# taz.de -- Saisonstart von Hertha BSC Berlin: Auf dicke Hose machen reicht nicht
       
       > Berlin hat auch im tiefen Westen eine Riesenbaustelle: Hertha BSC. Die 7
       > größten Problemzonen, analysiert von der taz.
       
 (IMG) Bild: Kann man Hertha nicht oft genug sagen!
       
       ## Das Image
       
       Mal ganz einfach gefragt: Welches Image hat Hertha BSC? Na, kommen Sie
       drauf? Nun gut, der Verein verkörpert irgendwie noch das alte West-Berlin,
       aber diese Geschichte ist ja nun auch schon ein Weilchen her.
       
       Und sonst? Viel kann man über Hertha nicht sagen. Ein Bundesliga-Klub eben.
       Einer, der seit Jahren nur noch in Berlin wahrgenommen wird und darüber
       hinaus eben existiert – mal in Liga eins, mal in Numero zwei. Beim
       Hamburger SV hat man es immerhin geschafft, das Versagen ganz gut zu
       vermarkten. Selbst dazu ist Hertha zu sehr Mittelmaß.
       
       Hauptstadtklub? Ja – ein Verein, der zufällig aus der Hauptstadt kommt, mit
       der er aber sonst so wenig zu schaffen hat wie das Berghain mit der
       Spandauer Eckkneipe.
       
       Lösung: Baut die Mauer wieder auf – auf eine Baustelle mehr kommt’s auch
       nicht mehr an.
       
       ## Der Style
       
       Schließt sich nahtlos an Problem 1 an. Hertha ist zu sehr HaHoHe. Bisschen
       schunkeln, noch ne Schulle, nebenbei läuft Hertha in der Eckkneipe:
       Berlin-Folklore.
       
       Es gibt wenig an und in diesem Verein, das einen daran erinnert, dass 2015
       ist und nicht 1986. Es gibt auch keine schillernden Figuren. Ingo Schiller,
       Geschäftsführer: Nur dem Namen nach. Pál Dárdai, Trainer: Typ okayer, auch
       durchsetzungsfähiger Sportlehrer, steht aber nicht gerade für einen
       Neuanfang. Michael Preetz, Manager: Hat sich kürzlich immerhin einen Bart
       stehen lassen und trägt Hornbrille – in Neuköllner Szenebars war er
       hingegen noch nicht zu sehen.
       
       Und die Spieler? Wenn man sportlich nicht hervorsticht, könnte man ja
       wenigstens abseits des Platzes irgendwas darstellen. Tore: Fehlanzeige.
       Style: Fehlanzeige.
       
       Lösung: www.stilberatung.de.
       
       ## Die Mentalität
       
       Und dann ist auch noch die gute alte Berliner Manier, auf dicke Hose/dicke
       Eier zu machen, perdu! Es scheint keinen im Umfeld des Klubs zu geben, der
       positiv auf diese Saison blickt. Hertha-Trainer Dárdai sagte während der
       Vorbereitung: „Wenn das klappt, was wir geübt haben, holen wir zehn Punkte
       mehr.“
       
       Das könnte man wie folgt übersetzen: Sollte es wider Erwarten gelingen,
       dass das Training was gebracht hat, könnten wir mit viel Glück Platz acht
       erreichen (auf dem 8. Platz hätte man mit zehn Punkten mehr am Ende der
       vergangenen Saison gestanden). Dárdai schränkt selbst ein: „Falls sich
       wieder zwei, drei Schlüsselspieler verletzen, kann es auch so eng werden
       wie letzte Saison.“ Puh, so klingt Zuversicht.
       
       Lösung: Dicke Hose raus – Realismus wird überbewertet.
       
       ## Der Verhinderungsfußball
       
       Hertha reagiert, Hertha agiert nicht. Es gibt keinen Hertha-Weg, um ein
       Spiel zu gewinnen; kein Konzept, das man dem Gegner aufzwängen kann, um zum
       Erfolg zu kommen. Geschweige denn ein magisches Dreieck, eine gefürchtete
       Raute oder eine griffige Flügelzange. Auch bezüglich der Taktik, des
       spielerischen Selbstverständnisses fragt man sich, wofür Hertha eigentlich
       steht. Alle Trainer seit Lucien Favre (bis September 2009) sind daran
       gescheitert, ein Gesamtkonzept für den Profibereich zu entwickeln.
       
       Lösung: Sich ein Konzept ausdenken!
       
       ## Das Ära-Problem
       
       In Berlin bekommt man andernorts Probleme, wenn es darum geht, eine Ära zu
       beenden. Die Ära Wowereit, die Ära Castorf, die Ära Mehdorn … äh, ach nee!
       Egal. Bei Hertha fängt erst gar keine Ära an.
       
       Die letzte, die diese Bezeichnung verdient und an die sich Lebende noch
       erinnern, ist die Zeit unter Jürgen Röber. Er war in seinen sechs Jahren
       bis 2002 auch der letzte, bei dem von der Länge der Amtszeit her die Rede
       davon sein könnte. Im Jahr 2000 zählte Hertha unter ihm zu den besten
       sechzehn Teams – Achtung! – Europas.
       
       In den vergangenen zehn Jahren hat Hertha übrigens elf Trainer (inklusive
       Interimstrainer) verschlissen.
       
       Lösung: Mit Frank Castorf, Klaus Wowereit, Bernhard Blaszkiewitz sind doch
       einige Leute in Berlin (bald) beschäftigungslos – und überhaupt:
       Sachverstand wird auch überbewertet.
       
       ## Der zweite Frühling
       
       Ach, wäre es doch schön, würde Hertha mal einen zweiten Frühling erleben,
       der erste liegt ja schließlich auch schon ein paar Jahrzehnte zurück – es
       war 1930 und 1931 (siehe Seite 41). Aber nein, stattdessen hat man Spieler
       im Kader, bei denen man auf einen zweiten Frühling hofft – Stürmer Salomon
       Kalou etwa (und noch steht auch Ronny unter Vertrag). Insgesamt tummeln
       sich da einige, bei denen man auf den späten Durchbruch hofft, die aber
       ewige Talente bleiben.
       
       Immerhin hat man erkannt, dass John Heitinga in Berlin ein einziges
       Missverständnis war und konnte ihn nach Amsterdam transferieren – weitere
       Altlasten wie Peter Niemeyer und Sandro Wagner reichte man Richtung
       Darmstadt weiter.
       
       Dass man mit Nico Schulz ein großes Talent aus der eigenen Jugend nicht
       langfristig binden kann und er wahrscheinlich bald den Klub verlassen wird,
       passt dennoch ins Bild.
       
       Lösung: Frischzellenkur.
       
       ## Das Verletzungspech
       
       Ja, auch das Glück war Hertha zuletzt nicht hold. In der vergangenen Saison
       fielen reihenweise Leistungsträger aus, etwa Fabian Lustenberger, Tolga
       Ciğerci und Änis Ben-Hatira – Alexander Baumjohann musste nach zweiten
       Kreuzbandriss gar die ganze Saison aussetzen (jetzt ist er wieder an Bord).
       
       Dafür hat Hoffnungsträger Mitchell Weiser (kam in diesem Sommer von den
       Bayern) gleich mal die Bänder lädiert und fällt für einige Wochen aus.
       
       Knieverletzt waren zuletzt Sami Allagui, der aus Mainz zurückkehrte, und
       Stürmer Julian Schieber. Von dieser Stelle eine gesunde Saison 2015/16!
       
       Lösung: Umbenennung in – Fortuna Berlin.
       
       15 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
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