# taz.de -- Chinas Zivilgesellschaft gefährdet: NGOs droht die totale Kontrolle
       
       > Staatsoberhaupt Xi Jinping zieht die Zügel an: NGOs sollen künftig der
       > direkten Aufsicht der Staatssicherheit unterstellt werden.
       
 (IMG) Bild: Umweltverschmutzung wie hier im nordchinesischen Hafen Dalian ist ein großes Thema der Zivilgesellschaft.
       
       PEKING taz | Noch die Vorgängerregierung rühmte sich mit Chinas
       Fortschritten beim Aufbau der Zivilgesellschaft. Der damalige chinesische
       Premierminister Wen Jiabao wurde nicht müde zu betonen, wie wichtig
       zivilgesellschaftliche Initiativen für das Land seien.
       
       Und auch wenn schon unter seiner Regentschaft viele
       Nichtregierungsorganisationen (NGOs) immer wieder staatlichen Schikanen
       ausgesetzt waren – grundsätzlich war der Begriff der Zivilgesellschaft in
       der Volksrepublik positiv besetzt. Seit Xi Jinping vor zwei Jahren das Amt
       des Staatsoberhaupts übernommen hat, weht jedoch ein anderer Wind.
       
       Was Beobachter vor allem überrascht: Wie unverhohlen er die Zügel anzieht.
       Die neue Führung habe in den vergangenen zwei Jahren „systematisch und
       offen die Freiheiten der Zivilgesellschaft eingeschränkt“, kritisiert
       Kristin Shi-Kupfer vom China-Forschungsinstitut Merics in Berlin. Sie
       bezeichnet die aktuelle Entwicklung sowohl für inländische als auch für
       ausländische NGOs als „äußerst besorgniserregend“.
       
       Die chinesische Führung will Nichtregierungsorganisationen künftig stärker
       unter die Kontrolle ihrer Sicherheitsapparate bringen. Bislang war das
       Ministerium für zivile Angelegenheiten für solche Organisationen und
       Vereine zuständig. Doch der derzeit kursierende Gesetzesentwurf sieht vor,
       dass das Ministerium für Öffentliche Sicherheit die Zuständigkeiten
       übernimmt. Die chinesischen Sicherheitsapparate sind für ihre oft sehr
       ruppige und willkürliche Vorgehensweise bekannt.
       
       ## 600.000 registrierte NGOs
       
       Offiziell geht es der chinesische Führung darum, mehr Rechtssicherheit im
       Vereinswesen zu schaffen. Tatsächlich finden sich unter den rund 600.000
       registrierten NGOs zahlreiche schwarze Schafe, die mit gemeinnütziger
       Arbeit nicht viel zu tun haben. Bei einigen NGOs in China handelt es sich
       de facto um Firmen mit kommerziellen Interessen. Andere handeln ganz ohne
       jede formale Anerkennung. Das neue Gesetz soll Klarheit schaffen.
       
       So müssen sich sämtliche Organisationen komplett neu registrieren und einer
       Prüfung unterziehen. Wer sich nicht daran hält, macht sich strafbar. Den
       Sicherheitskräften wird zudem das Recht eingeräumt, jederzeit sämtliche
       Akten einzusehen sowie das Personal zu überprüfen. Diese Befugnis hatte das
       bislang zuständige Ministerium für zivile Angelegenheiten in dieser Form
       nicht.
       
       ## Allüberall wacht die Staatssicherheit
       
       Mit einem speziellen „Gesetz über die Verwaltung ausländischer
       Nichtregierungsorganisationen“ sollen auch sämtliche im Land aktiven
       ausländische Organisationen den chinesischen Sicherheitsapparaten
       unterstellt werden. Für jeglichen Austausch mit dem Ausland ist damit die
       Staatssicherheit zuständig, egal, ob es sich um Umweltschutz,
       Entwicklungshilfe, Wissenschaftsaustausch oder Kulturveranstaltungen
       handelt.
       
       Chinesische NGOs, die vor allem in politisch eher sensiblen Bereichen aktiv
       sind, fürchten dass sie künftig keine Finanzhilfen aus dem Ausland mehr
       annehmen dürfen. Betroffen sind selbst Stiftungen, Bildungseinrichtungen
       und sogar Wirtschaftskammern. Entsprechend schlagen auch sie Alarm.
       
       Ausländische Organisationen dürften zudem keine Themen aufgreifen, die die
       „nationale Sicherheit“ oder die „Einheit des Staates“ gefährden. Diese vage
       Formulierung gibt den Behörden weitreichende Befugnisse.
       
       Was das neue Gesetz zusätzlich heikel macht: Internationale Organisationen
       sollen nicht nur für Aktivitäten innerhalb Chinas belangt werden können,
       sondern auch für ihr Engagement im Ausland. Wenn etwa Greenpeace in China
       selbst nur Umweltberatung betreibt, kann es sein, dass die chinesischen
       Mitarbeiter für spektakuläre Greenpeace-Aktionen im Ausland künftig
       trotzdem büßen müssen.
       
       24 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
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