# taz.de -- Amnesty-Experte über Frauenmord-Urteil: „Verschleppt und verschleiert“
       
       > Wegen Frauenmorden sind mehrere Männer in Mexiko zu 697 Jahren Haft
       > verurteilt worden. Amnesty-Experte Wolfgang Grenz über Korruption und
       > Strafverfolgung.
       
 (IMG) Bild: Die Eltern der 2014 in Iguala verschwundenen 43 Studenten demonstrieren und fordern ihre Kinder zurück.
       
       taz: Herr Grenz, 697 Jahre Haft – das ist ein hohes Strafmaß. Bislang waren
       die Strafverfolger mit Blick auf die Frauenmorde in Mexiko zurückhaltender.
       Nimmt man die Verbrechen nun ernst? 
       
       Wolfgang Grenz: Natürlich ist das ein historisches Urteil, weil es so etwas
       in Mexiko bisher nicht gegeben hat. Aber man darf nicht vergessen, dass es
       diese Morde seit den 1990er Jahren gibt. Und sie sind nicht auf den
       Bundesstaat Chihuahua und auf Ciudad Juárez beschränkt. Es wurde aber immer
       nur von Ciudad Juárez gesprochen. Man hatte den Eindruck, dass es den
       Regierungsstellen lieb war, dass die anderen Regionen nicht ins Blickfeld
       rückten.
       
       In Mexiko gibt es enge Verstrickungen zwischen Behörden und der
       organisierten Kriminalität. Ist das auch in Ciudad Juárez der Fall? 
       
       Das möchte ich so allgemein nicht beurteilen. Aber ich erinnere mich an
       einen beeindruckenden Dokumentarfilm über die Frauenmorde von 2001. Da
       wurde ein Interview mit einer Staatsanwältin geführt, das deutlich machte,
       dass diese Frau in kriminelle Machenschaften verstrickt waren. Und so ist
       es wohl auch weitergegangen.
       
       2009 verurteilte der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof in San
       José Mexiko dazu, in den Frauenmordfällen intensiver zu ermitteln. Ist
       daraufhin etwas passiert? 
       
       Meines Wissens nicht, obwohl nie lockergelassen wurde. Die
       Interamerikanische Menschenrechtskommission und in der Folge der
       Gerichtshof werden ja erst aktiv, wenn die nationale Gerichtsbarkeit
       ausgeschöpft ist. Das heißt: Von mexikanischer Seite hat es vorher keine
       nachhaltigen Ermittlungen und keine Strafverfahren gegeben. Auch nach dem
       Urteil von San José ist der Fall im Wesentlichen versandet.
       
       Durch den Fall der 43 verschleppten Studenten in Iguala in Guerrero im
       September 2014 wurden die gewalttätigen Verhältnisse in Mexiko
       international sichtbarer. Bewegt sich etwas bei der Strafverfolgung? 
       
       Das kommt nur sehr langsam in Gang. Die mutmaßlichen Verantwortlichen, der
       Bürgermeister von Iguala sowie seine Frau, sitzen zwar im Gefängnis, wurden
       aber nicht wegen des Verschwindenlassens angeklagt. Dass seit zehn Monaten
       so wenig passiert ist, spricht für sich. Selbst die Nationale
       Menschenrechtskommission kommt zu dem Schluss, dass es viele
       Verfahrensfehler gegeben hat. Ich befürchte, dass es mit den
       Verschleppungen und Verschleierungen so weitergeht.
       
       Wie ist es zu erklären, dass die Strafverfolger so wenig unternehmen? 
       
       Im Fall der Studenten sickert allmählich durch, dass nicht nur kommunale
       Polizeieinheiten an diesem Verbrechen beteiligt waren, sondern auch die
       Bundespolizei und Regierungseinheiten. Daran möchte man nicht rühren.
       
       Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer,
       reiste nach Guerrero. Zugleich hat die Regierung eine intensivere
       Zusammenarbeit mit Mexiko angekündigt. Ist das ein richtiger Schritt? 
       
       Man hätte natürlich gern, dass die Bundesregierung anders agieren würde.
       Aber Mexiko ist ein interessanter Wirtschaftspartner. Und wirtschaftliche
       Interessen werden von der Regierung höher bewertet als Menschenrechte. Herr
       Strässer hat sich ja für den Fall entschuldigt, dass beim
       Verschwindenlassen und Töten deutsche Waffen im Spiel waren. Aber daraus
       folgt nicht unbedingt, dass sich etwas Grundlegendes verändert. Es bedürfte
       wohl noch tiefgreifenderer Ereignisse in Mexiko, um von deutscher Seite ein
       Umdenken zu bewirken.
       
       30 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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