# taz.de -- Zugfahren in Myanmar: In drei Stunden durch Yangon
       
       > Seit Myanmars Straßen heillos verstopft sind, haben Stadtplaner den Zug
       > wieder im Blick. Eine Fahrt zwischen Vergangenheit und Zukunft.
       
 (IMG) Bild: Wer wissen will, wie die Yangoner leben, findet keinen besseren Zuschauerplatz als im Zug.
       
       „Sie sind wirklich mit der Circle Line gefahren?“, fragt der Stadtplaner
       und Architekt Dr. Kyaw Lat ungläubig und belustigt zugleich. „Da haben Sie
       sicher den klimatisierten Wagen genommen?“ Nein, von einem klimatisierten
       Waggon ist auf dem Hauptbahnhof von Yangon an diesem Mittag nichts zu
       sehen. Draußen schmort die Stadt bei 37 Grad Celsius in der Sonne.
       
       Lange galt die noch unter der britischen Kolonialherrschaft erbaute
       Ringbahn vor allem als Transportmittel der Armen. Wer etwas besser gestellt
       war, mied den betagten Zug: Denn für die rund 46 Kilometer über 39
       Stationen braucht die Bahn drei Stunden.
       
       Seit sich Myanmar vor vier Jahren politisch und wirtschaftlich geöffnet
       hat, die Einwohner eigene Autos kaufen dürfen und die Straßen heillos
       verstopft sind, haben die Stadtplaner die vernachlässigte Circle Line
       wieder im Blick. Japanische Experten erstellen derzeit einen
       Verkehrs-Masterplan. Irgendwann soll die Bahn dann auch die Straßen der
       5,2-Millionen-Stadt entlasten. Die Regierung erwägt, das ganze Unternehmen
       zu privatisieren, denn es bringt ihr im Monat nur rund 50.000 Dollar ein,
       und die Modernisierung dürfte viele Millionen kosten.
       
       Aber noch sind es die alten, immer wieder nach gestrichenen und am
       Hauptbahnhof sorgsam mit Wasser geputzten Loks, die mit höchstens 20
       Stundenkilometern durch Wohn- und Fabrikviertel der Stadt ruckeln. Und wer
       wissen will, wie die Yangoner heute leben, kann keinen besseren
       Zuschauerplatz als auf den hellblauen Plastikbänken finden. 1.000 Kyat,
       weniger als einen Euro, kostet ein Ticket für Ausländer am Schalter auf
       Bahnsteig 7. Einheimische zahlen je nach Strecke nur ein paar Cents.
       
       Viertel vor zwölf rollt der Zug aus dem Bahnhof. Nicht nur Essen und Abfall
       wegwerfen, auch Küssen ist verboten in der Yangoner Ringbahn, mahnt ein
       Piktogramm im Waggon. Die Marktfrauen, die im Zug ihre Waren
       transportieren, haben ohnehin anderes im Kopf. Sie räumen ihre Körbe mit
       Mangos und Tabletts mit Wachteleiern hin und her, packen Tüten und Säcke
       mit Kartoffeln und Zwiebeln, um alles möglichst schnell wieder auszuladen.
       Denn es dauert an den Stationen nur Sekunden, bis der Schaffner seine grüne
       Fahne aus dem Fenster hält und die Lok wieder anruckelt.
       
       ## Auf ausgeleierten Gleisen
       
       Die chinesischen Ventilatoren an der Waggondecke surren. Der Zug passiert
       Wellblechhütten, die Rückseiten neuer Luxusappartements und verwitternde
       Wohnblocks mit Satellitenschüsseln auf dem Dach. Auf den Bahnsteigen bieten
       kleine Garküchen Nudelsuppe und Hühnchenbeine an. Zwischen den Gleisen
       laufen Hühner, liegen zum Trocknen ausgebreitet Longyis und Blusen.
       
       Alle paar Minuten hält der Zug. An der Station Insein ist der Bahnhof
       besonders gepflegt, sind die Bougainvilleas adrett beschnitten. Insein ist
       bekannt für sein riesiges Gefängnisareal, in dem über die vergangenen
       Jahrzehnte viele tausend politische und kriminelle Häftlinge verschwunden
       sind. Eine halbe Stunde später stoppt die Bahn an der Station Golf Course.
       In der Nähe dämmert eine offenbar verlassene Kaserne. Seit 2006 ist Yangon
       nicht mehr Hauptstadt. Damals verschwanden viele der ursprünglich hier
       stationierten Armee-Einheiten ebenso wie die Ministerien mit ihren Beamten
       in die neue Hauptstadt Naypyidaw im Zentrum des Landes, fünf Autostunden
       entfernt - und niemand weiß bis heute warum.
       
       Kurz nach dem Bahnhof Mingaladon nahe des Flughafens, gibt die Lok ein
       hässliches Klappergeräusch von sich, sie kommt nicht mehr voran. Eine
       Marktfrau nutzt die Zeit und schnippelt Okraschoten. Die Männer auf der Lok
       hämmern und rütteln am Motor. Nach einer Viertelstunde ist der Fehler
       behoben.
       
       Um 14.40 Uhr fährt der Zug wieder im Hauptbahnhof ein. In wenigen Minuten
       wird die Lok die ausgeleierten Gleise und sich selbst von neuem
       herausfordern.
       
       29 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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