# taz.de -- US-Botschaft in Havanna eröffnet: „Habt keine Angst“
       
       > Jahrzehntelang galt Kuba für die USA als Feindesland. Das Verhältnis der
       > Staaten war vergiftet. Nun weht wieder eine US-Flagge in Havanna.
       
 (IMG) Bild: Eine Demonstration von Völkerfreundschaft in Havanna mit dem kapitalistischen Erzfeind.
       
       Havanna dpa | Als das Sternenbanner am Morgen des 5. Januar 1961 schon
       nicht mehr in Havanna wehte, wedelten ein paar Kubaner dort immer noch mit
       ihren Pässen. Sie drängelten vor dem verschlossenen Eingang der
       US-Botschaft und bettelten nach Visa. Protestähnliche, hysterische Szenen
       hätten sich vor dem Betonklotz an der Flaniermeile Malecón abgespielt,
       berichtete die „New York Times“ an jenem Tag. Das vergiftete Verhältnis zum
       großen Bruder USA konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele „Cubanos“
       den Amerikanern nachweinen würden – vor allem diejenigen, die den
       Inselstaat verlassen wollten.
       
       Gut ein halbes Jahrhundert später wird das Rad der Geschichte zurückgedreht
       – und das Sternenbanner weht wieder. Die Eröffnung der amerikanischen
       Botschaft im sozialistisch regierten Kuba ist vor allem ein symbolischer
       Akt: Washington lässt für die Zeremonie genau die drei US-Marinesoldaten
       nach Havanna einfliegen, die das Banner nach dem Aufstieg des
       Revolutionsführers Fidel Castro vom Fahnenmast holten. Nun überreichen die
       betagten Männer die sorgfältig gefaltete Flagge ihren jungen Nachfolgern,
       die das blaurotweiße Stück Stoff unter strenger Einhaltung des Protokolls
       vor der Botschaft hissen.
       
       „Wir wissen, dass der Weg zu vollständig normalisierten Beziehungen lang
       ist“, sagt John Kerry, der als erster US-Außenminister seit 1945 – damals
       residierte noch Harry Truman im Weißen Haus – kubanischen Boden betreten
       hat. „Habt keine Angst“, besänftigt er die Kubaner auf Spanisch, und lobt
       die „mutige Entscheidung“ der Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama, der
       diplomatischen Eiszeit ein Ende zu bereiten. US-Invasion in der
       Schweinbucht, Stationierung von Mittelstreckenraketen im Kalten Krieg, ein
       immer noch bestehendes Wirtschaftsembargo der USA: Das über Jahrzehnte
       geschürte Misstrauen beider Seiten sitzt tief. Nun will Kerry die Wogen
       glätten.
       
       Trotz dieser Charmeoffensive ist der sozialistische Karibikstaat um
       Normalität bemüht. Die Staatsmedien berichten nur ganz am Rande über den
       historischen Besuch Kerrys, wichtiger ist ihnen der 89. Geburtstag des
       Revolutionsführers Fidel Castro, ausgerechnet einen Tag vor der großen
       Feier am Malecón. Der seit 2006 schwer kranke „Máximo Líder“, eigentlich
       nur noch ganz selten in der Öffentlichkeit zu sehen, ist am Tag seines
       Jubiläums sogar unterwegs in Havanna.
       
       ## Lange Wunschzettel
       
       Auch die kubanische Top-Diplomatin Josefina Vidal, die monatelang die
       Bedingungen für die Botschaftseröffnung aushandelte, gibt sich nüchtern.
       Die viel komplexere Phase fange jetzt erst an, sagt sie. Ganz oben auf
       ihrer Prioritätenliste steht das Ende des seit den 1960er Jahren
       bestehenden Embargos. Und auch die US-Vertreter haben zu den Verhandlungen
       einen langen Wunschzettel mitgebracht und fordern nach wie vor ein Ende der
       systematischen Einschüchterung von Regimekritikern in dem Einparteienstaat.
       
       Mit einer „echten Demokratie“, in der die Menschen frei wählen und die
       Zivilgesellschaft aufblühen könne, sei Kuba besser dran, mahnt deshalb auch
       Kerry. Konkreter wird er nicht. Und von den Dissidenten, die dem
       Castro-Regime seit jeher ein Dorn im Auge sind, ist bei der Zeremonie am
       Freitag auch niemand zu sehen. Es handle sich um eine Veranstaltung zweier
       Regierungen, hatte es vorher zur Begründung aus dem State Department
       geheißen, und der Platz vor der neuen Botschaft in Havanna sei zudem
       „extrem begrenzt“. Immerhin will Kerry einige Dissidenten nach dem großen
       Tamtam an der Botschaft treffen.
       
       Die schaulustigen Kubaner haben unterdessen Hoffnung auf echten Wandel.
       „Für mich ist es sehr emotional“, sagt der 26-jährige Osslandy López. „Ich
       hoffe nun auf eine Wende, ich will politische, soziale, wirtschaftliche
       Veränderungen. Ich will alles.“ Schon zwei Stunden vor Beginn der Zeremonie
       stand er vor der Botschaft in der sengenden Hitze. Auch die 57-jährige
       Binora García spricht von einem „historischen Tag“.
       
       Andere mögen nach der jahrelangen Misere nicht mehr so richtig daran
       glauben. „Bei uns bleibt alles gleich“, sagt etwa César Aroche resigniert.
       Der 63-Jährige fährt jeden Tag Fahrgäste mit seiner Fahrrad-Rikscha in der
       Altstadt von Havanna. Nicht mal die Aussicht auf mehr US-Touristen vermag
       ihn mit Blick auf die Zukunft optimistisch zu stimmen. Die Feier wolle er
       nicht im Fernsehen verfolgen, versicherte Aroche. „Ich vergeude meine Zeit
       nicht.“
       
       14 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Isaac Risco
 (DIR) Johannes Schmitt-Tegge
       
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