# taz.de -- Streit um Freiluftkultur: Kleingärtner verhindern Festival
       
       > Ein Festival des Zuckerwerks an der Ochtum wird nicht fortgesetzt.
       > Nachbarn bemängelten Ruhestörung. Dabei war alles angemeldet.
       
 (IMG) Bild: Geile Party, cooler Sound - ist das Ding auch angemeldet? Diesmal schon, aber genutzt hat es wenig.
       
       BREMEN taz | An der Ochtum sind die Bässe etwas früher verstummt als
       geplant: Eigentlich sollte an den ersten beiden Augustwochenenden unter dem
       Titel „Ochtum! Ochtum! Hier spricht die Polizei“ in Grolland ein Festival
       stattfinden. Feiern mit politischem Anspruch war das Konzept, ohne
       „Patrioten, Ellenbogen-Typen und selbsternannte SchützerInnen des Lebens,
       der Ehe und der Kinder“, wie es in der Ankündigung hieß.
       
       Alles war ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt. Anlagen wurden aufgebaut,
       die Bäume mit Lichtern bestrahlt, Buden gebastelt. Insgesamt etwa 700 Leute
       kamen am vergangene Wochenende, sagen die Veranstalter des Zuckernetzwerks,
       die nun dennoch eine ernüchternde Bilanz ziehen müssen: 35 Beschwerden
       wegen Ruhestörung sind eingegangen, der ansässige Kleingartenverein ging
       auf die Barrikaden. Den Veranstaltern wurde das zu hitzig, sie sagten die
       Fortsetzung des Festivals für dieses Wochenende ab.
       
       „Vielleicht war den Leuten nicht klar, dass das hier keine Party mit
       Ghettoblaster wird“, sagt Akifa Taxim vom Zuckernetzwerk. Anstatt eines
       Ghettoblasters, also einer tragbaren Kompakt-Musikanlage, stand eine
       hallmächtige Anlage auf der Wiese. Aus dem Umfeld des Netzwerks heraus
       wurden auch immer wieder nicht angemeldete Freiluftpartys organisiert.
       
       Dieses Mal jedoch hatten sich die Organisatoren für den Gang durch die
       Behörden entschieden – was auch tatsächlich gut funktionierte. Als große
       Schwierigkeit stellte sich im Vorfeld eher die Wahl der richtigen Lage
       heraus. Die eine Möglichkeit entpuppte sich als Naturschutzgebiet, im
       zweiten Fall stellten sich die Kleingärtner schon gleich am Anfang quer:
       „Auf keinen Fall Techno!“ ist laut Taxim die deutliche Ansage gewesen.
       
       ## Beirat und Bauamt im Boot
       
       Der Fund des Geländes an der Ochtum erschien dann zunächst wie ein
       Glücksfall. Der Bremer Deichverband, dem das Gelände gehört, war der Idee
       gegenüber nicht nur aufgeschlossen, sondern stellte sogar den Strom. Auch
       der Huchtinger Beirat war einverstanden. Und sogar das Bauamt setzte sich
       für die Veranstaltung ein. Das sieht auch Taxim positiv: „Wir können der
       Stadt hier keinen Vorwurf machen. Insbesondere das Bauamt hat alles
       gegeben, um das Festival zu ermöglichen.“
       
       Das ist durchaus ein neuer Ton: In der Vergangenheit hat das Zuckernetzwerk
       nicht gerade mit Kritik an der Stadt gespart: sei es die jahrelange
       erfolglose Suche nach einer Immobilie für den 2012 geschlossenen Club
       „Zucker“ oder das Vorgehen der Polizei gegen unangemeldete Freiluftpartys
       in den letzten Jahren, die in der Regel sofort aufgelöst wurden.
       
       ## Kein Platz für Technokultur
       
       Doch auch wenn Taxim die Zusammenarbeit mit den Behörden in diesem Fall
       lobt, macht sich bei ihm doch zunehmende Frustration breit: „Wir haben das
       Gefühl, dass es nicht möglich ist, unser Kulturformat hier in die Tat
       umzusetzen.“ Mal fehlen die Flächen, mal schreitet vorzeitig die
       Staatsgewalt ein. Im Falle des Festivals an der Ochtum erwies sich nun auch
       der Platz zumindest in einer Hinsicht als ungeeignet: Die Bässe wummerten
       nachts bis Huchting hinüber, was auch die Veranstalter nicht abstreiten.
       Den massiven Ärger vieler Anwohner kann Taxim nachvollziehen.
       
       Die Schwierigkeiten für unkommerzielle Partys hat auch die Linke Ende Juli
       in einer großen Anfrage an den Senat aufgegriffen: Die für solche Feiern
       zur Verfügung gestellten Flächen seien unzureichend, die Auflagen zu
       strikt, heißt es dort. „Es wird oft so dargestellt, als hätten
       Freiluftpartys grundsätzlich etwas Unruhestiftendes“, sagt Miriam Strunge,
       kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
       
       Junge Menschen sollten aber die Möglichkeit haben, unkommerziell und
       spontan ihre eigenen Feiern zu organisieren, „so lange niemand gestört
       wird“. Die Polizei löse aber Partys auf, teils ohne klar zu kommunizieren,
       ob überhaupt eine Beschwerde vorliege. Die Linke will nun eine Debatte
       anregen, wie Feiern ohne bürokratische Hürden ermöglicht werden können.
       
       ## Zuckerwerk sucht weiter
       
       Im Falle des Ochtum-Festivals ist die Stadt dem Netzwerk entgegengekommen.
       Der vorzeitige Abbruch zeigt jedoch, wie eng gesteckt die Möglichkeiten für
       alternative Kultur in Bremen sind. Dass es einfach an den fehlenden
       geeigneten Flächen liegt, bezweifelt Strunge: „Die Frage ist doch: Gibt es
       keine Flächen oder vielleicht einfach kein Verständnis für diese Form der
       Kultur?“ Das Zuckernetzwerk bleibt indessen nomadisch und sucht weiter
       irgendwo zwischen Parzellengebiet und Industriebrache nach einem Platz zum
       Feiern.
       
       13 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Böhm
       
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