlässt, als er ein
       Stipendium für ein Elite-Internat in Auckland gewinnt. Dort ändert sich
       sein Leben dramatisch. Er benennt sich in Devon Santos um, rast in
       frisierten Autos durch die nächtliche Großstadt und dealt mit Drogen. Und
       jetzt kommt’s: Der Teenager benutzt schweinische Ausdrücke und macht erste
       sexuelle Erfahrungen.
       
       Das ist kein Schund, sondern einfach nur realistisch – so sehr, dass es gar
       dazu führen könnte, dass Jugendliche diese Seiten verschlingen, die sonst
       nie Bücher anfassen. Es ist ein gutes Werk, das von allen Literaten im
       Lande hoch gelobt wird und sogar 2013 einen Preis als bestes Buch des
       Jahres gewann. Aber seitdem wird auch um „Into the River“ gezankt.
       
       Über 400 Beschwerden gingen bei der Zensurbehörde ein, in erster Linie von
       der ultrarechten Christenlobby „Family First“. Deren Moralvorsteher Bob
       McCoskrie ist meinen treuen Lesern bekannt, seit er sich vor Jahren für die
       Prügelstrafe und das Ohrfeigen von Kindern starkmachte. Jetzt hat er „Into
       the River“ gleich an den richtigen Stellen aufgeschlagen und mitgezählt:
       Neunmal komme „das C-Wort“ („cunt“ – zu Deutsch Fotze), 17 Mal „das F-Wort“
       („fuck“) und 16 Mal der Kraftausdruck „s-h-i-t“ von. Den hat McCroskie im
       Radiointerview genau so ausbuchstabiert. Danach musste er sich den Mund mit
       Seife waschen.
       
       „Into the River“ bekam schon vor zwei Jahren eine „R14“-Auflage: Keine
       Abgabe in Büchereien und Buchläden an Leser unter 14 Jahren. Letzten Monat
       beschloss der stellvertretende Chef-Zensor Neuseelands, dass das Buch keine
       Altersbeschränkung haben solle. Dem machte jetzt der Vorsitzende der
       Prüfstelle, ein Anwalt und bekennender Christ, einen Strich durch die
       Rechnung und verhängte einen vorübergehenden Bann. Das hat es seit 22
       Jahren nicht mehr geben, als „How to make your own Bazooka“ vom Markt
       genommen wurde. Das war eine Anleitung zum Waffenbasteln.
       
       Der Schuss geht nach hinten los: Eine bessere Werbung kann sich der Autor
       kaum wünschen. Allerdings lässt sich das Buch ab sofort nicht mehr
       ausleihen oder im Laden kaufen. Damit würde man eine Strafe von 3.000
       Dollar riskieren und der Buchhändler gar 10.000 Dollar. Man kann das
       Taschenbuch zwar online bestellen – für stolze 50 Dollar wird es aus
       England verschickt, aber es über die Grenze zu schmuggeln ist eine
       Straftat. Wer es, wie ich, als E-Buch auf seinen Kindle lädt, macht sich
       dann strafbar, wenn er andere mitlesen lässt oder es weiterreicht. Das
       macht die Rechtslage so ähnlich wie beim Kiffen: Eigenkonsum wird
       toleriert, Weitergabe ist verboten.
       
       10 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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