# taz.de -- Die Wahrheit: Eamonn macht Urlaub
       
       > Keine Reise ohne irgendeinen Zwischenfall: Wenn ein alter Freund der
       > wahrscheinlich ausgeraubteste Reisende Europas ist.
       
       Eamonn will wieder verreisen, und seine Freunde sind in höchste
       Alarmbereitschaft versetzt. Eamonn ist nämlich nicht reisefähig, noch nie
       ist bei ihm ein Urlaub ohne Zwischenfall zu Ende gegangen. Es fing schon
       vor vielen Jahren an, als wir noch in Berlin lebten. Eamonn hatte aus
       Belfast angekündigt, dass er uns besuchen werde, vorher aber ein paar Tage
       in Amsterdam verbringen wolle.
       
       Eines Tages stand er vor der Tür. Auf seiner Schulter saß ein Affe. Er habe
       ihn in Amsterdam billig erstanden, sagte Eamonn, er sei sehr anhänglich.
       Letzteres bezog sich auf unsere Vorhänge, an die sich das Tier hängte und
       sie verwüstete. Dann verschwanden Eamonn und der Affe plötzlich. Zwei Tage
       später tauchte Eamonn wieder auf. Er sah nicht gut aus: Sein rechtes Auge
       war zugeschwollen, auf der Stirn hatte er eine Wunde, und er hinkte.
       
       Er habe in einem zwielichtigen Etablissement gesessen und sich ordentlich
       einen hinter die Binde gekippt, erzählte er. Dann sei er eingeschlafen. Als
       er wieder aufwachte, war seine Brieftasche weg. Er werde solange in diesem
       Lokal sitzen bleiben, bis er die Brieftasche zurückbekomme, brüllte Eamonn.
       Zum Schluss sah er noch zwei kräftige junge Männer auf ihn zukommen, der
       Rest war im Nebel des Vergessens verschwunden – ebenso wie der Affe, der
       offenbar um seinen Ruf fürchtete und das Weite gesucht hatte.
       
       Eamonn blieb noch ein paar Tage, bis Bargeld und neue Kreditkarte von der
       Verwandtschaft aus Belfast eingetroffen waren. Dann reiste er weiter nach
       Warschau. Dort bot ihm jemand auf der Straße an, seine britischen Pfund zu
       einem besonders günstigen Kurs zu tauschen. Eamonn witterte ein gutes
       Geschäft, trennte sich von seinem Belfaster Bargeld und bekam dafür ein
       ganzes Bündel fremdartiger Geldscheine. Als er mit einer der Banknoten sein
       Bier bezahlen wollte, stellte er fest, dass das Geld auch für einen Polen
       fremdartig war. Man hatte ihm türkische Lira angedreht. Ein paar Tage
       später kam in der britischen Botschaft frisches Geld von Freunden aus
       Belfast an. Die waren froh, als Eamonn endlich wieder zu Hause war.
       
       Doch selbst dort war er vor Trickbetrügern nicht sicher. Eines Tages
       erhielt er eine E-Mail, die vermeintlich von einem Freund stammte, dem im
       Urlaub auf Zypern sein Geld gestohlen worden war. Ob Eamonn ihm per
       Bankanweisung kurzfristig aushelfen könnte? Eamonn erinnerte sich daran,
       dass ihm seine Freunde aus der Warschauer Patsche geholfen hatten, und
       überwies eine großzügige Summe nach Zypern. Er war recht erstaunt, als er
       seinen Freund bereits am nächsten Tag zufällig in Belfast traf. Der
       bescheinigte Eamonn, dass er der einzige ihm bekannte Mensch sei, der auf
       diese uralte Masche hereingefallen sei.
       
       Eamonn lernte nach all dem nichts dazu. Auch in den folgenden Jahren
       passierten ihm auf Reisen immer wieder üble Missgeschicke. Er ist
       vermutlich der am meisten ausgeraubte Reisende Europas. Jetzt hat er
       verkündet, dass er in zwei Wochen nach Mumbai fliegen wolle. Wenn Europas
       Kleinganoven Wind davon bekommen, werden sie dort bereits auf ihn warten.
       
       29 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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