# taz.de -- Saddams Exoffiziere in der IS-Führung: Erbe der Diktatur
       
       > Unter den Anführern des IS finden sich viele Offiziere des alten
       > irakischen Regimes. Ihnen verdankt die Terrormiliz viele ihrer Erfolge.
       
 (IMG) Bild: IS-Unterstützer demonstrieren vor dem Provinzregierungsgeäude in Mosul. (Archivbild von 2014)
       
       Bagdad ap | Während seiner Ausbildung an der irakischen
       Heeresartillerieschule vor fast 20 Jahren fiel Ali Omran ein bestimmter
       Major besonders auf. Der islamische Hardliner rügte Omran, weil dieser beim
       Gang auf die Toilette eine Anstecknadel mit der irakischen Flagge und den
       Worten „Gott ist groß“ trug. Die Religion verbiete es, den Namen des
       Allmächtigen an einen solchen Ort zu bringen, habe Major Taha Taher al-Ani
       gesagt, erinnert sich Omran. Erst Jahre später, 2003, sah er Al-Ani wieder.
       Die US-Streitkräfte waren im Irak einmarschiert, der Sturz von Machthaber
       Saddam Hussein stand kurz bevor.
       
       Auf einem Militärstützpunkt nördlich von Bagdad befehligte Al-Ani das
       Beladen von Lastwagen mit Waffen und Munition, um sie verschwinden zu
       lassen. Er nahm diese Waffen mit, als er sich Tauhid wa‘l-Dschihad
       anschloss, einem Vorläufer von Al-Kaida im Irak. Heute sei Al-Ani ein
       Kommandeur der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sagt Omran, der
       inzwischen ein Generalmajor des irakischen Heeres ist und als Kommandeur
       der Fünften Division gegen den IS kämpft. Der Werdegang seines früheren
       Kameraden ist bei weitem kein Einzelfall.
       
       Die oberste Führungsebene des IS unter ihrem irakischen Anführer Abu Bakr
       al-Bagdadi werde von früheren Offizieren der Streitkräfte und der
       Geheimdienste von Saddam Hussein dominiert, sagen ranghohe irakische
       Offiziere und Vertreter der Geheimdienste. Ihre Erfahrung sei ein
       wesentlicher Grund für die Erfolge des IS in großen Teilen des Iraks und
       Syriens. Sie hätten dem IS die Organisation und Disziplin vermittelt, die
       nötig seien, um Kämpfer aus aller Welt zu vereinen und Terrortaktiken wie
       Selbstmordanschläge mit Militäroperationen zu verbinden. Sie leiteten das
       Sammeln geheimer Informationen, das Ausspionieren der irakischen
       Streitkräfte und die Instandhaltung der Waffen. Zudem versuchten sie, ein
       Chemiewaffenprogramm zu entwickeln.
       
       Mehrere Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre führten dazu, dass Offiziere
       von Saddam Husseins überwiegend säkularem Regime eine der radikalsten
       islamistischen Gruppierungen weltweit durchdrangen. Dazu zählt unter
       anderem eine staatliche „Glaubenskampagne“ zur Islamisierung der
       Gesellschaft Mitte der 90er Jahre. Islamistische Hardliner in den
       Streitkräften wurden fortan geduldet, wenngleich sie keine
       Kommandopositionen einnehmen durften. Der Schritt wurde damals als Versuch
       des Regimes gewertet, nach der Niederlage des Iraks gegen Kuwait im
       Golfkrieg 1991 und den folgenden Aufständen von Kurden und Schiiten
       politische Unterstützung vom religiösen Establishment zu erhalten.
       
       Im Vorfeld der US-Invasion 2003 lud Saddam Hussein öffentlich Mudschahedin
       aus dem Ausland in den Irak ein, um gegen die Invasoren zu kämpfen.
       Tausende kamen und wurden von irakischen Ausbildern geschult. Nach dem
       Zusammenbruch des Regimes schlossen sich Hunderte Offiziere aus Empörung
       über die US-Entscheidung, das irakische Heer aufzulösen, einem Aufstand von
       Sunniten gegen die Herrschaft der inzwischen an die Macht gekommenen
       Mehrheit der Schiiten an. Zunächst waren die Aufständischen überwiegend
       säkular geprägt, doch später nahm unter ihnen die Bedeutung militanter
       Islamisten zu, insbesondere nach der Gründung von Al-Kaida im Irak.
       
       ## Mindestens vier Exoffiziere im IS-Militärrat
       
       Al-Bagdadis Stellvertreter ist der ehemalige Heeresmajor Saud Mohsen
       Hassan, der auch diverse Pseudonyme nutzt, wie der Leiter einer
       Terrorabwehreinheit des Geheimdienstes sagt. Während der 2000er Jahre war
       Hassan im US-geführten Gefangenenlager Bucca inhaftiert, dem Hauptgefängnis
       für Mitglieder des sunnitischen Aufstands. Dieses war auch eine bedeutende
       Keimzelle des IS. Dort kamen Islamisten wie Al-Bagdadi in Kontakt mit
       früheren Offizieren von Saddam Hussein, darunter Mitglieder von
       Spezialkräften wie der Republikanischen Garde. Al-Bagdadi hielt Predigten,
       und Hassan tat sich laut dem Geheimdienstleiter als effizienter Organisator
       hervor, der Häftlingsstreiks anführte, um von den Amerikanern
       Zugeständnisse zu erreichen.
       
       Frühere Häftlinge aus Bucca finden sich nun in der IS-Führung wieder. Unter
       ihnen ist Abu Alaa al-Afari, der früher bei Al-Kaida war und jetzt
       Finanzchef beim IS ist. Dies geht aus einem Schaubild hervor, das der
       Geheimdienstchef, der anonym bleiben möchte, der Nachrichtenagentur ap
       vorlegte. Es soll die Hierarchie der Terrormiliz darstellen. Al-Bagdadi
       habe zudem eine Reihe dieser Vertrauten in den Militärrat berufen, der
       sieben bis neun Mitglieder haben soll. Mindestens vier von ihnen sind
       ehemalige Offiziere von Saddam Hussein. Andere frühere Bucca-Insassen nahm
       er in seinen inneren Zirkel auf. Veteranen aus der Saddam-Hussein-Ära
       fungierten als „Gouverneure“ von sieben der zwölf „Provinzen“, die der IS
       in dem von ihm beherrschten Gebiet im Irak einrichtete.
       
       Offizielle irakische Stellen räumen allerdings ein, dass es schwierig sei,
       die Führung des IS und dessen Hierarchien zu durchschauen. Die Terrormiliz
       selbst gibt so gut wie nie Namen oder Pseudonyme ihrer Führungsmitglieder
       bekannt. Wird eines getötet, ist oft nicht bekannt, wer dessen Platz
       einnimmt. Mehrere von ihnen wurden mehrfach für tot erklärt, tauchten
       später aber lebend wieder auf. Manche nehmen einfach ein neues Pseudonym
       an. „Wir wissen oft nicht, wer wen in der Führung ersetzt“, sagt ein
       Brigadegeneral des militärischen Geheimdienstes. „Es ist uns nicht möglich,
       die Gruppierung zu infiltrieren. Es ist erschreckend.“
       
       ## Unterstützung von Stammesführern
       
       Schätzungen über die Zahl der Veteranen aus der Saddam-Ära im IS reichen
       von 100 bis 160, überwiegend in mittleren und ranghohen Positionen. Viele
       von ihnen haben enge Stammesverbindungen oder sind die Söhne von
       Stammesführern in ihren Regionen, was dem IS ein wichtiges Netzwerk der
       Unterstützung verschafft und bei der Anwerbung neuer Kämpfer hilft. Dies
       soll dem IS auch bei der Einnahme der Stadt Ramadi im Mai geholfen haben.
       Mehrere Offiziere sagen, sie glaubten, IS-Kommandeure hätten
       Stammesgenossen unter den Sicherheitskräften überredet, ihre Positionen
       kampflos zu verlassen.
       
       Die Kenntnisse der Offiziere aus der Saddam-Ära seien jetzt Teil der DNA
       des IS, sagt Michael Ryan, ein früherer ranghoher Beamter der
       US-Ministerien des Äußeren und der Verteidigung. „Dieses Verschmelzen der
       irakischen Erfahrung und dessen, was wir die afghanisch-arabische Erfahrung
       nennen können“, sei zum einzigartigen IS-Markenzeichen geworden. „Dieses
       Markenzeichen wurde letztlich im Irak erfolgreicher als Al-Kaida im Irak
       und, zumindest vorerst, in Syrien stärker als Al-Kaida.“
       
       11 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hamza Hendawi
 (DIR) Qassim Abdul-Zahra
       
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